Strategien
28. September 2011

Mit Risikofaktorallokationen wider Scheinsicherheiten

In den vergangenen Jahren sind Investoren vom Glauben an die Diversifikation abgefallen. Risikobasierte Allokationsansätze sollen Portfolios stabilisieren.

Die Theorie preist die Diversifikation als den einzigen Free Lunch der Kapitalanlage. In der Anlagepraxis der vergangenen Jahre hat Diversifikation jedoch nicht immer überzeugen können. Anstatt als diversifizierendes Element erwies sich die Diversifikation eher als Scheinsicherheit.
Die in den vergangenen Jahren neu eingegangenen Engagements der Investoren in zum Beispiel den Emerging Markets, Infrastruktur oder Rohstoffen lassen sich als ein gewisser „jetzt-erst-recht-Trotz“ bezüglich der Diversifikation deuten. Jedoch entsteht dadurch die Gefahr, dass lediglich Scheinsicherheiten entstehen. Schließlich ist Infrastruktur eine Mischung aus Private Equity sowie Immobilien und damit von den gleichen Risikofaktoren, wie Liquidität und Zins, abhängig. Bei Emerging Markets und Rohstoffen besteht die Gefahr, dass Konjunkturrisiken auf diese Märkte so stark ausstrahlen wie auf das Aktienportfolio. Mehr verspricht der Ansatz, nach Risikofaktoren zu diversifizieren. „Wir allokieren auf Basis der Risikofaktoren Aktien, Zins, Währung und Rohstoffe. Bei der Portfoliokonstruktion nach Asset-Klassen läuft man Gefahr, in eine Diversifikationsfalle zu laufen“, sagt Joachim Meyer, ein auf die strategische und taktische Allokation spezialisierter Berater.
Zu den Anhängern von risikobasierten Allokationsansätzen zählt auch Blackrock. „Wir stützen uns auf sechs entlohnte Risikofaktoren und konstruieren so ein besser diversifiziertes Portfolio“, erklärt Stephan Meschenmoser, Mitglied der Blackrock Multi-Asset Client Solutions Gruppe. Blackrock hat folgende Risikofaktoren identifiziert: Real Interest Rate Changes, Inflation, Credit, Liquidität, politische Risiken und die Konjunktur. Während Risikofaktoren bei bestehenden Portfolios gern zur nachgelagerten Performance-Attribution herangezogen werden, sind diese bei risikobasierten Allokationsansätzen die Ausgangsbasis für den Portfolioaufbau.
Mit dieser Vorgehensweise werden die Lehren aus den vergangenen fünf Jahren gezogen. Kritisch einzuwenden ist, dass bei solchen Ansätzen unter Umständen lediglich die Risikofaktoren der Vergangenheit identifiziert werden und so der Realität hinterheroptimiert wird. „Unsere Faktoren müssen stark in der ökonomischen Theorie verankert sein und empirisch ihre Relevanz bewiesen haben“, entgegnet Meschenmoser. Er räumt jedoch ein, dass nicht erklärbare Risiken, wie Terror und Betrug, übrig bleiben. „Ziel ist natürlich, den nicht erklärbaren Teil so klein wie möglich zu halten.“ Strategisch gewichtet werden die Faktoren nach ihren langfristig erwarteten Risikoprämien, wobei kurzfristige Marktverwerfungen opportunistisch ausgenutzt werden können. Es kann jedoch wie in diesen Wochen auch Marktphasen geben, in denen die Risikoscheu ein dominierendes Element ist. In einem solchen Umfeld werden Risiken nicht entlohnt und es gilt, das Gesamtrisikko des Portfolios zu reduzieren.
Zu beachten ist bei einer solchen Risikofaktorallokation auch, dass institutionelle Kapitalanlage kein intellektueller Zeitvertreib ist, sondern grundsätzlich der Bedienung von Verbindlichkeiten dient. Die Kapitalanlage sollte also primär der Deckung von Verbindlichkeiten und nicht der Ertragsmaximierung dienen. Meist besteht bei Einrichtungen der Altersvorsorge ein Durations-Gap, die Laufzeiten auf der Asset-Seite sind also kürzer als auf der Liability-Seite. Institutionelle Investoren sehen sich deshalb aus ökonomischer Sicht strukturell einem hohem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt, ohne dafür eine Risikoprämie erwarten zu können. „Risikofaktorbasierende Allokationsansätze, welche die Verbindlichkeiten explizit in die Betrachtung mit einbeziehen, gewichten deshalb typischerweise die Duration bei den Assets stärker, senken also die Durationslücke, auch wenn die Durationsprämie allein betrachtet, diese starke Gewichtung nicht zu rechtfertigen scheint“, so Meschenmoser.
Meschenmoser nennt als einen weiteren Vorteil risikobasierter Allokationsansätze das bessere Verständnis des Verhaltens einzelner Anlageklassen: „Beispielsweise können Rohstoffe in drei Risikokomponenten zerlegt werden: Wachstum, Inflation und Politik. Rohstoffpreise sind oftmals positiv mit politischem und Inflationsrisiko korreliert, sie schützen also vor diesen Risiken. Investoren sind unter Umständen bereit, für diesen Schutz eine Versicherungsprämie zu bezahlen. Damit Rohstoffe als Ganzes eine positive Risikoprämie erzielen, muss die Prämie für den verbleibenden positiv behafteten Risikofaktor, Wachstum, die anderen beiden überkompensieren.“
portfolio institutionell newsflash 21.09.2011/pe

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