Pensionskassen
4. März 2021

Mehr Transparenz legt nichts Gutes frei

Bereits seit 2016 müssen französische institutionelle Investoren bezüglich Klimarisiken und dem Management von ESG-­Kriterien reporten – oder erklären, warum sie dies nicht tun. Fünf Jahre nach Inkrafttreten untersucht ein Report nun die Bilanz der ­Regulierung, welche auch für deutsche institutionelle Investoren interessante Schlüsse zulässt.

In Kürze tritt mit der Offenlegungsverordnung der erste wichtige Baustein des EU-Aktionsplans zu Sustainable Finance in Kraft. Treuhänderische Investoren und Finanzdienstleister müssen ­künftig offenlegen, inwiefern sie Nachhaltigkeitskriterien in ihrem Anlageprozess berücksichtigen. Obwohl die Anwendung von ESG-Kriterien auch dann nicht verpflichtend sein wird, ist die ­allgemeine Erwartung, dass dies den Markt für nachhaltige Kapitalanlagen stärken wird. „Zwar könnte man nach dem Prinzip ‚Comply or ­Explain‘ auch angeben, dass man Nachhaltigkeitskriterien in der Kapitalanlage nicht berücksichtigt. Doch es ist aus Reputationsgründen fraglich, ob das hilfreich ist“, sagt etwa Ewald Stephan, Vorstandsmitglied bei der Verka. Denn natürlich wirft es kein gutes Licht auf das eigene Unternehmen, sollte man angesichts des ­allgemeinen Aufbruchs als einer der letzten keine Nachhaltigkeit berücksichtigen. Viele Investoren werden dann zumindest ­notgedrungen diesem Thema Aufmerksamkeit schenken.

Ob dies letztendlich auch in tatsächlich nachhaltigeren Portfolien resultiert und – so der Zweck der Regulierung – Nachhaltigkeits­risiken abgebaut werden sowie die Realwirtschaft nachhaltiger strukturiert wird, ist noch unklar. Gewisse Einsichten kann jedoch ein Blick ins Nachbarland bringen. Denn in Frankreich ist bereits 2016 ein Gesetz in Kraft getreten, welches Investoren mit einer ­Bilanzsumme von mehr als 500 Millionen Euro verpflichtet, ihre Klimarisiken zu bewerten und offenzulegen. Nach Artikel 173 des Energietransitionsgesetzes mussten Investoren somit im Jahre 2017 erstmals ihre Kapitalanlagen des Jahres 2016 hinsichtlich ­Klimarisiken scannen oder aber erklären, warum sie dies nicht tun („Comply or Explain“). Frankreich nahm damit in Europa kurz nach dem Pariser Klimaabkommen eine Vorreiterrolle in Puncto ESG-Disclosures ein.

Größte Gruppe mit Verbesserungsbedarf

Ein vor kurzem erschienener Report der Caisse-des-Dépôts-Group-Tochter Novethic, welche Expertise im Bereich Sustainable Finance bündelt, analysierte nun die Auswirkungen der Transparenzpflicht anhand der 100 größten französischen institutionellen Investoren. welche in der Summe 2,6 Billionen Euro verwalten. Zu diesem Zwecke teilte die Studie die Investoren in verschiedene Gruppen ein: Engaged Actors, Can Do Better, Dropouts und Absentees. Der Großteil verharrte auch 2019 in der Kategorie „Can Do Better“ (43 von 100). Die Mitglieder dieser Gruppe reporten zwar nach Artikel 173, nutzen die Gelegenheit jedoch nicht, um ihr Portfolio ­betreffende Risiken und Chancen besser zu berücksichtigen. Für diese Investoren, so scheint es, stand wohl vor allem die Pflicht­erfüllung im Sinne von Tick-the-Box im Vordergrund. Sie heben sich damit allerdings noch positiv gegenüber der Gruppe der ­Dropouts und Absentees ab. Erstere (immerhin zwölf institutionelle­ Investoren) haben schlichtweg aufgehört, nach Artikel 173 zu ­reporten oder veröffentlichten irrelevante Inhalte. Zudem ­lieferten 19 Absentees bislang gar keine Inhalte.

