Schwarzer Schwan
1. Juni 2012

Meuterei auf dem Kapitalmarkt

Lesen Sie in dieser Ausgabe des Schwarzen Schwan der Woche, wie man mit der vagen Aussicht auf Truhen voller Gold das Herz abenteuerlustiger Anleger erobert und ihnen das Geld in der Realität aus der Tasche zieht.

Jim Hawkins hat es vorgemacht. Im Abenteuer-Roman „Die Schatzinsel“ suchte er gemeinsam mit seinem väterlichen Freund Doktor Livesey und dem Friedensrichter Sir Trelawny nach dem Schatz des berüchtigten Piraten Käptn Flint – mit Erfolg. Jim und seine Freunde konnten die Piraten in die Flucht schlagen und den Schatz mit zurück nach England nehmen. Happy End!
„Die Schatzinsel“ ist natürlich nur ein fiktiver Roman, ist aber offenbar auch eine Geschichte, mit der man Anleger ködern kann. Das Unternehmen „Deep Sea Exploration“ mit einer Niederlassung in Ratingen wollte gesunkene Schiffe mit wertvoller Ladung finden und bergen. Um diese Projekte zu finanzieren, sammelte das Unternehmen – vornehmlich per Telefonwerbung – zwischen 2001 und 2005 bei Anlegern Gelder in Höhe von rund 15 Millionen Euro ein. Laut dem Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein (BSZ) wurde in den Telefonaten behauptet, dass einige Bergungsprojekte kurz vor dem Abschluss stünden und die Gewinne für die Kapitalgeber beträchtlich wären. Außerdem lockte Deep Sea Exploration mit dem Versprechen, demnächst an die Börse zu gehen.
Das klang nach einer schönen Geschichte, allerdings erzählt von Piraten des Grauen Kapitalmarktes. Ein Happy End gab es für die abenteuerlustigen, vielleicht auch etwas zu gutgläubigen Anleger jedoch nicht. Nennenswerte Schätze wurden nie gehoben, und auch auf den Börsengang warteten sie vergebens. Für die meisten Investoren endete dieses Abenteuer mit dem Totalverlust. Im Herbst 2005 wurde das Insolvenzverfahren gegen Deep Sea Exploration eröffnet, im Frühjahr 2007 erfolgte dann die Auflösung des Unternehmens. Im Unterschied zu Jim Hawkins kamen die Anleger der Deep Sea Exploration von ihrer Schatzsuche mit leeren Händen zurück. Aber um eine Weisheit reicher: Auch in der modernen Welt gibt es noch Piraten. Bei der Deep Sea Exploration hießen sie nicht Long John Silver, Blackbeard oder Jack Sparrow, sondern Reinhard Wolff, Stefan Rieck und Ingo Kretschmann.
Mit den drei ehemaligen Managern des gescheiterten Unternehmens befasst sich aktuell in einem Strafprozess das Landgericht Düsseldorf. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten gemeinschaftlichen Betrug vor. Mit einer Entscheidung sei nicht vor Mitte Juni zu rechnen, wie das Handelsblatt einen Gerichtssprecher zitiert. Neben dem Strafprozess laufen auch mehrere Zivilprozesse.
Zwar sind die Angeklagten bislang nicht kielgeholt worden. Gleichwohl weist die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Theewen, die zwei Geschädigten-Pools vertritt, auf ihrer Internetseite darauf hin, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf bereits „kürzlich in zwei Urteilen einen ehemaligen Niederlassungsleiter der Deep Sea Exploration plc. zum Schadenersatz verurteilt“ hat. Unabhängig davon, ob die Anleger einen Teil ihrer Investitionen tatsächlich zurückbekommen, bleibt zumindest eine Erkenntnis. Am Grauen Kapitalmarkt gibt es Piraten, vor denen man sich besser hüten sollte.
Die Manager von Deep Sea Exploration und portfolio wünschen Ihnen ein abenteuerlustiges Wochenende.
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