Banken
15. September 2022

Leidenschaft für Liegenschaft

Banken können auf dem Immobilienmarkt mehr als nur Kreditgeber sein. Dies zeigt die Volksbank Brawo. Deren Strategie erläutert Vorstand Jürgen Brinkmann Patrick Eisele.

Viele Banken suchen ein Geschäftsmodell – die Volksbank Brawo hat ihres schon vor Jahren als Immobilieninvestor gefunden. Der Immobilienbestand der Genossen beläuft sich auf über eine Milliarde Euro, die vor allem in Büros und Einkaufszentren abseits der A-Städte investiert ist. Eine wichtige Rolle spielt aber auch das Unternehmensbeteiligungsportfolio. Ein künftiges Betätigungsfeld sieht die Volksbank Brawo im Thema Energie.

Herr Brinkmann, lässt man Sparda-Banken und andere Genossen wie die Apo oder die GLS einmal außen vor, rangiert die Volksbank Brawo gemessen an der Bilanzsumme Ende 2021 mit 5,7 Milliarden Euro unter den 20 größten Volksbanken. Ist dies das Ergebnis eines guten Fusions- oder eines guten Bankgeschäfts?

Abgesehen von einer kleineren Fusion mit der Volksbank Peine wachsen wir seit gut 15 Jahren rein organisch. Wir beschäftigen uns ja mit recht vielen Themen – da gerät etwas in den Hintergrund, dass wir seit Jahren ein sehr, sehr gut laufendes Bankgeschäft haben. Wir wachsen tatsächlich vor allem über das normale Tagesgeschäft. Zum Jahresende wird sich unsere Bilanzsumme auf sechs Milliarden Euro belaufen.

Im Jahr 2021 betrug das Wachstum elf Prozent. Da könnte man auf ein sehr offensives Immobilienkreditgeschäft schließen.

Anders als viele vermuten, ist unser Kreditportfolio überhaupt nicht immobilienlastig. Mit Immobilienkrediten engagieren wir uns fast nur in unserem Geschäftsgebiet. Unsere Auswärtskreditquote ist weit unterdurchschnittlich im Vergleich zu einigen Volksbanken und Sparkassen, die längst bundesweit mit Projektfinanzierungen unterwegs sind.

Ziemlich „auswärtsstark“ ist die Brawo Group dafür mit dem doch risikoreicheren Eigenkapital. Der Gesamtwert des Immobilienbestandes der Volksbank liegt heute bei über einer Milliarde Euro – und vor allem außerhalb des Geschäftsgebiets.

Das kann ich so nicht bestätigen. 82 Prozent unseres Immobilienbestandes sind in unserem Geschäftsgebiet. Warum soll außerdem das Risiko bei Eigenkapital größer sein? Wenn Sie privat ein Haus hälftig mit Eigen- und Fremdkapital kaufen und vermieten: Was ist das größere Risiko?

Der Mieter.

OK. Das war aber nicht die Frage. Für mich ist die Vergabe von Eigenkapital deutlich beruhigender als Fremdkapital. Es gibt kein Zinsänderungsrisiko, keine Fälligkeit, keinen Externen! Nichts! Sie sind ihr eigener Herr und bei Entscheidungen nicht abhängig von dritten! Wir begleiten unsere Projektentwicklungsgesellschaften zwar in der gesamten Bundesrepublik. Da diese Projekte aber eigentlich unsere eigenen sind, haben wir mehr Nähe, eine bessere Einschätzung und einen ganz anderen Zugriff. Es macht keinen Sinn, Eigenkapital im Kassenbestand zu halten. Eine Möglichkeit ist, das Eigenkapital im Kreditgeschäft anzulegen. Da mögen die Risiken durch die lange Erfahrung vermeintlich kalkulierbarer sein, aber die Risiken existieren und dürften künftig eher steigen. Deshalb investieren wir schon seit Jahren in Immobilien.

Die Brawo erwarb in Braunschweig eine Kaufhof-Immobilie. Diese steht nun leer.