Zu den engagierten Investoren zählt Novethic 2019 immerhin mittler­weile 23 Investoren (gegenüber 15 im Jahr 2016). Diese seien die ­einzigen gewesen, welche ihr Klimareporting verbessert hätten sowie ­stärkere Commitments abgegeben hätten. Novethic kommt dabei zu ­einem ernüchternden Ergebnis: „Nach vier Jahren der Analyse von Berichten der 100 größten französischen institutionellen ­Investoren bewertet die Studie diese beispiellose Gesetzgebung, die zwar als Symbol für Frankreichs Führungsrolle im Bereich der nachhaltigen Finanzen begann, aber letztlich nur begrenzte ­Auswirkungen hatte.“

FRR mit Dekarbonisierung des Aktienportfolios

Zu der ambitionierteren Gruppe dürfte der 36 Milliarden schwere Fonds de réserve pour les retraites (FRR) zählen, welcher zur ­öffentlichen Caisse des Dépôts gehört. Der Fonds fokussierte sich in den ­vergangenen Jahren etwa auf die Dekarbonisierung seines passiven Aktienportfolios. Zu diesem Zwecke ging FRR mit dem ­schwedischen Pensionsfonds AP4, MSCI und Amundi eine Kooperation ein, welche in der Entwicklung der MSCI Global Low Carbon Leaders Indexes mündete. Auch die übrige passive Allokation ­sowie die aktiven Mandate und zuletzt auch Smart-Beta-Allokationen wurden Dekarbonisierungszielen unterworfen.

Dass Investoren wie FRR dabei völlig neue Wege gingen, dürfte auch den Grund haben, dass breit geteilte Marktstandards bislang rar sind beziehungsweise sich erst langsam entwickeln. Die ­Novethic-Studie gibt einen Überblick über die Methoden, welche Investoren etwa zur Messung von Klimarisiken zur Anwendung brachten. Zunächst bleibt einmal festzustellen, dass diese beispielsweise hinsichtlich der Carbon-Reporting-Indikatoren sehr ­heterogen sind: Die Studie listet nicht weniger als 55 Methoden, welche in ihrer Reichweite und ihrem Detailgrad stark variieren. Novethic identifiziert dennoch einen gemeinsamen Trend unter den Investoren mit dem stärksten Commitment, Methodologien zur Berechnung der Temperatur des Portfolios anzuwenden. 25 und damit sieben mehr als noch 2018 ermittelten diese Kennzahlen, welche versuchen zu ermitteln, mit welchem Klimaszenario das Portfolio kompatibel ist. Trotz aller methodischer Unterschiede seien die Unzulänglichkeiten auch bei dieser Gruppe offensichtlich, da alle Simulationen hinsichtlich der weiteren Entwicklung ­einen höheren Wert als das vereinbarte Zwei-Grad-Ziel ergeben.

