Pensionsfonds
8. November 2023

Nachhaltig und transparent

Schweden gilt gemeinhin als Vorbild in Sachen Rentensystem. Vorreiter sind die Schweden auch bei Nachhaltigkeit. Die staatlichen Pensionsfonds berichten gern und viel zu Sustainability. Nun überrascht der Pensionsfonds AP7 mit einer in Bezug auf die Transformation interessanten Haltung.

Der AP7 („Sjunde AP-fonden“), Schwedens staatlicher „Default“-Fonds im System der Prämienrente, preschte im Oktober mit einer Nachricht zum Übergang in eine Net-Zero-Economy vor: Die größten Einsparungen von Treibhausgasen ließen sich für Investoren erzielen, indem man sich auf die größten CO₂-Emittenten konzentriere, wie der Fonds in seinem jüngsten Bericht zur Klimatransition­ (Theme Report on Climate Transition 2020-2022) ausführte. In ­dem Papier erläutert AP7 diese Position.

Als Großinvestor mit ­insgesamt umgerechnet rund 88 Milliarden Euro Assets under ­Management (Stichtag 29.9.2023) und ­Investitionen in über 3.000 Portfoliounternehmen ist AP7 der mit Abstand größte staatliche Pensionsfonds in Schweden. Der Fonds hat ein Schwergewicht auf Aktien, ein kleinerer Teil der ­Investments (7,8 Milliarden Euro, ­Ende September) ist in Rentenpapieren angelegt. Für Pensions­anwärter ab 55 Jahren wird ein mit dem Alter zunehmender Teil des Portfolios in Anleihen umgeschichtet. Intern ­verteilen sich die Assets hauptsächlich auf die beiden Fonds „AP7 Aktiefond“ und „AP7 Räntefond“. Neben Private Equity darf AP7 seit 2023 auch in Infrastruktur und Immobilien investieren.

Zum Hintergrund: In Schweden fließen 16 Prozent des Bruttoeinkommens der Arbeitnehmer in eine Grundrente, die auf einem Umlageverfahren basiert und einer zusätzlichen sogenannten „Prämienrente“, die auf einem beitragsorientierten (defined contribution), kapitalbildenden System fußt. In den staatlichen AP7 Pensionsfonds fließen dann die Beiträge all solcher Versicherten, die keinen anderen der mehreren hundert Fonds am ­Kapitalmarkt ­ausgewählt haben, denn die Beiträge zur „Prämienrente“ sind in Schweden verpflichtend. Darüber hinaus gibt es in Schweden noch weitere Systeme der betrieblichen Altersvorsorge.

Das Modell des AP7 war jüngst auch in Deutschland wieder en vogue. Im Zuge der politischen Diskussionen um eine deutsche „Aktienrente“ wird der Fonds oft als Vorbild genannt, insbesondere wegen seines hohen Aktien-Exposures.

In seinem thematischen Bericht zum Übergang hin zu einer ­klimaneutralen Wirtschaft nennt AP7 den Klimawandel als die „größte Bedrohung“ für die oberste Aufgabe des Fonds, für gute Renten zu sorgen. Ein Risiko gelte es in erster Linie zu vermeiden: Das Verfehlen der Klima­ziele von Paris. Als Mittel dazu hält AP7 Divestments für wenig gut geeignet, um diese Ziele zu erreichen: „AP7 kann den größten Beitrag leisten, wenn wir als langfristiger aktiver Eigentümer für einen Übergang in den Unternehmen sorgen, anstatt ­unsere Beteiligungen und damit auch unseren Einfluss mittels ­Divestments zu veräußern“, heißt es in dem Klima-Bericht.

Doch was bedeutet das genau? AP7 setzt stattdessen auf Engagements: Das Dickschiff will sich in seiner Kapitalanlage erklärter­maßen auf solche Unternehmen konzentrieren, die für die meisten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind und diese zur Transformation bewegen. Dahinter steht diese Erkenntnis: „Der Großteil der weltweiten Treibhausgasemissionen konzentriert sich auf eine relativ kleine Anzahl von Unternehmen. In unserem Portfolio ­haben wir Engagements mit rund 200 Unternehmen durchgeführt, die für 70 Prozent des Klima-Fußabdrucks unseres gesamten Portfolios stehen“, so der Bericht.

