Alternative Anlagen
2. August 2023

Limited Partner von Staats wegen

Über eine Tochtergesellschaft investiert die staatliche KfW-Bankengruppe seit knapp fünf Jahren in Venture-Capital-Fonds. Welche Rolle KfW Capital am europäischen Venture-Markt spielt und welche Hürden und Chancen im aktuellen Marktumfeld bestehen.

Der rasante Zinsanstieg, die hartnäckige Inflation und die negative Marktstimmung im Zuge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine haben nicht nur an den liquiden Märkten Spuren hinterlassen. Darunter leiden nicht nur Immobilien, sondern auch alternative Anlagen wie Private Equity. Denn der rasche Zinsanstieg hat auch die Finanzierungskosten stark verteuert und die PE-Fonds ­hebeln ihre Investments, mitunter auch mit hohem Leverage.

Gerade das Fehlen von Leverage ist ein Vorteil von Venture Capital, findet Dr. Jörg Goschin, einer der beiden Geschäftsführer der KfW-Tochter KfW Capital: „Venture-Capital-Investitionen sind typischerweise Investitionen ausschließlich mit Eigenkapital, sodass es in der Regel keinen Leverage gibt, weshalb steigende Zinsen die Profitabilität der Investitionen nicht negativ beeinträchtigen.“ Auch seien innovative Start-ups meist nicht so stark von den aktuell zu beobachtenden deutlichen Preissteigerungen für Energie, viele Rohstoffe und andere Materialien betroffen wie Produktionsunternehmen aus der Industrie oder dem Mittelstand. „Ein dritter Punkt, der aktuell – im Vergleich zu Private Equity – auch für Venture ­Capital spricht, ist, dass die aktuellen geopolitischen Veränderungen­  Liefer- und Wertschöpfungsketten etablierter Unternehmen ­beeinträchtigen und damit Start-ups neue Chancen bieten, ihre ­innovativen Produkte (zum Beispiel neue Materialien oder ­energiesparende Prozesse) in den herkömmlichen Industrien zu vermarkten“, so der VC-Experte im ­Gespräch mit portfolio ­institutionell. Viele durch Venture Capital ­finanzierte ­Unternehmen treiben das Thema ESG aktuell stark ­voran, was auch die Förder- und Investitionsprogramme innerhalb der ­EU als Ziel unterstützen. „Europäische Staaten tun viel, um hiesige Start-­ups auch ­voranzubringen und die ­Rahmenbedingungen richtig zu setzen“, weiß Goschin, der mit der vor fünf Jahren gegründeten KfW-Tochter KfW Capital federführend daran beteiligt ist, in den Venture-­Capital-Markt mit Deutschlandbezug große Summen zu investieren. „Im Oktober 2018 sind wir als KfW Capital im Markt gestartet. Als Beteiligungsgesellschaft investieren wir ausschließlich in deutsche und in ­europäische Venture-Capital-Fonds, die innovative Start-ups und Wachstumsunternehmen auch in Deutschland ­finanzieren“, so ­Goschin. Anlass für die Investments von KfW ­Capital sei das Fehlen von privatem deutschem und europäischem Kapital, insbesondere in der wichtigen Wachstumsphase von Technologieunternehmen, also ein Marktversagen, ­welches die Bundesregierung konstatiert hat und damit die Notwendigkeit sieht, staatlicherseits Eigenkapital für Start-ups zur Verfügung zu stellen.

