Asset Manager
18. Februar 2020

Nachhaltigkeits-Ratingagenturen in der Kritik

Asset Manager fürchten Fehlallokationen. Integration von ESG in den Anlageprozess.

Während die EU-Taxonomie für nachhaltige Investments gerade noch in den Gremien der EU verhandelt wird, sorgt auch das Merkblatt der Bafin zu Nachhaltigkeitsrisiken für Gesprächsstoff unter Finanzmarktteilnehmern. Ins Rampenlicht rückt im Zuge dieser Bestrebungen nach Orientierung und Standardisierung die Arbeit der Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. „Diese wachsende Bedeutung der ESG-Ratings kann Fehlentwicklungen mit sich bringen. So verlassen sich viele Investoren und Asset Manager zu sehr auf die Nachhaltigkeitsratings. Das kann gefährlich sein und sogar für neue systemische Risiken sorgen“, warnt zum Beispiel Mustafa Sagun, Chief Investment Officer für globale Aktien bei Principal Global Investors. Diese seien vor allem durch Fehlallokationen zu befürchten. „Je mehr Investoren sich auf die Urteile der Ratings verlassen, desto mehr Investoren unterliegen gleichzeitig denselben oder ähnlichen Grundannahmen. Das erhöht das Risiko von großen Fehlallokationen an den Märkten – also Blasen, die immer dann zu platzen drohen, wenn sich sicher geglaubte Grundannahmen der meinungsführenden Ratingagenturen überraschend als falsch erweisen“, beschreibt Sagun.

Auch hätten Nachhaltigkeitsratings hätten aufgrund des Stichtagsbezugs oftmals einen sehr statischen Charakter und arbeiteten auf Basis absoluter Maßstäbe, kritisiert Sagun.  „Wer schon heute hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllt, bekommt ein gutes Rating. Firmen, die nach heutigen Maßstäben in ESG-Kriterien schlecht abschneiden, aber einen ernsthaften Willen zur Verbesserung dokumentieren, fallen dabei durchs Raster“, so Sagun. Der Experte rät Asset Managern und Investoren daher, ein fundiertes hauseigenes Nachhaltigkeitsresearch aufzubauen und ESG-Aspekte nicht von der klassischen Finanzanalyse zu trennen, sondern integriert zu arbeiten. Außerdem solle man bei Unternehmen mehr auf die Dynamik des Nachhaltigkeitsprofils achten als auf dessen absolutes Niveau. Dort wo der Raum für Verbesserungen und der bewiesene Wille zur Verbesserung zusammenkommen, entstünden große Chancen, glaubt Sagun.

Vor Fallstricken bei ESG warnt indessen auch Degroof Petercam Asset Management (DPAM). Zwar brächte die Berücksichtigung von ESG-Kriterien Performancevorteile und die Vermeidung kontroverser Unternehmen unterstütze die Wertentwicklung des Aktienportfolios. Die große Nachfrage und die Ähnlichkeit der Investmentansätze der Anbieter sowie das Scoring großer ESG-Datenanbieter berge jedoch die Gefahr von Bewertungsanomalien.

Hohe Bewertungen einzelner ESG-Vorreiter

Vor allem Aktien mit den besten ESG-Ratings erfahren DPAM zufolge starke Bewertungsanstiege. Dabei müsse hinterfragt werden, ob die hohe Bewertungen einiger weniger Titel tatsächlich fundamental gerechtfertigt oder nur ein Resultat der hohen Mittelzuflüsse ist, so DPAM. Zudem seien die Ratings zu stark an den Offenlegungen von ESG-Daten durch die Portfoliounternehmen orientiert. „ESG-Ratings fokussieren immer noch zu stark auf die Offenlegung und das Berichtswesen über ESG in den Unternehmen“, kritisiert Tom Demaecker, Portfoliomanager ESG-Aktienstrategien bei DPAM. Solche Gesellschaften, die besonders viele ESG-Daten offenlegen, schnitten häufig in den Ratings am besten ab. Dies führe dazu, dass große Unternehmen, die üblicherweise mehr Informationen liefern als kleinere Firmen, die besseren Ratings erhalten. „Es ist wichtig zu unterscheiden, ob ein Unternehmen einfach nur ESG-Maßnahmen offenlegt oder tatsächlich stark engagiert ist im Hinblick auf die zugrundeliegenden Risiken und Chancen“, betont der DPAM-Nachhaltigkeitsmanager.

Demaecker rät denn auch, möglichst auf verschiedene Datenlieferanten zu setzen. „Produktanbieter sollten die Heterogenität der verfügbaren Daten berücksichtigen.  Noch besser ist ein eigenes ESG-Research, um die Schwächen externer Datenquellen zu kompensieren – nicht nur in Bezug auf Umwelt, sondern auch Soziales und Governance“, betont Demaecker. Ein Blick auf die ESG-Scores von großen Datenanbietern, wie Sustainalytics, MSCI und Thomson Reuters, zeige, dass die Umwelt-Komponente den größten relativen Performancebeitrag liefert, während die Aspekte Soziales und Unternehmensführung in der Fläche noch untergeordnete Rollen spielten. Umso wichtiger sei es, für jedes analysierte Unternehmen und jeden analysierten Sektor genau zu prüfen, welche der drei ESG-Säulen im Einzelfall tatsächlich besonders relevant ist.

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