Statement
2. Oktober 2023

Net-Zero-Ziele treiben Nachfrage von Investoren

Interview mit Andrew Radkiewicz, Global Head of Private Debt Strategy & Investor Solutions, PGIM Real Estate

Aus welchen Gründen sollten institutionelle Investoren Real Estate Debt als Teil ihres Portfolios in Betracht ziehen – und hierbei insbesondere Europa als Anlageregion?

Im Private-Credit-Universum ist Real ­Estate Debt eine ausgereifte Strategie, die rund 20 Prozent des Marktes für private Kredite ausmacht. Im derzeitigen Marktgeschehen, in dem die Wirtschaftsprognose für Europa unsicher ist, die Nachfrage­ nach Kapital aber hoch bleibt, können Debt Investments zu niedrigeren, abgesicherten LTVs getätigt werden. Dadurch ­verringert sich das ­Risiko, dass die ­Bewertungen weiter ­fallen als erwartet.
Real Estate Debt kann einem Private Credit Portfolio ­wichtige Diversifizierungsvorteile bringen und einkommenssteigernd auf die Private Investment-Grade-Allokation wirken. Real ­Estate Debt kann Renditen mit geringer Volatilität und geringem Risiko hinzufügen, die durch hochgradig diversifizierte und vorhersehbare Mietzahlungsströme aus den zugrunde liegenden Immobilienanlagen unterstützt ­werden. Zum Beispiel liefern Wohnimmobilien granulare Einkommensströme, die an die Inflation gekoppelt sind, während Industrieimmobilien den Anlegern über die Mieter Zugang zu Unternehmen, und damit ­einem diversifizierten Teil der Wirtschaft, verschaffen. Diese geringe Volatilität der Erträge wird gestärkt durch die Vorrangigkeit von Real-Estate-Debt-Investments gegenüber der Equity-Seite, was die Debt-Investments üblicherweise vor ­einem Wertverlust der zugrunde ­liegenden Immobilien schützt.
Darüber hinaus können Kreditnehmer im Rahmen von Value-Add-Debt-Strategien­ Alpha erzeugen, indem sie ­Vermögenswerte durch aktives Asset ­Management aufwerten und „zukunftssicher“ machen, wodurch die Mieten steigen.­ Dies führt zu einem stabilen Kreditprofil, da die zugrunde liegenden ­Sicherheiten und Einkommensströme während der Laufzeit eines Kredits aktiv und vorhersehbar verbessert werden können, was den Wert des Assets steigert und das Exit-Risiko verringert. Bei Core-Krediten mit Investment-Grade-Rating kommt es in der Regel ebenso zu einer positiven Kreditmigration aufgrund der Tilgung, wodurch sich in der Folge das Rating des Kredits verbessert.
Was die Duration betrifft, so werden ­Investment-Grade-Darlehen in der Regel fünf bis sieben Jahre lang gehalten. Bei hochverzinslichen Krediten sind die Laufzeiten im Allgemeinen kürzer, da diese an strukturierte Business-Pläne ­geknüpft sind. Hier beträgt die Duration im Schnitt etwa drei Jahre.

In welcher Größenordnung bewegen sich die Investmentopportunitäten in europäischem Real Estate Debt?

Insgesamt beläuft sich der europäische Immobilienmarkt auf etwa 1,7 Billionen Euro, wobei jedes Jahr schätzungsweise 200 Milliarden Euro an Krediten fällig werden. Banken dominieren die europäischen Kreditmärkte. Sie halten mehr als 85 Prozent aller Immobilien­kredite in Europa, während die Finanzierungsquellen in den Vereinigten Staaten viel breiter gestreut sind. Diese Banken sind jedoch stärker denn je in ihrer Kreditvergabe­kapazität eingeschränkt.
Wir gehen davon aus, dass sich Finanzierungsmöglichkeiten über alle Immobilientypen und den Kapitalstock hinweg ­ergeben werden. Aufgrund von ESG-­Erwägungen wird neben der Instand­setzung und dem Neubau auch die energe­tische Sanierung immer wichtiger, aufgrund des in den bestehenden Strukturen gebundenen Kohlenstoffs.
Allerdings veraltet ein Großteil des ­älteren, minderwertigen Bestands mehr und mehr. Schätzungsweise 40 Milliarden Euro pro Jahr sind erforderlich, um ­Gebäude mit niedrigeren Standards zu modernisieren, zusätzlich zu den ­geschätzten 200 Milliarden Euro für Neubauten, die nötig sind, um die für 2050 erwartete Nachfrage nach normgerechten Immobilien zu decken. Rechnet man alle diese Faktoren zum Refinanzierungsüberhang hinzu, wird das Ausmaß der Investment-Chancen offensichtlich.

