Recht, Steuer & IT
13. Juli 2020

Nachhaltiges Investieren – ESG-Regulierung nimmt weiter Konturen an

Gastbeitrag von Dr. Harald Glander, Rechtsanwalt und Partner, und ­Daniel Lühmann, Rechtsanwalt und Supervising Associate in den ­Bereichen Financial Services und ­Investmentfonds bei der inter­nationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons.

Die mit der Eindämmung des Corona-Virus verbundenen Folgen für die ­globalisierte Wirtschaft haben auch Auswirkungen auf den Finanzsektor. Infolge der weltweiten Maßnahmen sind die Märkte erheblich unter Druck geraten und weisen eine entsprechend hohe ­Volatilität auf. In diesem ­schwierigen Marktumfeld haben sich allerdings nachhaltige ­Finanzprodukte als besonders robust ­erwiesen. So deuten ­unterschiedliche Studien darauf hin, dass die Performance von ­Finanzprodukten, welche die Faktoren Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance – ESG) berücksichtigen, während der Corona-­Krise besser war als die Performance von konventionellen ­Finanzprodukten. Dies dürfte dazu führen, dass zumindest das ­bereits ­bestehende Interesse von Investoren an ESG-Finanz­produkten ­weiter zunehmen wird. ­Dieser Trend dürfte künftig auch durch die europäischen Regulierungsbestrebungen positiv beeinflusst werden.

Im März 2018 veröffentlichte die Europäische Kommission den ­Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums und legte damit den Grundstein für die ESG-Regulierung in ihrer heutigen Form. Der Aktionsplan folgte der Annahme der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und Ziele sowie der Annahme des Pariser Übereinkommens zum Klimaschutz durch die Europäische Union und ihrer Mitgliedstaaten. Durch die Annahme dieser Abkommen haben sich sowohl die Europäische Union als auch ihre Mitgliedstaaten zur Umsetzung ehrgeiziger Klima- und Energieziele verpflichtet. Für deren Verwirklichung muss – nach Schätzungen der Kommission – ein jährlicher Investitionsrückstand von ­mindestens 180 Milliarden Euro aufgeholt werden. Da diese Investitionen nicht durch die öffentlichen Hand aufgebracht werden können, müssen private Mittel zur Schließung des Deltas mobilisiert werden. Dem Finanzsektor kommt damit eine Schlüsselrolle bei der Beschaffung der Mittel zu.

Vom Aktionsplan zur ESG-Regulierung

Zur Mobilisierung der erforderlichen Mittel beabsichtigt die ­Kommission, Kapitalflüsse durch regulatorische Maßnahmen in nachhaltige Investitionen umzulenken. Zur Umsetzung dieses Ziels veröffentlichte die Kommission bereits im Mai 2018 mit den Entwürfen für die Offenlegungs- und die Taxonomieverordnung erste umfassende Legislativvorschläge.

Im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren waren die Verordnungsentwürfe Gegenstand intensiver Beratungen. In deren Folge ­wurden die Entwürfe umfassend geändert. Trotz der Änderungen am Text der Offenlegungsverordnung konnte das entsprechende Gesetzgebungsverfahren bereits im Dezember 2019 abgeschlossen werden. In Bezug auf die Taxonomieverordnung wird erwartet, dass das Verfahren innerhalb der kommenden Monaten ­abgeschlossen sein wird. Zwar wurde der Verordnungstext durch den Rat der Europäischen Union im April 2020 angenommen. Da der Rat allerdings Änderungen an dem abgestimmten Text vorgenommen hat, wurde der Text zur Abstimmung an die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments zurückverwiesen. Nach deren Zustimmung muss der Verordnungstext noch vom ­Europäischen Parlament gebilligt werden, bevor er veröffentlicht werden kann. Beobachter gehen davon aus, dass das Europäische Parlament den Text Mitte Juni 2020 billigen wird.

