Alternative Anlagen
4. Februar 2021

Nahendes Ende der fossilen Dominanz

Der größte CO₂-Emittent der Welt hat sich Klimaziele gesetzt, ­welche nur mit einem massiven Ausbau Erneuerbarer Energien zu erreichen sind. Doch auch für den Ausbau der Erneuerbaren weltweit spielt China eine große Rolle. Dies zieht die Frage nach sich, wie sich Investoren in diesem Segment positionieren können.

China will bis spätestens 2060 klimaneutral werden – ein langer Weg. Denn noch immer deckt Kohleenergie einen großen Teil der chinesischen Energieversorgung ab, weitere fossile Kraftwerke werden gebaut. Im Schatten dessen hat sich das Reich der Mitte jedoch zu einem Powerhouse für Renewables entwickelt. In Deutschland – speziell in Sachsen-Anhalt – dürfte leidvoll bekannt sein, dass ­China sich auch in der Wertschöpfungskette von Erneuerbaren zu einem Giganten aufgeschwungen hat. Besonders in Puncto Photovoltaik: 60 Prozent der weltweit verbauten Solarpanelen werden in China gefertigt. „Als Lieferant ist China also entscheidend wichtig und hat auch wesentlich zu den sinkenden Kosten der Solarparks beigetragen“, so Markus W. Voigt, CEO der Aream Group. Im ­Bereich der Windkraft sieht es etwas anders aus: Zwar seien unter den weltweit größten Herstellern für Windkraftturbinen auch ­chinesische Unternehmen stark vertreten, im europäische Markt jedoch kaum etabliert, so Giselher Kühne, Managing Partner von Advace. Grund dafür dürfte neben der Unerfahrenheit mit chinesischen Turbinenherstellern auch in der Inanspruchnahme der Operations und Maintenance Services liegen, bei denen ein enges und gutes Verhältnis zum Hersteller als Counterpart essentiell ist.

Auch beim inländischen Ausbau geht es stark voran, vor allem ­getrieben durch immer niedrigere Gestehungskosten. Die UBS ­erwartet für den chinesischen Energiemarkt, dass für Solarenergie bereits 2021 Grid Parity, also ein Gleichziehen der Retail-Preise für Strom aus Solarenergie mit aktuellen Netzpreisen, erreicht wird. Fossile Energie wäre dann in den meisten Teilen Chinas genauso teuer oder sogar teurer als Solarenergie der neuen Generation. ­Getrieben wird diese Entwicklung durch eine rasante Verbilligung der Solartechnologien, speziell von Solarzellen. Allein 2019 sanken die Kosten für Solarmodule um 20 Prozent, über die vergangenen sieben Jahre liegt die jährliche Kostensenkung pro Watt bei neun Prozent jährlich. Durch die gesunkenen Gestehungskosten rechnet UBS dadurch mit organischem Nachfragewachstum nach Solarenergie unabhängig von staatlichen Subventionen.

Auch beim Ausbau der Windenergie ist China der Place-to-be. Das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie prognostiziert, dass in den 2020er Jahren in China eine Kapazität von 253,9 GW ­installiert wird. Auf Platz Zwei der Top-Märkte liegt mit weitem Abstand die USA (96,3 GW), Indien (57,2 GW) und Deutschland (34,1 GW). Im Gegensatz zur Solarenergie sind jedoch im globalen Maßstab westliche Unternehmen im Manufactoring führen. Wood Mackenzie prognostiziert, dass die drei Marktführer Vestas, Siemens Gamesa and GE ihren Marktanteil weltweit von 43 Prozent im Jahr 2019 auf 60 Prozent im Jahr 2029 erhöhen können. Gegenüber ihren chinesischen Konkurrenten hätten amerikanische und europäische ­Hersteller einen Vorteil durch ihren globalen operativen Scale, Onshore- und Offshore-Präsenz, große Bilanzen, größere Nähe zu den größten Vermögenseigentümern und ihre finanzielle Stärke.

Liquide Fonds bieten die Möglichkeit, am Wachstum des ­chinesischen Renewables-Sektors zu profitieren, etwa mittels eines Angebots der Fondsgesellschaft DNB Asset Management. Der ­geographisch nicht limitierte Fonds hält als aktuell drittgrößte ­Position Anteile der China Longyuan Power Group Corporation, ­einem Versorger, der ein gigantisches Windkraftportfolio in China und anderen asiatischen Staaten hält. Ein im Oktober erschienener Citi-Report analysiert, welche chinesischen Aktien von der Umsetzung des Klimaneutralitätsziels bis 2060 profitieren. Die Top-Picks der amerikanischen Bank sind der Solarglas-Produzent Xinyi Solar, der Windturbinenhersteller Goldwind, das Gasversorgungsunternehmen ENN Energy, der Elektrohersteller BYD sowie Ganfeng ­Lithium, der als Anbieter eines wichtigen Vorprodukts für ­Batterien von der E-Mobilität profitiert. Auf der Abschussliste stehen ­dagegen Unternehmen mit überwiegend fossiler Ausrichtung. Auf die ­Ankündigung des Ziels der Klimaneutralität durch Xi Jinping Ende September 2020 bei der UN reagierten die Börsen euphorisch, ­Titel mit grüner Ausrichtung konnten zweistellig zulegen.