Zum Kaufzeitpunkt 2017 war Kaufhof Mieter und der Mietvertrag lief noch sechs Jahre. Zudem steht das Gebäude in sehr guter Lage und wir haben zu einem sehr günstigen Preis gekauft. Vor dem Kauf haben wir damals vier verschiedene Alternativkonzepte wie zum Beispiel Abriss oder Revitalisierung mit Statikern durchgerechnet. Wir könnten aus dem Gebäude auch ein Parkhaus oder ein Logistikzentrum machen. Natürlich hätten wir gerne länger von Kaufhof Miete bekommen, allerdings haben wir vom ersten Tag an auf eine Nachnutzung hin geplant. Das Kaufhof jetzt zwei Jahre eher als Mieter ausgezogen ist, war nicht geplant, aber auch kein Problem. Am Ende lag die Miete aber auch nur noch bei sechs Euro für den Quadratmeter. Wenn man aber bedenkt, dass sich unsere jährlichen Mieteinnahmen auf 67 Millionen Euro belaufen, fällt das kaum ins Gewicht.

Die Brawo ist stark in Einkaufszentren investiert. Ein größerer Mieter ist die insolvent gegangene Friseurkette Klier. Und war da nicht was mit Corona?

Bei dem Kunden Klier haben wir keinen einzigen Cent verloren. Wir hatten Sicherheiten und waren zum Zeitpunkt der Insolvenz deren Hausbank, sodass wir früh um die Lage wussten. Insgesamt gesehen ist das Vermietungsrisiko für uns sehr überschaubar. Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise hatten wir insgesamt Außenstände von 2,5 Millionen Euro. Davon haben wir bis heute weniger als 400.000 Euro tatsächlich abgeschrieben. Diesen Betrag sehen wir teilweise auch als regionale Wirtschaftsförderung, weil wir beispielsweise dem lokalen Blumengeschäft oder dem Schlüsseldienst die Miete erlassen haben. Von den großen Einzelhandelsketten fehlt uns kein Euro. Aktuell hat im Mai der Büroartikelhändler Staples Insolvenz angemeldet. In einem Objekt haben wir Staples als Mieter. Aber auch das ist bei der Größe unseres Bestandes normales Tagesgeschäft.

Wie kritisch ist die Finanzierung für die Immobilien der Brawo?

Jede Immobilie finanzieren wir mit ungefähr 30 Prozent Eigenkapital. Das Fremdkapital besorgen wir uns auf dem Interbankenmarkt. Für diese 70 Prozent haben, beziehungsweise werden wir bei diversen Objekten in den ersten fünf Jahren sogar Zinsen bekommen. Und wenn wir nun die letzten fünf Jahre Zinsen zahlen, dann saldiert sich das auf null. Grundsätzlich sind diese Kredite nach zehn Jahren durch die Erträge aus den Immobilien zurückgezahlt. Wir spekulieren also nicht auf steigende oder fallende Zinsen. Unser Zinsänderungsrisiko für alle Immobilien im Eigenbestand ist Null! Somit sind unsere Immobilien nach zehn Jahren schuldenfrei und wir haben nur noch Eigenkapital angelegt – und zwar für etwa 30 Prozent des Wertes. Danach ist die Miete fast der Gewinn.

Das klingt nach einer guten, allerdings auch nach einer nun ausgereizten Strategie.

2021 haben wir ein paar Arrondierungen vorgenommen, aber keine größeren Investitionen mehr getätigt, weil die Bewertungsfaktoren zu hoch waren. Jetzt sind die Zinsen so stark gestiegen, dass die Faktoren um mindestens zwei, drei Jahresmieten sinken müssten. Das haben viele Verkäufer noch nicht realisiert. Wir aber senken unsere Verzinsungsansprüche nicht und kaufen deshalb derzeit nicht. Wir haben aber auch keinen Anlagedruck. Am Kapitalmarkt gibt es Zeitfenster, in denen etwas sehr gut funktioniert. Die muss man schnell und konsequent nutzen. Genauso konsequent muss man aber auch wieder aussteigen, wenn sich das Fenster schließt. Das können viele nicht. Gerade Fonds stehen häufig unter Anlagedruck.

Wie problematisch war es, als der Interbankenmarkt in der Finanzkrise austrocknete?

Dank des Liquiditätsverbundes der VR-Banken, zu dem auch die DZ Bank gehört, hat es dieses Problem für keine VR-Bank gegeben, auch nicht für uns.