Grundstein für mehr Transparenz bei Investoren

Die Offenlegungsverordnung ist ein zentraler Baustein in der ESG-Regulierung. Ziel der Verordnung ist es, ­Informationsasymmetrien zu Gunsten der Investoren durch Offenlegungspflichten ­abzubauen, um private Mittel in nachhaltige Investitionen umzulenken. Entsprechend der Zielsetzung der Offenlegungsverordnung ist der Kreis der zur Offenlegung verpflichteten Unternehmen denkbar weit gefasst. Die neuen Offenlegungspflichten richten sich an ­Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind als Finanzmarktteilnehmer beispielsweise Kapital­verwaltungsgesellschaften und Portfolioverwalter zur ­Offenlegung ­verpflichtet. Zudem müssen Unternehmen, welche beim Vertrieb von Finanzprodukten Beratungsleistungen er­bringen, als Finanzberater ebenfalls die neuen Offenlegungspflichten beachten.

Um im Sinne der Investoren Transparenz zu schaffen, sind vor ­allem Finanzmarktteilnehmer verpflichtet, unternehmens- und produktbezogene ESG-Informationen auf unterschiedliche Art und Weise zu veröffentlichen. Insoweit sollen die wesentlichen Offen­legungspflichten der Finanzmarktteilnehmer im Mittelpunkt ­dieses Beitrags stehen. Die Offenlegungspflichten der Finanzmarktteilnehmer werden teilweise durch Level-2-Maßnahmen konkretisiert und durch die Taxonomieverordnung ergänzt.

Unternehmensbezogene Offenlegungspflichten

Finanzmarktteilnehmer müssen auf ihren Websites Informationen über Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungsprozessen veröffentlichen. Nachhaltigkeitsrisiken sind Ereignisse oder Bedingungen in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, deren Eintreten wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert einer Investition haben könnten. Bei der Erarbeitung einer Strategie sollten die ­Finanzmarktteilnehmer, die von der Bafin beaufsichtigt werden, auch das im Dezember 2019 veröffentlichte Merkblatt zum ­Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken beachten. In dem branchenüber­greifenden Merkblatt stellt die Bafin anhand von Good-Practice-­Ansätzen den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken dar. Aufgrund der zur Offenlegungsverordnung abweichenden Definition des ­Begriffs „Nachhaltigkeitsrisiko“ sollte das Merkblatt allerdings als eine erste Orientierungshilfe dienen.

Principal adverse impacts statement

Zudem sind Finanzmarktteilnehmer verpflichtet, auf ihren ­Websites eine Erklärung über Strategien zur Wahrung der Sorgfaltspflichten zu veröffentlichen (Principal adverse impacts statement), sofern sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne der Verordnung sind Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der ­Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Zwar können Finanzmarktteilnehmer, die im Geschäftsjahr durchschnittlich nicht mehr als 500 Personen beschäftigt haben, von einer Offenlegung dieser Informationen absehen. Sie müssen dann aber auf ihrer Website erklären, warum sie solche Auswirkungen nicht berücksichtigen und ob beziehungsweise ab wann sie ­beabsichtigen, dies zu ändern. Insoweit sollten Finanzmarktteilnehmer, die unter dem Schwellenwert liegen, bereits jetzt ­strategisch entscheiden, ob sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitions­entscheidungen auf ­Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen ­wollen oder nicht. Dabei werden sie auch in Erwägung ziehen ­müssen, ob Investoren künftig Produkte erwerben werden, ­deren Manager erklären, dass sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren nicht beachten.

Das Principal adverse impacts statement wird durch Level-2-Maßnahmen konkretisiert. Ein Konsultationspapier mit Vorgaben an Inhalt, Methodik und Darstellung der Pflichten wurde im April 2020 durch die europäischen Aufsichtsbehörden veröffentlicht. Wer auf eine unternehmenseigene Umsetzung dieser Offen­legungspflicht gehofft hat, wurde spätestens durch die Veröffent­lichung des Konsultationspapiers enttäuscht.