Man habe sich darauf konzentriert, ­diese Unternehmen zu beeinflussen, damit sie ihre Emissionen an die Ziele des Pariser Abkommens anpassen und damit auch für die Zukunft besser gerüstet seien. Dazu engagiert sich der AP7 auch in verschiedenen internationalen Investoreninitiativen und vernetzt sich mit anderen Investoren, wie zum Beispiel über die Climate ­Action 100+ Initiative. Seit 2018, dem Gründungsjahr des internationalen Bündnisses, hat AP7 demnach Gespräche mit rund 160 Unternehmen unterstützt, die für 80 Prozent der Treibhausgasemissionen der globalen Wirtschaft verantwortlich sind, so AP7 in seinem Klimabericht.

Als Beispiele für erfolgreiche Engagements nennt der Fonds unter anderem das Engagement mit der französischen Energiefirma Engie, die sich als einziger europäischer Energie­versorger in 2020 noch keine Net-Zero-Ziele bis 2050 gegeben hatte. Nach eineinhalb Jahren intensiver Gespräche und einem gemeinsamen Agieren im Vorfeld der Hauptversammlung von 2021 hat sich das Unternehmen dann für Net-Zero bis 2045 committet.

Ein weiteres Beispiel aus dem Bericht von AP7 ist das Bergbauunternehmen Rio Tinto, das eines der ersten Engagements von AP7 gewesen sei. Hier ging AP7 gegen deren Lobbypolitik vor, ­welche zu globalen Klimazielen im Widerspruch stand. Noch 2017 schien der australische Konzern unwillig zu kooperieren. Das ­Engagement von AP7 mündete in einem Aktionärsantrag auf der Hauptversammlung in 2018. Seitdem habe der Konzern Fortschritte­ gemacht und inzwischen zum Beispiel seine Mitarbeit in einem wichtigen Lobbyverband beendet.

Dennoch finden Engagements auch klare Grenzen. Zum Beispiel gibt es bei AP7 eine sogenannte Schwarze Liste, die über dessen Website öffentlich zugänglich ist und halbjährlich aktualisiert wird. Hier werden Unternehmen namentlich genannt, die gegen internationale Konventionen verstoßen, die Schweden unterzeichnet hat und demnach aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen sind. So sind seit 2020 Investments in Unternehmen untersagt, die zum Beispiel Expansionspläne im Kohlesektor haben. Seit 2022 werden zudem Firmen verbannt, die „keinen glaubwürdigen Plan“ für den Ausstieg aus der Ölsandproduktion, der Gewinnung fossiler Brennstoffe in der Arktis oder aus dem Kohle-Bergbau haben. Auf der Blacklist fanden sich Ende Juni 107 Unternehmen, darunter Ölkonzerne wie Exxon Mobil, Shell oder Repsol.

Klima-Aktionsplan mit Zwischenzielen

Auch hat sich der AP7 im vergangenen Jahr einen „Climate Action Plan 2023“ gegeben, der Ziele für die Investmentstrategie und die Engagement-Politik des Pensionsfonds enthält und die kontinuierlich weiterentwickelt werden sollen. Schaut man in das 16-seitige Papier, erfährt man zunächst, dass AP7 rund 60 Prozent seines ­Aktienexposures im amerikanischen Kapitalmarkt hält, entsprechend deren Marktwert in weltweiten ­Indizes. Zum Vergleich: Der MSCI World hat ein Exposure von etwa 70 Prozent in den USA. AP7 hat dementsprechend auch als größten Sektor die ­Informationstechnologie im Portfolio, mit 21 Prozent.