Gilt die 30:70-Finanzierung sowohl für bestehende Objekte als auch für Developments?

Dieses Modell gilt nur für Bestandsimmobilien, nicht für Developments.

Warum nutzen Sie keine Immobilienfonds? Das wäre doch viel effizienter gewesen, als mühselig einen Direktbestand aufzubauen.

Ich schätze unternehmerisches Handeln und deshalb machen wir viele Dinge selbst. Es kann doch nicht sein, dass sich deutsche Banken nur noch mit Filial- und Mitarbeiterabbau und sonstigen Konsolidierungen beschäftigen. Wir haben noch nie einen Mitarbeiter wegrationalisiert und sind in den vergangenen 20 Jahren in der Gruppe um tausend Arbeitsplätze gewachsen. Diese Arbeitsplätze sind nicht alle neu, aber wir haben sie mindestens gesichert. Das sollte eigentlich das Ziel unternehmerischen Handelns sein. Schaut man sich die Hidden Champions in Deutschland an, ist als Gemeinsamkeit zu erkennen, dass sie einen möglichst großen Teil der Wertschöpfungskette selbst abbilden. Das machen wir auch. Die Margen, die sich die Fonds rausschneiden, wollen wir lieber selbst verdienen. Das kann aber nicht jeder, weshalb Fonds für viele Banken und Kunden eine gute Lösung sind. Wir könnten auch einer Union Investment nie das Wasser reichen. Aber in den Segmenten, in denen wir unterwegs sind, kennen wir uns aus. Da müssen wir uns auch auskennen, weil wir in diesen Größenordnungen und Segmenten unsere Kunden im Kreditgeschäft begleiten.

Der Vorschlag, das Immobilienportfolio über Fonds zu internationalisieren, erübrigt sich also.

Genau. Wir machen nur das, was wir können und wo wir uns auskennen.

Also Deutschland und Mallorca?

Mallorca ist ein schönes Beispiel für das Projektentwicklungsgeschäft unserer Bank. Ausgangspunkt war, dass ein Braunschweiger Projektentwickler über persönliche Kontakte an ein wirklich hervorragendes Grundstück auf Mallorca kam. Auf der Suche nach einem professionellen Begleiter kam er zu uns. Wir haben uns das Projekt genau angeschaut und ein 50/50-Joint-Venture mit ihm vereinbart. In diesem unterstützen wir ihn personell sowie finanziell und teilen uns die Risiken. Genossenschaften wurden mit dem Ziel gegründet, Kunden und Mitglieder zu unterstützen – und genau das machen wir. Wir begleiten unsere Kunden auch ins Ausland. Wir haben auch schon Kunden, die in unserem Geschäftsgebiet ihren Firmensitz haben, zu Unternehmenskäufen in die Schweiz, nach Dänemark und sogar einmal nach Neuseeland begleitet. Das sind aber auch unsere langjährigen Kreditkunden, die wir gut einschätzen können. Wir wissen, ob sie vertretbare Risiken eingehen. Grundsätzlich sind Auslandsaktivitäten für uns aber die absolute Ausnahme.

Wie gehen Sie in Deutschland vor? Versicherungen präferieren Büros in A-Städten. Warum kauft die Brawo lieber Einkaufszentren in Magdeburg, Pinneberg oder Duisburg?

Aus unserer Sicht sind die Preise in den A-Städten schon seit längerem überteuert. Unser Renditeziel liegt bei zehn Prozent auf das eingesetzte Eigenkapital. Das ist anspruchsvoll, aber bisher von uns immer erreicht worden. Bei der Fokussierung unserer Strategie haben wir uns ein bestimmtes Segment ausgesucht, in dem wir unseren Kunden keine Konkurrenz machen. Kein Kunde soll sagen können, wir hätten ihm ein Objekt weggeschnappt. Bankgeschäft und Investitionen in Immobilien sind bei uns sauber getrennt. Zu unserem Kundenkreis zählen Wohnungsbaugenossenschaften oder auch einzelne Anleger, die klassischerweise, um Klumpenbildungen zu vermeiden, nicht über 15 Millionen Euro pro Objekt investieren. Bei Preisen von 50 Millionen Euro und mehr sind wiederum insbesondere die großen Fondsgesellschaften unterwegs. Darum sind wir auf Objekte zwischen 15 und 50 Millionen Euro fokussiert – und zwar in den A-Lagen von B-Städten. Da ist der Wettbewerb geringer, da sind die Faktoren noch in Ordnung. Von Ausnahmen abgesehen kaufen wir auch immer Off-Market, nehmen also zum Beispiel nicht an Bieterwettbewerben teil.

