Recht, Steuer & IT
14. März 2024

Neues Recht mit Bezug zur Betriebsrente

Permanent gibt es neue Gesetze, EU-Regeln oder Urteile, die auf den ersten Blick nichts mit der Betriebsrente zu tun haben. Auf den zweiten Blick sind die Auswirkungen oft erheblich. Einige Beispiele und neueste Zahlen.

Regulierung ist einer der meistgehassten Begriffe bei deutschen Anbietern und Vermittlern von Altersvorsorgeprodukten. Kein Wunder: Politikern in Brüssel und Berlin ist es wichtig, den angemessenen Kundennutzen der Produkte zu kontrollieren, um Verbraucher vor Übervorteilung zu schützen. Doch regelmäßig ufern diese Bemühungen in Bürokratie aus, die auch noch historische Entwicklungen in einzelnen EU-Ländern ignorieren.

Beispiel gefällig? Derzeit beobachtet die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) einen starken Fokus des Europäischen Gesetzgebers sowie der internationalen und nationalen Aufsichtsbehörden auf das Thema „Value for Money“. Dahinter verbirgt sich im Kern die Frage, wie sich das Preis-Leistungs-Verhältnis von ­Anlageprodukten feststellen beziehungsweise messen lässt. Unbestritten: Produkte müssen ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis besitzen und die Bedürfnisse und Ziele der Verbraucher erfüllen. Ein Kernproblem dabei: Ein angemessener Kundennutzen lässt sich bei Anlageprodukten – anders als bei Gegenständen des täglichen Gebrauchs – nicht anhand von einfachem Ausprobieren feststellen. Zudem haben viele Bürger häufig keine ausreichenden Kenntnisse mit Finanzprodukten.

Value for Money ist daher auch ein wesentlicher Bestandteil der am 24. Mai 2023 vorgestellten EU-Kleinanlegerstrategie, deren Entwurf massiv kritisiert wurde. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hatte zu diesem Themenkomplex bereits am 8. Mai 2023 ein Merkblatt zu kapitalbildenden Lebensversicher­ungsprodukten veröffentlicht. Die Behörde erwartet von den Produktanbietern unter anderem, Renditeziele zu formulieren, die jeweils zum Zielmarkt des Produktes passen.

Auf EU-Ebene verfolgt man aktuell den Ansatz, eine Vielzahl ausgewählter Kennzahlen zu definieren, anhand derer die Produktanbieter den Wert ihrer Produkte prüfen und nachweisen müssen. Der Fokus liegt hierbei auf Kosten- und Performance-Kennzahlen. „Jedoch lassen sich viele wichtige Produkteigenschaften nicht anhand von Kennzahlen quantifizieren“, kritisiert die DAV. Solche Eigenschaften seien etwa Sicherheit, Ausgleichsmechanismen im Sicherungsvermögen eines Versicherers, Flexibilität eines Produktes, angebotene Serviceleistungen oder die Absicherung biometrischer Risiken. ­Gerade bei Altersvorsorgeprodukten seien diese qualitativen Aspekte zentrale Produkteigenschaften. „Deshalb ist eine abschließende Beurteilung eines angemessenen Kundennutzens für Verbraucher einzig auf Basis von Kennzahlen nicht möglich“, so die Versicherungsaktuare.

Was hat das mit der bAV zu tun? Betroffen wären zumindest auch die versicherungsförmigen Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Der Regulierungsaufwand würde erneut steigen. Ob die Regulierer auf EU-Ebene ihre Kennziffern-Wut ausleben können, bleibt abzuwarten, denn um die entsprechende RIS-Richtlinie zu verabschieden, müssten sich in sogenannten Trilog-Gesprächen die EU-Kommission, das Europa­parlament und der EU-Ministerrat einigen. Eine erste Abstimmung des EU-Ministerrats war für Ende Januar 2024 anberaumt, ist aber bis Redaktionsschluss noch immer nicht terminiert. Der zuständige Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments will am 21. März sein finales Votum vorlegen. Erst wenn alle drei Voten vorliegen, könnten die Trilog-Verhandlungen beginnen. Ob das noch bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 klappt, ist völlig offen.

Eine andere Neuerung hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mit Urteil vom 29. September 2022 angeschoben. Einrichtungen, die Gruppenversicherungen abschließen, könnten als Vermittler eingestuft werden (Az.: C-633/20). Das hat für Unsicherheit bei vielen Arbeitgebern gesorgt, zumal der Bundesgerichtshof (BGH) daraufhin am 15. Dezember 2022 die EuGH-Kriterien bestätigt hat (Az.: I ZR 8/19).  Die Bafin hat am 3. Juli 2023 in einer Aufsichtsmitteilung präzisiert, wann Vermittlertätigkeit vorliegt und wann nicht. Falls sie vorliegt, muss der Arbeitgeber sich als Versicherungsvermittler registrieren lassen (nach Paragraf 34d GewO) und auch alle anderen Berufspflichten erfüllen, also eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abschließen und regelmäßige Weiterbildung nachweisen.