Bestandteil des ­Konsultationspapiers ist der Entwurf einer delegierten Verordnung, die ein einheitliches Berichtsmuster für das ­Principal adverse ­impacts statement vorgibt. Zentrales Element der Erklärung bildet ein komplexes Berichtsformat bestehend aus 50 Indikatoren für Umwelt und Soziales. Diese Indikatoren sind im Anhang I des Entwurfs der delegierten Verordnung in drei Tabellen zusammen­gefasst. In der ersten Tabelle sind 32 ­Indikatoren aus Umwelt und Soziales enthalten. Immer wenn einer dieser ­Indikatoren einschlägig ist, liegt eine ­negative Auswirkung einer Investition auf einen Nachhaltigkeitsfaktor vor. In der ­zweiten ­Tabelle sind elf Umwelt-Indikatoren und in der dritten Tabelle sind sieben ­Indikatoren aus dem Bereich Soziales enthalten. Zusätzlich zur Prüfung der 32 Indikatoren sollen Finanzmarktteilnehmer ­anhand mindestens ­jeweils einem Indikator aus den Tabellen 2 und 3 prüfen, ob es ­weitere negative Auswirkungen auf ­Nachhaltigkeitsfaktoren gibt. Schließlich können Finanzmarktteilnehmer ­weitere freiwillige ­Indikatoren für ihre Bewertung wählen. Ergänzt wird die ­quantitative Bewertung unter anderem durch eine ­Beschreibung der Maßnahmen zur Ermittlung und Priorisierung der wichtigsten nach­teiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen sowie eine ­Beschreibung von Maßnahmen zu deren Bewältigung.

Im Zusammenhang mit dem Principal adverse impacts statement dürfte sich das Problem der Informationsbeschaffung stellen. Die europäischen Aufsichtsbehörden sind sich dessen bewusst: Die ­Finanzmarktteilnehmer sollen die Informationen entweder beim Portfoliounternehmen direkt erfragen oder sich indirekt über Dritt­anbieter beschaffen. Durch die Offenlegungspflichten der Finanzmarktteilnehmer ist allerdings zu erwarten, dass die Verfügbarkeit von ESG-spezifischen Informationen erheblich zunehmen wird.

Produktbezogene Pflichten schaffen Klarheit für Investoren

Zusätzlich zu den umfangreichen unternehmensbezogenen Offenlegungspflichten sehen sich Finanzmarktteilnehmer auch mit ­produktbezogenen Offenlegungspflichten konfrontiert. So müssen sie Investoren in vorvertraglichen Informationen erläutern, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen einbeziehen werden. Zudem müssen die betroffenen Unternehmen Investoren Informationen zur Verfügung stellen, die erläutern, wie die Rendite ihrer Finanzprodukte durch Nachhaltigkeitsrisiken ­beeinflusst werden könnte. Sollten diese Unternehmen derartige Risiken als nicht relevant erachten, sind sie verpflichtet, ihre Einschätzung zu begründen.

Erweiterte Offenlegungspflichten für ESG-Produkte

Der Umfang der produktbezogenen Offenlegungspflichten erweitert sich für Finanzmarktteilnehmer erheblich, wenn es sich um nachhaltige Finanzprodukte handelt. Die Offenlegungsverordnung teilt diese Finanzprodukte in Produkte nach Artikel 8 und Artikel 9 ­Offenlegungsverordnung ein.

Ein Finanzprodukt qualifiziert als Artikel-8-Produkt, wenn das ­Produkt durch einen Finanzmarktteilnehmer unter anderem mit ­ökologischen und/oder sozialen Merkmalen beworben wird. ­Finanzmarktteilnehmer müssen für diese Art von Produkten in den vorvertraglichen Informationen darstellen, wie die ­beworbenen Merkmale erfüllt werden sollen. Wurde für das Finanzprodukt ­zudem ein Index als Referenzwert bestimmt, müssen die vor­vertraglichen Informationen Angaben enthalten, ob und wie dieser Index mit den beworbenen Merkmalen vereinbar ist.