Oaktree hat gemeinsam mit Familie Otto die Deutsche Euroshop AG erworben. Kommt jetzt die große Wende in der Einschätzung von Retail-Immobilien?

Dieses Unternehmen ist ein Bestandshalter von innerstädtischen Shoppingcentern. In dieser Kategorie einzukaufen, haben wir uns bislang nicht getraut. Unser Fokus gilt Fachmarktzentren mit einem Lebensmittelhändler als Ankermieter. Das hat in Corona-Zeiten sehr gut funktioniert. Textilhändler haben wir eher weniger als Mieter. Das City Carré in Magdeburg sehen allerdings viele als innerstädtisches Shoppingcenter, weil es neben dem Supermarkt im UG im EG Einzelhandelsflächen gibt. In dem Gebäudeensemble, das direkt gegenüber vom Bahnhof steht, gibt’s aber insbesondere die größten Büroflächen in ganz Magdeburg – und zwar mit Wartelisten. Einen besseren Standort als neben Bahnhof und Innenstadt kann man sich für Büros nicht wünschen.

Was ist Ihre Antwort auf die große Immobilienfrage, wie Büros künftig gestaltet sein müssen?

Wir sind überzeugt: Immobilien müssen verkehrsgünstig liegen. Unser Brawo-Park in Braunschweig ist das beste Beispiel. Wir sind hier neben dem ICE-Bahnhof, der zudem der zentrale Nahverkehrsbahnhof ist. Ein Kilometer entfernt ist die Autobahnzufahrt. Das hier ist die A-Lage für Büroflächen in Braunschweig. Die Bürolandschaft selbst wird sich allgemein ändern. Büros werden immer mehr zu einer Begegnungsstätte und immer weniger ein fester Arbeitsplatz sein. Persönlich erwarte ich ein Mischmodell. Aber was sich in fünf oder zehn Jahren tatsächlich durchsetzt? Wichtig ist, flexibel reagieren zu können. Darum, und weil wir die Immobilien ja auch dauerhaft halten wollen, investieren wir jährlich sehr hohe Beträge in die Instandhaltung. Wir nehmen regelmäßig Geld in die Hand und können so auf neue Entwicklungen reagieren. Wenn sich die Objekte gut rentieren, hat man auch genügend Manövriermasse für Bedarfsanpassungen.

Immobilien werden gern als Inflationsschutz beworben. Was sind Ihre Erfahrungen?

Da wir fast nur gewerbliche Mieter haben, haben wir in der Regel indexierte Mietverträge. Für unseren Immobilienbestand ist das sehr vorteilhaft, weil die Mieten nun im Schnitt um vier bis fünf Prozent steigen. Bei Mieterhöhungen muss man allerdings auch darauf achten, dass die Mieter diese stemmen können. Von Vorteil ist da natürlich, dass wir in der Vergangenheit zu niedrigeren Preisen gekauft haben.

Ökonomen warnen vor einer Rezession. Ist eine Rezession nicht insbesondere bei gewerblichen Mietern ein besonders scharfes Damokles-Schwert für Immobilieninvestoren?

Banken sind nicht gegründet worden, um Risiken auf null zu reduzieren. Banken sind dafür da, Risiken zu managen. Ansonsten gäbe es ja auch kein Kreditgeschäft. Denn auch ein voll abgesicherter Kredit kann ausfallen, wenn irgendwas Unvorhergesehenes passiert. In den vergangenen Jahren ist sehr viel Unvorhergesehenes passiert: Brexit, Trump, Corona, Ukraine … Deswegen kann man Risiken auch nicht zu 100 Prozent ausschließen, sondern man muss über eine ausreichende Risikotragfähigkeit verfügen und sie managen können. Dafür braucht es aber auch personelle Ressourcen, um kritische Situationen zu meistern – wie in der Pandemie, als wir uns mit den großen professionellen gewerblichen Mietern zusammensetzen mussten. Unser Glück war, dass wir nicht erst seit drei Jahren in Immobilien investieren. Somit waren unsere Mitarbeiter schon vor der Pandemie darin geschult, schwierige Verhandlungen zu führen.