Die Bafin gab jedoch Entwarnung für Gruppenverträge in der bAV. Demnach liegt bei Direktversicherungen keine Tätigkeit des Arbeitgebers als Versicherungsvermittler vor. Hintergrund: Vielfach werden lediglich Rahmenverträge vereinbart. So bei der Entgeltumwandlung, auf deren Grundlage individuelle Direktversicherungen für den Arbeitnehmer abgeschlossen werden. Somit handelt es sich – mangels Einheitlichkeit des Vertrages – um keine echten Gruppenversicherungsverträge. Sollte im Einzelfall doch ein echter Gruppenversicherungsvertrag vorliegen, dürfte die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers regelmäßig im Vordergrund stehen und es an einem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers fehlen, soweit er keine Vergütung erhält.

BMAS arbeitet an Verbesserungen bei der Betriebsrente

Ein schwebendes Gesetzgebungsverfahren kündigt sich zur ­Reform der deutschen Altersvorsorge an. Das BMAS arbeitet an Verbesserungen bei der Betriebsrente und das BMF an der Novellierung der privaten Altersvorsorge. Dazu ist ein gemeinsamer Gesetzentwurf beider Häuser geplant. Die Umsetzung ist laut BMF-Staatsekretär Florian Toncar „zum 1. Januar 2025 wahrscheinlich“ (siehe Ausgabe 10/2023). Die vom BMF eingesetzte „Fokusgruppe private Altersversorgung“ hatte bekanntlich in ihrem Abschlussbericht unter anderem vorgeschlagen, die Ver­rentungspflicht bei Riester-Produkten zu streichen. Der GDV hatte in der Fokusgruppe vergeblich gegen die Abschaffung der Ver­rentungspflicht gestimmt, da die Finanzierung des lebenslangen Lebensstandards nur durch eine lebenslange Rente erreicht ­werden könne, nicht aber durch zeitlich befristete Auszahlungspläne. ­Genau solche Altersvorsorgedepots schlägt die Fokusgruppe vor (siehe Ausgabe 11/2023).

Die Kritik auch der Versicherungsaktuare zur Abschaffung der Leibrente, die bei allen Riester-Verträgen bisher spätestens mit 85 Pflicht ist, ließ nicht lange auf sich warten. Befristete Auszahlungsmodelle könnten den Lebensstandard im Alter nicht gewährleisten. Und niemand könne wissen, wie lange er lebt. Ein 2003 geborener Mann kommt bei seinem Renteneintritt mit 67 Jahren auf eine voraussichtliche Lebenserwartung von über 86 Jahren, haben die Aktuare errechnet. Aber zu 38 Prozent wird er mindestens 90, zu 18 Prozent mindestens 95 und zu vier Prozent sogar mindestens 100 Jahre alt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Auszahlungsplan bis zum Alter von 85 Jahren also zu früh endet, beträgt für den betrachteten Mann ab Erreichen des Rentenalters 55 Prozent und für die Frau sogar 68 Prozent.

Rente darf nicht vor dem Leben enden

Damit würde zwischen der Hälfte und zwei Dritteln der Bevölkerung die Rente vor dem Leben enden. Das sei inakzeptabel und sogar finanziell gefährlich, insbesondere bei staatlich geförderten ­Produkten, die unter Einsatz staatlicher Mittel genau dieses Risiko absichern wollen, argumentiert die DAV völlig zu Recht. Es sei daher unentbehrlich, Garantien in der Entsparphase zu gewährleisten, denn nur über das Kollektiv können Schwankungen am Kapitalmarkt und Unsicherheiten über die eigene Lebensdauer ausgeglichen werden.

Die Höhe der bAV kann im Einzelfall stark differieren. In der Regel liegt die beste Dotierung bei Direktzusagen in mittelständischen und großen Firmen vor. Allein für Dax-Unternehmen ist der Wert der Pensionsverpflichtungen 2023 um rund 7,5 Prozent auf etwa 330 Milliarden Euro gestiegen, schätzt des Beratungsunternehmen Mercer. Hauptursache sei der Rückgang des Rechnungszinssatzes um etwa einen halben Prozentpunkt, sagt Mercer-Chefaktuar Thomas Hagemann. Zu beachten sei, dass die Anpassung laufender Leistungen zu zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen der Unternehmen führt, während die Erhöhung der Verpflichtungswerte durch den gesunkenen Rechnungszinssatz eine rein bilanzielle Belastung darstellt. Immerhin: 2023 entwickelten sich die meisten Anlageklassen positiv. Das führte zu einem Anstieg des Pensionsvermögens im Deutschen Aktienindex um knapp neun Prozent auf etwa 267 Milliarden Euro.

Der Deckungsgrad, also das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen, erreichte Ende des vergangenen Jahres ein Rekordhoch von 81 Prozent (plus zehn Prozentpunkte). Zwar gibt es in Deutschland keine Pflicht zum Aufbau eines Pensionsvermögens, doch „in den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen Verpflichtungen auf Pensionsfonds übertragen, um bilanziell Pensionsvermögen zu schaffen, Liquiditätsbelastungen zu verstetigen und Risiken angemessen zu steuern“, beobachtet André Geilenkothen von Mercer Deutschland. Dafür wurden mittlere einstellige Milliardenbeträge bereitgestellt.

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