Auf der ­Investment-Seite hat sich der AP7 zum Beispiel zum Ziel gesetzt, in 2025, also schon in zwei Jahren, den Anteil seiner „grünen“ ­Investments gegenüber 2020 zu verdoppeln. Man halte derzeit grüne Anlagen in allen Asset-Klassen. Auf der ­Aktienseite bedeutet das, dass man den Anteil des dezidiert ausgewiesenen „Transition-Portfolios“, also eines Portfolios mit emissionsintensiven ­Unternehmen, mittels Active Ownership und ­aktivem Management auf rund zehn Prozent des Aktienvolumens steigern will. Auf der Rentenseite sollen bis 2025 Green Bonds ­einen Anteil von 50 Prozent des Fixed-Income-Portfolios haben. In 2022 lag dieser ­Anteil noch bei etwa zehn Prozent.

Bei der Klimaberichterstattung lohnt auch ein Blick auf andere­ staatliche Pensionsfonds in Schweden. So ist AP7, wie der ­Name schon erahnen lässt, nicht der einzige staatliche Pensionsfonds. Hinzu kommen fünf weitere öffentlich-rechtliche APs, nämlich der AP1, AP2, AP3 und AP4 sowie der nach Assets deutlich kleinere­ AP6, der ausschließlich Private-Equity-Investments hält. Diese ­sogenannten „Puffer-Fonds“ sind Teil des Systems der gesetzlichen Rente und im Zuge einer Reform im Jahr 2000 aus dem früheren Reservefonds ATP entstanden. Der Einfluss der staatlichen ­Puffer-Fonds auf Portfoliounternehmen dürfte, gemessen an deren Anlagevolumen, durchaus groß sein, denn insgesamt managen die fünf Puffer-Fonds derzeit ­alleine umgerechnet fast 163 Milliarden Euro. Nimmt man AP7 hinzu, sind es über 250 Milliarden Euro, die den ­Kapitalmarkt durchaus bewegen können.

Die schwedischen AP-Pensionsfonds nehmen ihre öffentliche ­Rolle durchaus ernst und veröffentlichen fleißig Berichte zu Nachhaltigkeit, zum Klimawandel, zu TCFD (Task Force on Climate-­related Financial Disclosures), teilweise auch zu Green Bonds und zu Menschenrechten. Hintergrund ist unter anderem ein ­Beschluss der damaligen Regierung von 2017, bis 2045 als erstes Land überhaupt klimaneutral zu sein. Doch angesichts des Rechtsrucks bei den Parlamentswahlen im vergangenen September steht die Klima­politik nun wieder in Frage.

Ob das Auswirkungen auf die ­Berichtspraxis und die bereits gesetzten CO₂-Ziele der sechs APs haben wird, bleibt abzuwarten. Eines steht fest: In Sachen Transparenz liegen die staatlichen schwedischen Pensionsfonds gegenüber vielen europäischen Peers deutlich vorne. Viele Pensionsfonds ­veröffentlichen halbjährliche Finanz- und Nachhaltigkeitsberichte, sowie regelmäßig eine komplette Liste der von ihnen gehaltenen Assets. Das tut hierzulande kaum eine Pensionskasse.

Auch inhaltlich treiben die APs das Thema Klimaschutz in der Kapitalanlage voran. AP2 beispielweise hat sich noch im September zur Klimaneutralität in 2045 ­bekannt. Darüber hinaus will der Pensionsfonds in 2025 ein Portfolio halten, was nicht mehr zur Entwaldung des Planeten beiträgt. In seinem Nachhaltigkeitsbericht von 2022 nennt AP2 weitere Zwischenziele wie die Reduzierung der Emissionen um 55 Prozent bis 2030 (im Vergleich zu 2019). Alle Asset-Klassen sollen zudem bis 2025 auf dem Klimapfad sein.

Klimaneutralität ist jedoch nicht das einzige Feld, in dem die APs bei Nachhaltigkeit aktiv sind. Auch auf Diversität und Menschenrechte gehen einzelne Berichte detailliert ein. Interessante Quelle für klimabewusste Investoren sind die Berichte in jedem Fall.

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