Sehen Sie die Regulatorik als künftige Belastung für Immobilieninvestoren? Die CRR2 (Capital Requirements Regulation II) zielt zunächst einmal auf Fonds und deren Leverage-Grad ab. Künftig vielleicht aber auch auf direkt gehaltene Immobilien.

Die Regulierung ist bezüglich Immobilien bei weitem noch nicht so detailliert und ausgereift wie im Kredit- oder Wertpapiergeschäft. In der jetzigen MaRisk-Novelle wurden Immobilien zum ersten Mal aufgegriffen. Da wird aber sehr sicher noch viel kommen. Die Aufsicht hat sich im Jahr 2020 im Rahmen der routinemäßigen KWG-44er-Prüfung ausführlich beschreiben lassen, wie wir unseren Eigenbestand handhaben. Aus dieser Prüfung sind auch einige Dinge in die Novelle fast wortwörtlich eingeflossen. Der Leverage nimmt aber auch schon zinsbedingt ab. Das sehen wir bereits bei vielen Projektentwicklungen. Künftig dürfte der Fremdkapital-Anteil noch stärker sinken. Die Finanzierung wird ein großes Thema werden, insbesondere wie man die Lücke zwischen klassischen Senior Loans, also der Bankfinanzierung, und dem Eigenkapital schließt. Da werden unsere Kunden Lösungen brauchen. Deshalb haben wir uns auch an dem Erlanger Mezzanine-Spezialisten Pegasus mit 50 Prozent beteiligt.

Welche Stressszenarien macht die Bank?

Selbstverständlich alle von der Aufsicht geforderten Szenarien. Und zusätzliche, in denen wir spezifische regionale Faktoren durchspielen.

Ist es schwierig, Gremien und Aufsicht von dem unternehmerischen Ansatz der Volksbank zu überzeugen?

Über die Jahre sind die Bank, die Gremien, die Aufsicht mitgewachsen. Gremien und Aufsicht haben unseren Weg begleitet und können unser Tun einschätzen. Was zum Verständnis beiträgt, ist, dass wir maximale Transparenz leben.

Dieser unternehmerische Ansatz zeigt sich noch stärker im Beteiligungsgeschäft der Volksbank. Die Brawo ist an 37 Unternehmen beteiligt.

Unternehmensbeteiligungen von Banken gab es früher auch bei der Deutschen Bank und bei der Dresdner Bank. Heute hat in Österreich die Raiffeisenbank International ein großes Industriebeteiligungsportfolio. Eine Beteiligung ist eigentlich nur eine andere Form der Geldanlage. Wenn ein Unternehmen wackelt, ist ein Kredit genauso gefährdet wie eine Beteiligung. Nach dem KWG sind Beteiligungen Kreditgeschäft und werden völlig gleich behandelt. Wir managen unsere Beteiligungen wie das Kreditgeschäft. Wir können dem Kunden Fremdkapital, Mezzanine-Finanzierungen, Nachrangdarlehen und Beteiligungen anbieten. Wir haben sogar eine Firma, die für Unternehmer mit Nachfolgeproblemen Komplettübernahmen regelt. Wir bieten die ganze Bandbreite an und der Kunde kann sich genau das raussuchen, was er braucht.

Welche Erfahrungen hat die Brawo bislang mit Unternehmensbeteiligungen gemacht?

Die Identifikation der Kunden ist viel größer als im Kreditgeschäft. Wir haben auch viele Beteiligungen, wo es dem Kunden nicht primär um Geld, sondern um unser Netzwerk und unser Know-how geht. Die Unternehmen kommen mit einem Gesellschafter, der auch operativ unterstützt, schneller voran.

Was ist die übliche Beteiligungshöhe?