Nach Artikel 9 Offenlegungsverordnung erweitert sich der Umfang der offenzulegenden Informationen signifikant, wenn mit einem Finanzprodukt eine nachhaltige Investition oder die Reduzierung der CO2-Emission angestrebt wird. Investitionen sind nachhaltig, wenn sie zur Erreichung eines Umweltziels oder eines sozialen Ziels beitragen, keines dieser Ziele erheblich (do not significantly harm) beeinträchtigen und die Zielunternehmen Verfahrens­weisen guter Unternehmensführung anwenden. Bei diesen Produkten müssen Finanzmarktteilnehmer in den vorvertraglichen Informa­tionen erläutern, wie das angestrebte Ziel erreicht werden soll. ­Wurde ein Index als Referenzwert bestimmt, muss zudem angegeben werden, wie dieser Index auf das angestrebte Ziel ausgerichtet ist. Zudem ist zu erläutern, warum und wie sich dieser Referenzwert von einem breiten Marktindex unterscheidet.

Die Offenlegungspflichten für nachhaltige Finanzprodukte werden durch Level-2-Maßnahmen konkretisiert. Insoweit enthält das ­veröffentlichte Konsultationspapier Vorgaben an Inhalt, Methodik und Darstellung der Offenlegungspflichten in den vorvertraglichen Informationen, auf den Websites und in den regelmäßigen ­Berichten. Trotz der detaillierten Vorgaben zu den produkt­bezogenen Offenlegungspflichten wie den Vorgaben an das Do-not-significantly-harm-Prinzip ist es für Finanzmarktteilnehmer ­gegenwärtig nicht möglich, dessen Umfang abschließend zu ­bewerten. Die für die Offenlegung relevanten Berichtsmuster in den Anhängen II bis V des Entwurfs der delegierten Verordnung sind weder Gegenstand des Konsultationsverfahrens noch wurden sie parallel veröffentlicht.

Taxonomieverordnung ergänzt Offenlegungspflichten

Ergänzt wird die gerade erst in Kraft getretene Offenlegungs­verordnung für ökologisch nachhaltige Finanzprodukte durch die Taxonomieverordnung. So sollen Finanzmarktteilnehmer in den vorvertraglichen Informationen und den regelmäßigen Berichten für Produkte nach Artikel 8 oder Artikel 9 unter anderem angeben, zu welchem Umweltziel das Finanzprodukt beitragen soll. Zudem soll sie ­erklären, wie und in welchem Umfang in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit investiert wird. Finanzprodukte, die nicht als ein Artikel 8- oder Artikel 9-Produkt qualifizieren, sind nach den ­Vorgaben der Taxonomieverordnung zu kennzeichnen. Verstöße gegen die ergänzenden Offenlegungs- und Kennzeichnungspflichten sollen künftig sanktioniert werden.

Es ist zu erwarten, dass die Bedeutung von ESG-Produkten in den nächsten Jahren zunehmen wird. Zu dieser Entwicklung wird die Offenlegungsverordnung wesentlich beitragen. Die Verordnung legt eine Reihe von Pflichten für Finanzmarktteilnehmer zur ­Erhöhung der Transparenz gegenüber Investoren fest. Dadurch wird es potenziellen Investoren ermöglicht, sich umfassend und vergleichbar über ESG-Produkte zu informieren. Um die Offen­legungspflichten allerdings erfüllen zu können, müssen die ­betroffenen Unternehmen, die für sie relevante Pflichten bereits jetzt identifizieren. Dazu müssen sie ihre Produktpalette ­analysieren und organisatorische sowie strategische Grundsatzentscheidungen zur Umsetzung der Offenlegungsverordnung treffen.

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