Pensionskassen
1. Juni 2023

Pensionskassen zögern bei ESG-Offenlegung

WTW-Umfrage: Großteil der Pensionskassen verzichtet noch auf ausführliche ESG-Offenlegung. Viele befassten sich zudem mit dem Thema Bestandsübertragung.

Pensionskassen sind nach wie vor eher zurückhaltend beim Thema ESG-Offenlegung. Ein Großteil von ihnen wählt derzeit noch den Explain-Ansatz nach der EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR), wie nun eine Umfrage auf dem Pensionskassentag des Pensionsdienstleisters und Beratungshauses WTW bestätigt. Demnach wählten die meisten der von WTW befragten Pensionskassen (82 Prozent) derzeit noch den sogenannten Explain-Ansatz und verzichten darauf, ausführlich offen zu legen, wie sie ESG-Kriterien in ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen.

Die SFDR, deren Anwendung seit März 2021 Pflicht ist, definiert die Informationspflichten, die Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften und auch Pensionskassen bezüglich nachhaltiger Investments und Nachhaltigkeitsrisiken gegenüber der Öffentlichkeit haben. Als Finanzmarktteilnehmer müssen sie demnach auf ihren Internetseiten darüber informieren, welche Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken sie bei ihren Investitionsentscheidungsprozessen (Artikel 3) verfolgen und welche nachteiligen Auswirkungen ihre Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (Artikel 4) haben. Ebensolche Informationen müssen sie auch in die vorvertraglichen Informationen aufnehmen. Unternehmen, die weniger als 500 Mitarbeiter haben, worunter in Deutschland die Pensionskassen fallen, haben nach der Verordnung jedoch die Möglichkeit, gemäß einer Comply-or-Explain-Regelung zunächst auf die Nennung der nachteiligen Auswirkungen zu verzichten. Diese Ausnahmeregel nimmt laut der WTW-Umfrage unter etwa 40 Pensionskassen, die an der Pensionskassen-Tagung Ende Mai 2023 teilnahmen, ein Großteil der Pensionskassen derzeit in Anspruch.

Regulatorik habe „spürbar zugenommen“

Außerdem ergab die Umfrage, dass sich mehr als die Hälfte (55 Prozent) der befragten Pensionskassen sich in den vergangenen zwölf Monaten mit dem Thema Bestandsübertragung befasst haben. Zwei Drittel (66 Prozent) sehen deutlichen Verbesserungsbedarf bei der praktischen Umsetzung der Ausgliederungsanzeigen-Verordnung.

„Pensionskassen sind ein bedeutender Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung“, sagt Hanne Borst, Leiterin Retirement bei WTW. „Die regulatorischen Anforderungen an die Pensionskassen haben in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Hinzukommen ökonomische Faktoren und Strukturveränderungen, die sie vor zusätzliche Herausforderungen stellen.“ Borst wurde zudem im Mai in den 17-köpfigen Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) gewählt. Das Gremium wird geleitet von Dr. Georg Thurnes.

Hohe Anforderungen an Datenverfügbarkeit

Mit Blick auf die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in Anlageentscheidungen sagt Tim Voetmann, Leiter der Pensionskassenberatung bei WTW: „Es ist nicht überraschend, dass die Mehrheit der Pensionskassen derzeit nicht ausführlich offen legt, wie ESG-Kriterien in die Anlageentscheidungen eingehen. Die EU-konforme Umsetzung des Comply-Ansatzes stellt hohe Anforderungen an Datenverfügbarkeit und Kontrollmechanismen. Deswegen wählen die Pensionskassen aktuell noch den Explain-Ansatz. Mittel- bis langfristig müssen sich die Pensionskassen aber auf detailliertere Offenlegungspflichten einstellen.“

Fachkräftemangel trifft vor allem kleinere Pensionskassen

Wenn der Bestand einer Pensionskasse absehbar eine gewisse Größe unterschreitet, könne das eine effiziente Abwicklung und gegebenenfalls einen angemessenen Risikoausgleich erschweren, so WTW. Zudem stellten die steigenden regulatorischen Anforderungen die Pensionskassen vor große Herausforderungen. Hinzu kämen vermehrt Nachfolgeproblematiken in Zeiten des Fachkräftemangels. „Aus diesem Grund überprüfen insbesondere mittlere und kleinere Pensionskassen ihre strategische Geschäftsausrichtung und denken in diesem Zusammenhang regelmäßig auch über Bestandsübertragungen nach“, sagt Thomas Obenberger, verantwortlich für die rechtliche Beratung von Pensionskassen bei WTW. So haben sich mehr als die Hälfte der befragten Pensionskassen in den vergangenen zwölf Monaten mit diesem Thema beschäftigt.

Kritik an Verordnung zur Auslagerung von Geschäftstätigkeiten

Die neue Ausgliederungsanzeigen-Verordnung regelt, wie Pensionskassen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht anzeigen müssen, wenn sie die für ihre Geschäftstätigkeit erforderlichen Aufgaben nicht selbst erfüllen, sondern an Dienstleister auslagern. Zwei Drittel der befragten Pensionskassenvertreter sehen bei der praktischen Umsetzung der Verordnung Verbesserungsbedarf. 28 Prozent betrachten sie als ungenügend. Nur sieben Prozent halten sie für angemessen. Tim Voetmann erklärt: „Derzeit gibt es große Schwierigkeiten mit der Portallösung zur technischen Umsetzung. Viele Pensionskassen sind unsicher, wie sie bestehende und geplante Ausgliederungen rechtssicher anzeigen können.“

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