Strategien
17. Juni 2015

Paradoxon im Umgang mit Schwarzen Schwänen

Die Sorge um Tail-Risiken ist unter institutionellen Investoren weltweit seit der Finanzkrise deutlich gestiegen. Geeignete Abwehrstrategien haben die meisten jedoch nicht implementiert, zeigt der neue Risk-Monitor von AGI. Europäische Anleger bemängeln fehlenden Zugang zu geeigneten Tools.

Wissen und Handeln sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Dies bestätigt einmal mehr die neue Risk-Monitor-Umfrage von Allianz Global Investors (AGI), für die im ersten Quartal dieses Jahres weltweit 735 institutionelle Investoren, wie Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen, Family Offices und Banken, mit einem Gesamtvermögen von mehr als 15 Billionen US-Dollar befragt wurden. Zwei Drittel der Befragten machen sich eigenen Angaben zufolge seit der Finanzkrise mehr Sorgen um Tail-Risiken und fürchten durch die globale Vernetzung ein gehäuftes Auftreten von Schwarzen Schwänen. Trotz dieses Bewusstseins nutzen jedoch nur 27 Prozent gezielte Abwehrstrategien. Bei den 235 befragten Investoren aus Europa liegt der Prozentsatz nur unmerklich höher – und zwar bei 33 Prozent. Gleichzeitig sind nur 30 Prozent der europäischen Anleger überzeugt davon, dass ihr Portfolio gegen Downside-Risiken, die sich aus Extremereignissen ergeben, geschützt ist. 
Ein wesentlicher Grund, warum viele Anleger keine Schutzmaßnahmen ergreifen, liegt an den Kosten. So sind 56 Prozent der Befragten der Meinung, dass Tail-Risk-Strategien zu teuer sind. Zudem glauben 35 Prozent, dass Tail-Risiken noch nicht genügend verstanden werden. Unter den europäischen Umfrageteilnehmern gibt es noch einen anderen wichtigen Grund. So gab ein Drittel an, keinen Zugang zu geeigneten Instrumenten und Lösungen zu haben, um mit Tail-Risiken umzugehen. Sie hoben den Bedarf nach adäquateren Tail-Risiko-Management-Strategien in ihrer Region hervor.  
Wie aus der Studie weiter hervorgeht, stützt sich die Mehrheit der institutionellen Anleger – egal ob sie aus Europa, Amerika oder Asien stammen – auf traditionelle Allokations- und Risikomanagement-Strategien, die auf Diversifikation über Anlageklassen oder Regionen beruhen. Aufgrund der hohen Vernetzung der Märkte sind nach Ansicht von AGI diese auf Diversifikation beruhenden Ansätze aber immer weniger geeignet, das Risiko von Kursverlusten zu begrenzen. Ansätze, die gezielt gegen Abwärtsrisiken schützen, wie Hedging oder Risikobudgetierung werden nur von etwas mehr als einem Drittel eingesetzt; verbindlichkeitsorientierte und Volatilitätsstrategien sind mit 26 beziehungsweise 24 Prozent noch weniger verbreitet. 
Dass sich bereits in den nächsten zwölf Monaten ein Tail-Risk ereignen könnte, halten 41 Prozent der weltweit befragten Investoren für wahrscheinlich. Etwas weniger besorgt scheinen die Umfrageteilnehmer aus Europa, von denen nur etwa ein Drittel den Ausbruch eines Extremereignisses im kommenden Jahr für wahrscheinlich hält. Als wahrscheinlichste Ursachen nannten die europäischen Investoren Vermögensblasen (33 Prozent), Staatsbankrott und geopolitische Spannungen (je 29 Prozent). Bei  den amerikanischen und asiatischen Anlegern stand hingegen ein Ölpreisschock ganz oben auf der Liste der wahrscheinlichsten Ursachen.  
Anlagetrend: Staatsanleihen gegen Aktien tauschen 
Für den Risk-Monitor hat AGI die Anleger auch nach der geplanten Vermögensaufteilung in den kommenden zwölf Monaten befragt. Als Trend in der Asset Allocation zeigte sich dabei mit Blick auf die traditionellen Anlageklassen eine Zweiteilung. So glauben die Befragten an steigende Aktienmärkte in Europa und Asien, sind aber in Bezug auf die Anleihemärkte sowohl in den entwickelten Märkten als auch den Schwellenländern pessimistisch. So wollen aufgrund der hohen Renditepotenziale 30 Prozent der Umfrageteilnehmer weltweit auf Sicht der nächsten zwölf Monate ihren Anteil an europäischen und US-amerikanischen Aktien aufstocken. Unter den europäischen Anlegern ist die Vorliebe für Aktien aus den entwickelten Ländern noch ausgeprägter. Hier wollen 49 Prozent europäische Aktien und 35 Prozent US-Aktien zukaufen. Auf der Abschussliste der Europäer stehen Staatsanleihen der Industrieländer (38 Prozent) und High Yields (31 Prozent). Verkaufen wollen je 23 Prozent auch Unternehmens- und Staatsanleihen aus den Emerging Markets. Ein ähnliches Bild zeigt sich global. Weltweit wollen sich die befragten Investoren ebenfalls von Staatsanleihen und High Yield trennen, allerdings ist die Abneigung weniger stark ausgeprägt. Als Hauptgründe, warum Staatsanleihen bei den Anlegern weltweit in Ungnade fallen, nannte fast ein Drittel das hohe Downside-Risiko.     
Ein Unterschied zwischen den Regionen zeigt sich beim Einsatz von alternativen Anlageklassen. In Europa berücksichtigen nur 66 Prozent der Befragten Alternatives, in Amerika sind es 78 Prozent und in Asien 73 Prozent. Haupttreiber für derartige Investment ist die Diversifikation und die potenzielle höheren Renditen gegenüber konventionellen Debt- und Aktieninvestments. Etwa ein Viertel merkte in diesem Zusammenhang allerdings an, die mit alternativen Investments verbundenen Risiken nicht effektiv messen zu können. Fast die Hälfte wünscht sich bessere Instrumente, um die Risiken, die mit diesen Anlagen verbunden sind, besser managen zu können. Wenn dies gegeben wäre, würden 39 Prozent der Befragten weltweit ihren Anteil an alternativen Anlageklassen im Portfolio auch noch ausbauen. Insbesondere fordern die Anleger, dass Asset Manager sich auf die Messung und das Management von Liquiditätsrisiken und nicht deren Vermeidung konzentrieren.
portfolio institutionell newsflash 17.06.2015/Kerstin Bendix 
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