Wie wirkt sich die Politik der Netto-Null-Kohlenstoffemissionen in Europa auf die Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden aus?

Europas Netto-Null-Verpflichtungen treiben die Nachfrage nach erstklassigen ­Immobilien an, welche die Dekarbonisierungsziele für 2030 und 2050 erfüllen. Da Immobilien für 39 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen und 36 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich sind, werden sich die Dekarbonisierungsziele stark auf den Immobilienmarkt aus­wirken, insbesondere durch die Nach­frage von Nutzern und Investoren.
Zur Unterstützung des weltweiten Übergangs zu einer Netto-Null-Kohlenstoffwirtschaft schreiben die EU-Vorschriften vor, dass bis 2030 alle Mietobjekte ­mindestens das Energy Performance ­Certificate (EPC) B aufweisen müssen. Allerdings sind in Europa nur etwa 17 Prozent des bestehenden institutionellen Immobilienbestands nach EPC A und B eingestuft, also der Mindestschwelle, die erforderlich ist, um die künftigen Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen.
Schätzungsweise 60 Prozent der ­Gebäude haben EPC C und D, was bedeutet, dass sie generell zu A oder B entwickelt werden können. Die restlichen 25 Prozent haben EPC E bis G, was im Wesentlichen bedeutet, dass sie veraltet sind (und damit in Zukunft nicht mehr vermietbar sein werden).

Wo sehen Sie die besten Chancen innerhalb der verfügbaren Fremdkapital­strategien und welche Sektoren bevorzugen Sie?

Innerhalb des Anlagespektrums für ­private Schuldtitel gibt es Chancen auf allen Ebenen entlang der Kapitalstruktur. Am unteren Ende des Risikospektrums können Immobilienkredite das Risikoprofil von festverzinslichen Wertpapieren mit Investment-Grade aufweisen, wobei die Rendite aufgrund der Illiquiditäts­prämie höher ist. Am oberen Ende des Spektrums gibt es Möglichkeiten, netto zehn bis zwölf Prozent durch hochaktive, alpha-generierende Strategien zu verdienen, welche noch immer die Risikovorteile­ eines Eigenkapital-Puffers beibehalten und auch derart strukturiert werden ­können, dass sie an Wertsteigerungen teil­haben. Das mittlere Spektrum – das bei europäischen und insbesondere deutschen Anlegern recht beliebt geworden ist – besteht zumeist aus vorrangigen Non-Core-Senior-Darlehen, zum Beispiel von Non-Prime-Immobilien, gehebelten vorrangigen Krediten oder sogenannten Whole Loans.
Bei PGIM Real Estate sind wir seit ­langem der Überzeugung, dass die ­besten risikobereinigten Renditen bei Core-, Investment-Grade-­Lending und aktiven Value-Add-Strategien erzielt werden können. Daher haben wir auf unserer Investment-Plattform einen Barbell-Ansatz gewählt. Grund dafür ist, dass die Risiken an beiden Enden des Spektrums am transparentesten und messbarsten sind. Für Core-Darlehen verfügen wir über eine bewährte, quan­tifizierbare Kreditbewertungsmethode, die es uns ermöglicht, Darlehen anhand ­einer Risikobenchmark zu messen. Bei den Value-Add-Strategien liegt unser ­Fokus darauf, ausreichend hohe Renditen zu erzielen, um für ­Ausfälle oder für den Fall einer Disruption des Immo­biliengeschäfts einen entsprechenden Ausgleich zu ­erzielen.
Verstärkt wird dieser Ansatz der Risikoübernahme durch Konzentration auf die Qualität der zugrunde liegenden Immo­bilie, da diese entscheidend dafür ist, dass der Darlehensnehmer bei Fälligkeit des Kredits durch eine Refinanzierung oder den Verkauf der Immobilie die Rückzahlung leisten kann. Daher ziehen wir nur Immobilien in Betracht, bei ­denen wir von einer dauerhaften ­Nachfrage seitens der Eigentümer und Betreiber ausgehen. Für Value-Add-Strategien bedeutet dies entsprechend, dass wir ­einen „Create Core“-Ansatz verfolgen und so sicherstellen, dass die von uns finanzierten­ Projektentwicklungen oder Sanierungen diese Objekte zu Core-­Immobilien werden lassen.
Hinsichtlich der bevorzugten Sektoren konzentrieren wir uns auf strukturelle Immobilien­themen, die unsere Investitionen untermauern. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.) Digitalisierung: zum Beispiel Logistik, Urban Last Mile, Kühllager und Rechen­zentren; 2.) Demografie: zum Beispiel studen­tisches Wohnen, Build to Rent und Later Living; und 3.) Dekarbonisierung: zum Beispiel nachhaltiges Sanieren oder Neubau.

