Versorgungswerke
23. November 2011

Öffentlich-rechtliche Altersvorsorger setzen Nachhaltigkeit nur unsystematisch um

Laut einer Studie von SD-M berücksichtigen rund 60 Prozent Nachhaltigkeitsaspekte, ohne diese jedoch fest in die Anlagepolitik zu integrieren.

Die öffentlich-rechtlichen Altersversorger in Deutschland haben großen Nachholbedarf, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Im Schnitt sind weniger als acht Prozent der Kapitalanlage nachhaltige Investments. Zu diesem Ergebnis kommt eine empirische Studie von SD-M, die vom Bundesumweltministerium und Allianz Global Investor unterstützt wurde. In der Studie sind berufsständische Versorgungswerke, Zusatzversorgungskassen für den öffentlichen und kirchlichen Dienst sowie Beamtenpensionsfonds befragt worden, die zusammen ein Kapitalanlagevolumen von 176,5 Milliarden Euro verwalten. Begleitend zur Studie wurden außerdem Interviews mit einem Dutzend Altersvorsorgeeinrichtungen geführt. 
Laut der Studie beziehen rund 60 Prozent der berufsständischen Versorgungswerke und Zusatzversorgungskassen ausgewählte Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Anlagestrategie ein. Dieser Wert muss allerdings relativiert werden. Studienautor Dr. Axel Hesse merkt an: „Die 
meisten Einrichtungen gehen das Thema noch nicht systematisch an, sondern 
haben nur hier und da mal ein nachhaltiges Investment eingestreut.“ 
Unter den Studienteilnehmern gibt es allerdings auch rühmliche Ausnahmen. Ein Beispiel ist die Evangelische Ruhegehaltskasse, die bereits heute bei 90 Prozent ihrer Vermögenswerte Nachhaltigkeitskriterien integriert hat. Bis 2015 will sie eine 100-prozentige Abdeckung erreichen. Im Schnitt über alle Studienteilnehmer ist der Anteil der nachhaltigen Investments an der Kapitalanlage deutlich kleiner. Im Jahr 2010 betrug der Prozentsatz bei den Zusatzversorgungskassen durchschnittlich 7,1 Prozent, bei berufsständischen Versorgungwerken 2,8 Prozent. Bis 2015 soll der Anteil auf 10,4 beziehungsweise 5,5 Prozent steigen. Wie aus der Studie weiter hervorgeht, berücksichtigt bislang keiner der befragten Beamtenpensionsfonds Nachhaltigkeitskriterien. Nicht zu Unrecht bemängelt Hesse, dass der Staat seiner Vorbildfunktion nicht gerecht wird. 
Das magische Viereck
Weshalb Nachhaltigkeit im Anlageprozess einiger Altersvorsorger keine Rolle spielt, begründen diese mit dem „magische Dreieck“ der Kapitalanlage – bestehend aus Rentabilität, Liquidität und Sicherheit –, das für sie ausschlaggebend sei, Nachhaltigkeit als Anlageziel jedoch nicht aufführe. In den begleitend zur Studie durchgeführten Interviews geben die befragten Experten an, dass sie in der Erweiterung des magischen Dreiecks um Nachhaltigkeit eine geeignete Maßnahme sehen, um den Anteil nachhaltiger Investments zu steigern. 
Nachhaltigkeitsaspekte finden derzeit vor allem in drei Anlageklassen eine nennenswerte Berücksichtigung: Immobilien, Beteiligungen und Aktienfonds. Bei festverzinslichen Anlagen, die das Gros der Kapitalanlage der Versorgungseinrichtungen ausmacht, spielt das Thema bislang so gut wie keine Rolle. Dies ist für Hesse insofern erstaunlich, da Festverzinsliche im europäischen Markt für nachhaltige Investments, der ein Volumen von fünf Billionen Euro umfasst, mit 53 Prozent die dominierende Asset-Klasse ist.  
Wie aus der Studie weiter hervorgeht, wollen 35 Prozent der Zusatzversorgungskassen und 42 Prozent der berufsständischen Versorgungswerke in den nächsten zwei Jahren Änderungen im Bereich nachhaltige Investments vornehmen. Dies soll zum Beispiel durch Wechsel der Asset Manager, Änderungen im Investmentprozess und die Berücksichtigung bei weiteren Anlagearten geschehen. Keine Altersvorsorgeeinrichtung, die bereits nachhaltig investiert, möchte dies zukünftig wieder einstellen. Wer einmal damit angefangen hat, bleibt offensichtlich dabei.
Neben der Evangelischen Ruhegehaltskasse führt Hesse in seiner Studie noch weitere „Best-Practice-Beispiele“ ins Feld. Dabei handelt es sich unter anderem um die Berliner Ärzteversorgung, die als erstes deutsches Versorgungswerk vor rund fünf Jahren ein Engagement-Overlay für alle Aktieninvestments einführte. Weitere öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen folgten später. Dazu gehört unter anderem die Bayerische Versorgungskammer, die im Sommer dieses Jahres ein solches Overlay einführte. Als Overlay-Manager ist in beiden Fällen F&C engagiert worden. Die weiteren genannten Best-Practice-Beispiele: Ärzteversorgung Thüringen, Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg und die Rheinischen Versorgungskassen.    
Anteil nachhaltiger Investments am Gesamtmarkt ist trotz Zuwachs gering
Der nachhaltige Anlagemarkt in Deutschland ist 57 Milliarden Euro groß. Dies geht aus einem aktuellen Marktbericht hervor, den das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) am 22. November präsentierte. Mehr als zwei Drittel dieser Summe entfallen auf nachhaltig veranlagte Gelder von Spezialbanken mit Nachhaltigkeitsfokus sowie Kirchen- und Entwicklungsbanken. Das Volumen im Segment der Publikumsfonds, Mandate und sonstige Finanzprodukte lag 2010 bei 15,9 Milliarden Euro und damit 23 Prozent über dem Vorjahreswert. 
„Seit Jahren beobachten wir, dass Anlegerinnen und Anleger zunehmend für das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft sensibilisiert sind“, sagte der FNG-Vorstandsvorsitzende Volker Weber. „Allerdings wissen wir auch, dass der Anteil der nachhaltige Anlagevolumens am Gesamtmarkt immer noch gering ist. Es kommt deswegen darauf an, das Wachstum in diesem Bereich quantitativ und qualitativ weiter voranzutreiben“, fügte er hinzu. Trotz eines Zuwachses von 23 Prozent ist der Anteil nachhaltiger Investments am Gesamtmarkt im Bereich Publikumsfonds, Mandate und sonstige Finanzprodukte mit knapp 0,9 Prozent noch immer äußerst gering.     
portfolio institutionell newsflash 23.11.2011/kbe
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