Angefangen hat die 100-prozentige Tochter der KfW aus Frankfurt mit dem Ziel, Mittel aus dem beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten ERP-Sondervermögen (ERP steht für European ­Recovery Program) in Venture-Capital-Fonds zu investieren. Das ERP-Sondervermögen ging ursprünglich aus Mitteln des Marshallplans im Zusammenhang mit der Wiederaufbauhilfe für Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hervor. KfW Capital sollte sich aus diesen Mitteln mit jährlich 200 Millionen Euro über zehn Jahre verteilt an VC-Fonds beteiligen. Mit der sogenannten ERP/Zukunftsfonds-Wachstumsfazilität wurde das jährliche ­Investitionsvolumen seit Juni 2021 dann noch einmal um etwa 250 Millionen Euro aufgestockt – über dieses Programm werde ­verstärkt in spätere Phasen von Wachstumsunternehmen ­investiert, so Geschäftsführer ­Goschin. Kürzlich hat die KfW selbst nun ­weitere Mittel für ­Venture Capital bereitgestellt. Über das ­Programm „Green Transition Facility“ sollen weitere 100 Millionen Euro über KfW Capital in VC-Fonds ­fließen, die einen Fokus auf den Bereich „Climate Tech“ und daran angrenzende klimarelevante Themen­felder, haben. Die KfW-­Bankengruppe erhofft sich durch das Programm einen „Push-Effekt“ für die nachhaltige Transformation durch Innovation und Unternehmertum, so eine KfW-­Mitteilung von Anfang Juni.

Einer der größten LPs in Europa

Insgesamt ist KfW Capital derzeit mit rund 1,75 Milliarden ­Euro in 88 Venture-Capital-Fonds investiert, über die etwa 1.700 Unternehmen finanziert werden. Über 90 Prozent dieser Zielfonds verfügen inzwischen über ESG-Strategien. „Wir wollen als Investor mit Signal­wirkung am europäischen Venture-Capital-Markt agieren und insbesondere auch das wichtige Thema ESG vorantreiben. So ­achten wir unter anderem auch auf ESG-Kriterien, wie zum Beispiel auf die Qualität von ESG-Reportings bei der Auswahl unserer Zielfonds“, so KfW-Capital-Geschäftsführer ­Goschin. ­Gemessen am ­Investitionsvolumen gehört die Venture-Capital-Tochter der KfW nach dem Europäischen Investitionsfonds (EIF), der bereits seit ­etwa 20 Jahren am VC-Markt aktiv ist, inzwischen zu den größten LPs in Europa. Gerade auch in Deutschland sei das Potenzial für ­Innovation groß: „Im deutschsprachigen Raum gibt es exzellente Forschungsabteilungen, auch an den Universitäten, wie – nur als Beispiel – die Cluster-Achse Darmstadt-Karlsruhe, die ETH Zürich, Bochum beim Thema Cyber-Security oder Saarbrücken beim ­Thema Künstliche Intelligenz“, so Goschin.

Darüber hinaus erscheint einer Studie des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK) zufolge der Bedarf an Wagniskapital in Europa enorm. In Deutschland wurden demnach im Jahr 2022 insgesamt rund 9,4 Milliarden Euro von Beteiligungsgesellschaften und ­anderen Venture-Capital-Investoren in Start-ups investiert. Im „Ausnahmejahr“ 2021 waren es rund 15 Milliarden Euro – bislang ein Spitzenwert. Zusätzliche 11,4 Milliarden Euro seien laut Studie jedes Jahr nötig, um die „Lücke“ zu den USA zu füllen. Zudem ist Wagnis­kapital bei deutschen institutionellen Investoren rar gesät. Nach öffentlichen Stellen investieren hier vor allem Corporates, ­gefolgt von Versicherungen und Pensionsfonds. So lag der Anteil von Versicherungen beim Fundraising von VC-Fonds gemessen an Mitteln aus Deutschland bei 8,4 Prozent – zwischen 2017 und 2021. Bei deutschen Banken liegt der Anteil nur bei 1,7 Prozent, bei ­Stiftungen aus Deutschland 0,5 Prozent. Aktuell gibt es aber wieder frisches Venture Capital aus dem Versicherungssektor. Im März gab die Versicherungsgruppe Gothaer aus Köln bekannt, fortan in ­verschiedene Venture-Capital-Segmente investieren zu wollen.