Die Besonderheiten von Real Estate Debt

Angesichts des attraktiven risikoadjustierten Renditeprofils und der Diversifizierungsvorteile wird Real Estate Debt unserer Meinung nach zunehmend zum Standard-Bestandteil von Private­-Credit-Portfolios institutioneller Anleger:
▶ Diversifikation: Real-Estate-Debt-Fonds bieten eine sektorale und geografische Diversifizierung. Zusätzlich für Diversifizierung sorgen Objekte mit verschiedenen Mietern.
▶ Absicherung: Die im Vergleich zum Eigenkapital des Kreditnehmers vorrangige Berücksichtigung von Immobilien­krediten schützt die Anlagen vor Wertverlusten.
▶ Upside-Partizipation: Value-Add-Debt-Strategien bieten Investitionsmöglichkeiten, mit der ­Anleger von Wertsteigerungen der zugrunde liegenden ­Sicherheiten profitieren können, während sie durch die First-Loss-Equity-Position des Kreditnehmers besser vor Verlusten geschützt sind.
Chancen auf dem europäischen Markt
Das Risiko-Ertrags-Verhältnis von Immobilienkrediten ist ­derzeit sehr überzeugend. Die nach unten korrigierten Ver­mögenswerte bieten eine neue Risikobasis für die Kreditver­­gabe. Außerdem können die Kreditgeber heutzutage in der ­Regel Kredite mit niedrigeren Beleihungsquoten und zu ­höheren Spreads vergeben, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Daher sind die Renditen deutlich höher als in den ­letzten Jahren, während gleichzeitig das Risiko sowohl durch die Neubewertung der Vermögenswerte als auch durch die niedrigeren Beleihungsquoten gesunken ist.
In Europa wird der Immobilienmarkt durch eine Kombination von Marktimpulsen beeinflusst:
▶ Die europäischen Richtlinien verpflichten Projektentwickler, Investoren und Immobilieneigentümer zu erheblichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen.
▶ Gleichzeitig schränken bankenrechtliche Vorschriften die Möglichkeiten der Banken zur Bereitstellung von Entwicklungs- oder Renovierungsfinanzierungen stark ein.
▶ Die Zinsentwicklung hat einen starken Einfluss auf die ­Kreditfaktoren der Banken, was zu einer engeren Deckung des Schuldendienstes, niedrigeren Beleihungsquoten und ­einer angespannten Refinanzierungssituation führt.
Insgesamt führen diese Faktoren zu einer immer größer ­werdenden Lücke zwischen der steigenden Nachfrage nach zukunftsfähigen Immobilien und dem stetig sinkenden Angebot an entsprechenden Bankkrediten. Diese Finanzierungslücke bietet erfahrenen alternativen Kreditanbietern die Chance, die nächste Generation europäischer Immobilien zu finanzieren.
Zugang zum Markt
Bei der Strukturierung von Fremdkapitalinvestitionen in ­Immobilien können unseres Erachtens vier Faktoren kombiniert werden, um das risikoadjustierte Renditeprofil einer Fremdkapitalinvestition zu bestimmen:
▶ Immobilienfaktoren: Qualität der zugrunde liegenden ­Immobilien
▶ Kapitalstruktur: Position in der Kapitalstruktur, entscheidend für die Absicherung vor Verlusten
▶ Kreditfaktoren: Beleihungsquote, Schuldendienstdeckungsgrad, Sicherheitenstruktur und Nebenbedingungen
▶ Renditeziele: breites Spektrum potenzieller Renditen, die das Risiko-/Ertragsspektrum abdecken
Um angestrebte Renditeziele zu erreichen, sollten diese ­Faktoren gegeneinander abgewogen werden. Im Allgemeinen werden die besten risikoadjustierten Renditen mit Strategien erzielt, bei denen entweder das Risiko anhand einer relevanten Risikobenchmark gemessen werden kann, oder die Renditen hoch genug sind, um das eingegangene­ Immobilienrisiko zu kompensieren. In der Regel sind damit verbesserte Nebenbedingungen und Optionen für eine Wertsteigerung verbunden. Darüber hinaus stellt das größte Investitionsrisiko das Exit-­Risiko dar und nicht in erster Linie die Mieterträge, die in den vergangenen zehn Jahren im Mittelpunkt des Underwritings standen. Grund für diese Verschiebung sind die sich ­rasch ­ändernden Immobilientrends und Präferenzen von Investoren und Nutzern. So sinkt die Liquidität von Immobilien,­ die nicht von strukturellem Rückenwind profitieren.

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