Versicherungen
22. Juli 2019

Lebensversicherer stecken 65 Milliarden Euro in ZZR

Assekurata-Studie: Situation der Branche hat sich aufgehellt. Seit 2011 ein Drittel der Kapitalanlagen für Zinszusatzreserve umgeschlagen.

Nach Ansicht der Rating-Agentur Assekurata haben sich die Branchenaussichten für die Lebensversicherer etwas aufgehellt. Maßgeblich trügen hierzu die hohen Solvenzquoten, solide Neugeschäftsbeiträge und insbesondere die veränderten Modalitäten bei der Bildung der Zinszusatzreserve (ZZR) bei, teilte die Rating-Agentur am Montag mit. In ihrem aktuellen Marktausblick zur Versicherungswirtschaft 2019/2020 zeichnet sie ein aktuelles Bild der Situation in der Lebensversicherung, der privaten Krankenversicherung sowie der Schaden- und Unfallversicherung. Anbieter der Lebensversicherung haben demnach schon ein Drittel ihrer Kapitalanlagen zur ZZR-Finanzierung umgeschlagen. Mit dem Ziel, die langfristige Erfüllbarkeit der Garantieversprechen zu sichern, habe die Lebensversicherungsbranche der ZZR seit ihrer Einführung im Jahr 2011 bereits rund 65 Milliarden Euro zugeführt. Hierdurch konnten die Unternehmen die durchschnittliche Garantiezinsanforderung zum 31.12.2018 von nominell 2,75 Prozent auf effektiv 1,90 Prozent (nach ZZR) senken. „Vor dem Hintergrund der beachtlichen Wirkung der ZZR sollte allerdings nicht außen vor bleiben, dass ihre Finanzierung in den vergangenen Jahren einen großen Kraftakt für die deutschen Lebensversicherer bedeutete“, kommentiert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. „Ohne massive Auflösungen von Bewertungsreserven aus der Kapitalanlage wäre dies vielfach nicht möglich gewesen.“ Um die ZZR aufzubauen, seien große Teilbestände an festverzinslichen Kapitalanlagen veräußert worden. Das entsprechende Umschlagsvolumen an Kapitalanlagen beläuft sich Assekurata zufolge von 2011 bis 2018 branchenweit auf rund 350 Milliarden Euro und damit auf knapp ein Drittel der gesamten Kapitalanlagen beziehungsweise auf mehr als das Fünffache des eigentlichen ZZR-Bestands. „Allein die dafür angefallenen Transaktionskosten dürften sich auf gut eine halbe Milliarde Euro summieren“, schätzt Lars Heermann. „Noch schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass das Geld über die Jahre nur zu durchschnittlich etwa 1,50 bis zwei Prozent neu angelegt werden konnte, und dies mit stark rückläufiger Tendenz.“

ZZR-Korridormethode schafft Planungssicherheit

Im Zuge dieser Entwicklungen habe sich bereits seit einigen Jahren die Frage gestellt, wie lange einzelne Lebensversicherer unter den schwierigen Zins- und Garantiebedingungen überhaupt noch bilanziell durchhalten könnten, zumal die ZZR-Zuführungen methodisch bedingt selbst bei steigenden Zinsen am Kapitalmarkt weiterhin neue Rekordbeträge abgefordert hätten. „Mit der Einführung der sogenannten Korridormethode hat der Gesetzgeber im Oktober 2018 in Sachen ZZR-Methodik neue Fakten geschaffen und den Unternehmen zugleich eine valide Planungsperspektive verschafft“, heißt es in der Pressemitteilung zum Marktausblick. Trotz der geänderten Modalitäten würden die meisten Versicherer aber in den kommenden Jahren weitere Zuführungen zur ZZR leisten müssen. „Für 2019 rechnen wir in Anbetracht des abermals gesunkenen Zinsniveaus derzeit mit einer Netto-Zuführung von neun Milliarden Euro“, konkretisiert Heermann. „Insgesamt wird die Branche bei anhaltendem Niedrigzins bis zum Jahr 2024 einen ZZR-Bestand von knapp 100 Milliarden Euro aufbauen, gegenüber mehr als 150 Milliarden Euro nach bisheriger Methodik.“

Assekurata geht ferner davon aus, dass auf Branchenebene ab 2025 per Saldo ein ZZR-Abbau zu erkennen sein wird. Zwischen den einzelnen Lebensversicherern bestünden hier allerdings große bestandsindividuelle Unterschiede. Während einige Anbieter, insbesondere solche mit hohen Beständen der älteren Rechnungszinsgeneration 3,50 Prozent und 4,00 Prozent, ihren ZZR-Bedarf bereits weitgehend ausfinanziert hätten, würden andere noch über viele Jahre der ZZR zusätzliche Mittel zuführen müssen. Dies betreffe insbesondere Lebensversicherer, die nach der Jahrtausendwende große Neugeschäftsvolumina bei Rentenversicherungen mit Garantiezins ab 3,25 Prozent abwärts vereinnahmen konnten, welche im Niedrigzinsumfeld nicht zuletzt aufgrund ihrer langen Laufzeiten einen beträchtlichen ZZR-Aufbau nach sich ziehen. Dies werde entsprechend auch unterschiedliche Auswirkungen auf die Höhe des Rohüberschusses und die Überschussbeteiligung der Versicherten haben. „Ein großer Vorteil der Korridormethode ist der Aspekt, dass die ZZR nunmehr größtenteils aus laufenden Erträgen finanziert werden kann und die Bewertungsreserven geschont werden“, ergänzt Lars Heermann. Im Gegenzug werde dadurch aber auch das Umschlagsvolumen an Kapitalanlagen geringer. „Bei kleinen und mittelgroßen Anbietern könnte dies die Flexibilität im Asset Management limitieren, falls bestimmte Investitionen aufgrund eines zu geringen Anlagevolumens nun schwerer möglich sind“, meint Heermann.

Mit Blick auf die Kapitalanlagerenditen geht Assekurata davon aus, dass sich die Nettoverzinsung sukzessive der laufenden Durchschnittsverzinsung annähern wird, da die außerordentlichen Erträge aus der Auflösung von Bewertungsreserven an Relevanz verlören. Zugleich werde auch die laufende Durchschnittsverzinsung durch den abschmelzenden Portfoliozins weiter sinken. Verglichen mit 2011 habe sich die laufende Durchschnittsverzinsung aus den Kapitalanlagen marktweit um rund einen Prozentpunkt verringert und rangiere derzeit nahe der Drei-Prozent-Marke. „Da das Zinsniveau voraussichtlich niedrig bleibt und die Kapitalanlagen von Lebensversichern typischerweise eine geringere Laufzeit aufweisen als die Leistungsversprechen an die Kunden, sollte die Garantiefinanzierung auch künftig im Auge behalten werden“, schlussfolgert Heermann.

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