Als großer LP dürfte KfW Capital auch für andere institutionelle ­Investoren, die in diesem Feld aktiv sind oder es noch werden ­wollen, ein interessanter Gesprächspartner sein. Von den ­Konditionen her investiere die KfW Capital immer „pari passu“, ­also zu gleichen Bedingungen wie private (und institutionelle) ­Investoren in die Zielfonds. Man erwarte eine marktmäßige Rendite.­ Goschin beobachtet derzeit unter ­deutschen institutionellen­ ­Investoren ein „zunehmendes Interesse an der ­Asset-Klasse Venture Capital“. Man stehe im regelmäßigen Austausch miteinander. Bei der Due Diligence wendet KfW Capital umfangreiche ­Ausschlusskriterien an und legt Wert auf die ­Förderung von Diversität, beispielsweise von Frauen in Führungspositionen. „Die ESG-Integration ist seit Jahren fester Bestandteil bei der Zielfondsselektion und in unserer Due Diligence“, so ­Goschin. So hatten von den im Jahr 2022 investierten VC-Fonds 50 Prozent mindestens ­eine Frau auf Partner­ebene. Das Ausfallrisiko von Venture werde durch die Portfoliokonstruktion ­breit gestreut: Man dürfe zwar maximal 19,9 Prozent der Anteile an einem Zielfonds halten. „Im Durchschnitt liegen wir jedoch knapp unter zehn Prozent“, so ­Geschäftsführer Jörg Goschin. Dabei investieren nahezu 45 Prozent der Fonds in die ­Bereiche Internet & ­Communication Tech, circa 20 Prozent in Start-ups aus dem Sektor Life ­Science und rund 30 Prozent investieren branchenübergreifend.

Goschin sieht derzeit einen Renditevorteil für europäisches ­Venture Capital. „VC-Fonds mit Investitionsfokus Europa haben in den ­vergangenen zehn Jahren gegenüber Fonds mit Fokus auf USA und Rest der Welt gemessen an ihren Netto-IRRs eine deutlich ­bessere Performance ­erzielt.“ Gemäß dem „Benchmarking Report 2021“ des Branchenverbands Invest Europe, basierend auf Zahlen von Cambridge Associates, lag die Netto-Rendite über drei Jahre bei europäischen VC-Fonds bei 48 Prozent, während sie für Fonds mit Investmentfokus USA „nur“ auf 41 Prozent kam. In der Betrachtung über 15 Jahre liegen die USA gleichauf mit Europa mit jeweils 16 Prozent durchschnittlicher Netto-IRR. „Die Selektion der Fonds und der zugrundeliegenden ­Assets ist ­eminent wichtig“, sagt Goschin. „Denn die Schere zwischen den Top-Performern und den renditeschwachen Fonds geht bei VC-Fonds deutlich weiter ­auseinander als bei klassischen Private-Equity-Fonds.“

Dies belegen zudem Zahlen aus einer Langfristbetrachtung der Jahre zwischen 1991 und 2021 des Private-Equity-Beraters Macke­wicz & Partner basierend auf Pevara-Daten: Lagen die Renditen in den einzelnen Quartilen bei europäischen Buyouts zwischen 37,1 und minus 8,7 ­Prozent, so lagen sie bei europäischem VC bei ­zwischen 41,7 (Top 5 Prozent) und ­minus 17,6 Prozent (Bottom 5 Prozent). Auch die Spreizung der Renditen zwischen dem Upper Quartile (16,6) und dem Lower Quartile (minus 2,1 Prozent) zeigt, das man in Europa leichter Geld verlieren kann, als in US Venture Capital. In Amerika rentierten die Spitzenfonds mit durchschnittlich 44,2 Prozent, das Upper Quartile erzielte 20,6 und das Lower Quartile kam mit einem Verlust von „nur“ 0,3 Prozent davon.

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