Als ein Erfolgsmodell erwies sich ein Anteil von 50 Prozent. Üblich sind ja 25,1 Prozent, um blockieren zu können, oder 75,1 Prozent, um „durchregieren“ zu können. Wir wollen aber eine echte Partnerschaft. Dafür muss man sich verständigen können und es braucht gemeinsame Vorstellungen und Ziele. Und wie man eine solche Partnerschaft lebt, das spricht sich bei den Kunden rum. Ich sehe es wie ein Tandem: Beide müssen treten und kommen zu zweit schneller voran. Lenken kann aber nur der, der vorne sitzt – und das ist der Unternehmer.

Kein Private-Equity-Fonds dürfte 50 Prozent nehmen.

Ja. Wir sind auch ausdrücklich kein Private-Equity-Fonds.

Die Brawo Group zählt nun 270 Unternehmen. Neben der Bank sind es 269 Töchter-, Enkel- und Urenkel-Gesellschaften. Wie managt man das?

Banken können 10.000 Firmenkunden managen. Es braucht eben passende Strukturen und Verantwortlichkeiten. Zum Beispiel können Banken einen Berater für 2.000 Privatkunden haben oder einen Berater für 100 Firmenkunden. Wir haben einen Verantwortlichen für zehn Beteiligungen.

Marktbedingt ist die Brawo nun bei Immobilien auf Konsolidierungskurs. Heißt das, dass man sich fortan noch stärker um die Corporate Investments kümmert?

Im Moment beschäftigen wir uns sehr stark mit dem Thema Energie. Bei unseren Projektentwicklungen sind wir immer mit den Kommunen im Gespräch. Wir haben auch in Nordrhein-Westfalen ein Unternehmen gekauft, das seit 40 Jahren Baulanderschließungen macht. Auch deshalb kennen uns viele kommunale Vertreter. Extrem wichtig ist, dass wir nun einen weiteren Baustein ergänzen: nämlich Energie und Wärmeversorgung. Da sind Solarfirmen zugegen, Netzbetreiber, Betreiber von Ladesäulen und natürlich Handwerker. Wir sehen unsere Rolle darin, diese verschiedenen Puzzleteile zusammenzubringen. Das passt zu uns thematisch sehr gut. Nachhaltigkeit ist für uns nichts neues. Wir haben schon immer enkeltauglich agiert.

Zum Depot-A: Ist es für eine Volksbank Brawo schwieriger, ein größeres Depot-A zu fahren? Schließlich hat man im Geschäftsgebiet schon eine größere Abhängigkeit zum Automobilsektor und bei Wertpapieren droht, dass man dieses Exposure noch verstärkt.

Diese Abhängigkeit mag für Wolfsburg gegeben sein, nicht aber für Braunschweig. In Braunschweig gibt es viel Mittelstand und viel Forschung, die nichts mit Volkswagen zu tun hat. In Braunschweig ist zum Beispiel das Luftfahrt-Bundesamt ansässig und das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum hat hier einen Standort. Salzgitter ist ein Wasserstoffzentrum. Es gibt hier auch eine Technische Universität und in Wolfenbüttel eine Fachhochschule. Dass wir mit circa 100 Millionen Euro ein relativ kleines Depot-A haben, liegt eher daran, dass wir sehr risikoavers ausgerichtet sind. Dadurch sind wir auch von den aktuellen Entwicklungen im ersten Halbjahr an den Börsen eher in geringem Umfang betroffen.

Genossen der Volksbank Brawo bekommen auf einen Anteil von 50 Euro 15 Prozent Dividende! Wie können die Leser von portfolio institutionell Mitglied werden?

Das ist nicht so einfach. Mitglied kann bei uns nur werden, wer aus der Region kommt und seit mehreren Jahren bei uns Kunde ist. Wir sind immer noch eine klassische regionale Volksbank mit regionalem Geschäftsgebiet. Wir zahlen seit vielen Jahren zehn Prozent Dividende. In den vergangenen beiden Jahren kam noch ein Bonus von fünf Prozent dazu. Um unsere Kunden noch weiter am Unternehmenserfolg zu beteiligen, haben wir vor zwei Jahren die Kontogebühren für Privatkunden abgeschafft. 2022 werden wir unsere Ergebnisse erfreulicherweise nochmal deutlich steigern. Sehr wahrscheinlich steht deshalb als nächstes eine Entlastung der Firmenkunden an.

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