Einheitlicher scheint es in Punkto Ausschlusskriterien zuzugehen. Novethic fand für das Jahr 2019 42 Ausschluss-Policies hinsichtlich von Kohleinvestments, was gegenüber 2016 einen deutlichen ­Anstieg darstellt (damals 19 Ausschluss-Policies). Dies führte zu ­einem Divestment von fast 1,5 Milliarden Euro an Kohle-Assets, ein Trend, der sich immerhin zu beschleunigen scheint. Während 2016 lediglich 46 Millionen Euro an Kohle-Assets verkauft wurden, lag der Wert im Jahr 2019 bei 779 Millionen Euro. Auch Öl- und ­Gasfirmen beziehungsweise Assets stehen in geringerem Umfang auf der Abschussliste: 2017 wurden 98 Millionen Euro, 2018 42 Millionen Euro und 2019 16 Millionen Euro verkauft. Allerdings ­gibt es auch hier starke Variationen: Während einige Kohlepolicies sich auf das gesamte Portfolio beziehen, beziehen sich andere ­lediglich auf Neuinvestitionen.
In grüne Anlagen wurde seit 2016 stärker investiert, allen voran in Green Bonds. Lagen die Kapitalanlagen 2017 noch zu 11,7 ­Milliarden Euro in grünen Anleihen, konnten 2019 bereits 34,2 Milliarden ­Euro verzeichnet werden. Nichtsdestotrotz ist der Anteil weiter ­gering: Green Bonds kommen auf nicht mehr als zwei Prozent des gesamten Anleihevolumens, welche die untersuchten Investoren halten. Green Bonds stellen mit knapp zwei Drittel aller grünen ­Kapitalanlagen den Löwenanteil der grünen Investments. An ­zweiter Stelle steht Infrastruktur: 9,9 Milliarden Euro wurden hier nachhaltig investiert, gegenüber 2018 stiegen die Investitionen hier um ­beeindruckende 40 Prozent. Thematische Fonds (rund drei ­Milliarden Euro) sowie andere grüne Investments (rund zwei Milliarden Euro) spielen eine geringere Rolle.

Hätte Novethic die Angaben von Investoren hinsichtlich ­Immobilien übernommen, wären grüne Anlagen wohl mit deutlich größerem Volumen vertreten. Investoren stützten sich dabei überwiegend auf grüne Label. Novethic bezweifelt jedoch offenbar deren Aussagekraft auf Basis jüngster Befunde: „Eine kürzlich durchgeführte ­statistische Analyse von OID (der französischen Beobachtungs­stelle für umweltfreundliches Bauen) – basierend auf der EU-­Taxonomie – zeigte jedoch, dass es keine eindeutige Korrelation zwischen diesen Labels und der vergleichbaren Energieleistung von Immobilien gibt.“ Ein Investor reportete demnach, dass „die EU-Taxonomie viel strenger ist als die Marktpraktiken.“

Artikel 173 wurde im Zuge einer Novelle des Energietransitions­gesetzes ersetzt, ohne prinzipielle Änderungen etwa am „Comply or Explain“-Prinzip vorzunehmen. Novethic erwartet deshalb, dass der Nutzen der neuen Verordnung begrenzt bleibt: „Das Fehlen von Rahmenwerken und Methoden, die von der Regulierungs­behörde definiert werden, wird wahrscheinlich die extreme Vielfalt der Berichtsqualität beibehalten, es sei denn, Europa folgt dem ­britischen Beispiel. Großbritannien hat gerade angekündigt, die TCFD-Berichterstattung für Unternehmen und Investoren bereits 2021 verpflichtend machen zu wollen, Neuseeland will dies bis 2023 tun.“ Die Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) sind ein im Jahr 2017 erstmals ­veröffentlichter, inzwischen weit verbreiteter Marktstandard. Bei der Übertragung der Erfahrungen aus ­Frankreich auf den europäischen Raum sollte man im Blick ­behalten, dass mittlerweile das Thema ESG größeren Stellenwert besitzt als noch 2016. Die ­Erfahrungen bestätigen jedoch die von früherer (Selbst-)Regulierung: Marktteilnehmern nach ihren ­eigenen ­Maßstäben ­reporten zu lassen oder ihnen sogar die ­Möglichkeit zu lassen, sich einer Veröffentlichung ganz zu ­entziehen, mag zwar zur Verschlankung von Prozessen hilfreich sein, wird so aber ­lediglich die sehr ­unterschiedlichen Ambitionen der einzelnen Unternehmen widerspiegeln. Die ­geringen Effekte der erhöhten Transparenz auf ­Investmententscheidungen zeigen zudem auf, dass Transparenz wohl nicht genug sein wird, um die ­gewaltigen Klima- und ­sonstigen ESG-Risiken im Finanzsystem abzubauen.

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