Nur einzelne Investoren wagen sich in illiquide Gefilde

Und wie sieht es mit illiquiden Investments aus? „Wir kennen derzeit keinen institutionellen Investor, der an direkten Investitionen in China interessiert ist. Und wir wüssten auch keine direkten ­Investitionsmöglichkeiten im illiquiden Bereich in China“, so Voigt von Aream. Grund sind aus seiner Sicht wie bei vielen ­Investitionen in China hohe regulatorische Hürden wie zum Beispiel Kapital­verkehrsbeschränkungen für Erträge aus China, strukturelle ­Beschränkungen durch chinesische Miteigentümer oder der ­Erwerb von Grund und Boden nur über Erbpacht. „Projekte im ­Bereich Erneuerbare-Energie-Infrastruktur sind aus unserer Erfahrung nicht offen für Investoren außerhalb von China.“ Dabei gab es durchaus andere Zeiten, die nun womöglich zaghaft zurückkehren. In den 1980er und 1990er Jahren drängten erste westliche Unternehmen auf den chinesischen Energiemarkt, sich In Folge von ­Angebotsüberhang im Energiemarkt und dem Eindruck von Ungleich­behandlung Anfang des Jahrtausends jedoch wieder ­zurückgezogen. Kontrollierten 1997 rund 40 ausländische Unternehmen rund zehn Prozent der gesamten Kapazität (vor allem ­Kohlekraftwerke), lag der Anteil der ausländischen Investoren am Markt für Erneuerbare Energien Ende 2018 unter einem Prozent.

Das hat Gründe. Kühne, der mit Advace unter anderem in Vietnam und auf den Philippinen in Green Energy Infrastructure investiert, hat Investitionen in China vor einigen Jahren geprüft. Mit ­negativem Ergebnis: „Bei China war schnell klar, dass dies ein Markt ist, den wir für uns zunächst ausschließen.“ Er nennt zwei Hauptgründe. Der erste Grund liegt schlichtweg darin, dass China nicht auf Geldzufluss von außen gewartet hat. Ein hoher Anteil der fossilen und erneuerbaren Energieerzeugungskapazität wird von staatlichen ­Institutionen selbst finanziert und betrieben. Der Anteil des ­Staates entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Energiemarkt ist hoch. Die bisherigen Anreize im Energiemarkt, etwa durch die ­Gestaltung adäquater und stabiler Vergütungsmechanismen, ­erlauben aus Kühnes Sicht keinen angemessenen Risikopreis für Investitionen. Das chinesische Selbstverständnis sieht nicht vor, ­externes Kapital in die eigene Infrastruktur zu lenken.

Der zweite Grund ist das hohe politische Risiko. „Wenn Sie über ­einen vergleichsweise langen Zeitraum investieren, brauchen Sie grundlegende Sicherheiten und auch Vertrauen in den Markt und das staatliche System“, so Kühne. Es fehle immer noch an Trans­parenz, etwa beim Umgang mit Netzabschaltungen oder Preis­bildungsmechanismen, auch wenn das Land hier in letzter Zeit Fortschritte gemacht hat. Bei der Aufklärung und Durchsetzung von Ansprüchen könnte es schwierig werden. Dies ist zwar auch in anderen südostasiatischen Ländern nicht immer einfach, dort ­genießen aber unter anderem staatliche Entwicklungsbanken und Organisationen westlicher Länder eine anerkannte Rolle.

Einzelne institutionelle Asset Manager sind dennoch auch im ­illiquiden Renewables-Bereich unterwegs, etwa Brookfield Asset Management. Der kanadische Alternatives-Gigant investiert über seine 2014 gegründete chinesische Tochter neben Real Estate und ­Private Equity auch in Renewable Assets. Drei Windparks mit über 348 MW Kapazität sowie eine Solarfarm in Dunhuang mit 18 MW werden laut Website aktuell gehalten. Zudem zielt ein Joint ­Venture mit dem in Singapur inkorporierten Asset Manager Global Logistic Properties (GLP) darauf ab, Solarpanelen mit einer Kapazität bis zu einem Gigawatt auf Dächern zu installieren. Auch der amerikanische Private-Equity-Manager I Squared Capital ist seit 2017 in ­chinesische Renewable-Assets investiert: Laut Daten von Mergermarket erwarb das Unternehmen für 262 Millionen Yuan (38 ­Millionen US-Dollar) vier chinesische Solarkraft-Assets mit einer Kapazität von 50 MW von einem staatlichen Unternehmen. Bereits zwei Jahre später wurde offenbar ein Verkauf des gesamten Port­folios angestrebt, der dann jedoch aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen ins Stocken geriet, so das Datenportal. Demnach habe die verkäuferseitig vorgenommene Bewertung 20-jährige staatliche Subventionen in Höhe von 0,2 Yuan pro Watt angenommen, ­welche jedoch nur für die ersten drei Jahre sichergestellt waren.

Die Frage, ob diese Subventionen tatsächlich fließen, wird im ­breiten Markt zunehmend kritischer bewertet. Denn schließlich hat der 2006 eingerichtete Renewable Energy Development Fund (REDF) geschätzte Defizite von fast 300 Milliarden Yuan auf­gebaut. Laut der Erneuerbaren-Spezialistin Yuki Yu von Energy Iceberg ­haben knapp 70 bis 80 Prozent der Wind- und Solarprojekte ­bislang nicht ihre vollen Subventionen erhalten. Die Frage der Auszahlung der Subventionen sorgt also für zusätzliche Unsicherheit. Dies dürfte aufgrund sinkender Erstehungskosten für Erneuerbare ­womöglich der Vergangenheit angehören. Im Januar 2019 stellte die National Development and Reform Commission (NDRC) and the National Energy Administration (NEA) Pläne vor, um subventionsfreie Wind- und Solarkraftwerke voranzutreiben. Ist Grid Parity einmal erreicht, dürfte dies fast ein Selbstläufer werden.

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