„Politische Bemühungen beginnen Früchte zu tragen“

Danny Tuchlinsky ist Referent Kapitalanlagen bei der Ärzteversorgung Land Brandenburg. Er beobachtet in jüngster Zeit eine Verlagerung hin zu Core-Plus-Investitionen bei Infrastruktur. (Quelle: ÄVLB)
Deutsche Großanleger stocken ihre Infrastrukturquoten seit Jahren bevorzugt im Ausland auf. Ein neuer Bericht des Alternatives-Verbands BAI gibt nun einen tiefen Einblick in die Potenziale der Anlageklasse. Auch in Deutschland.
Die Anlageklasse Infrastruktur mit den Ausprägungsformen Debt und Equity ist bei institutionellen Investoren in Deutschland zunehmend gefragt. Allerdings hat die hiesige Infrastruktur an sich bisher nur marginal vom Boom dieser Anlageklasse bei den deutschen Großanlegern profitiert. Das zeigt der neue Infrastructure Report Germany 2025 des Bundesverbands Alternative Investment, BAI.
Darin heißt es, ein Mangel an investierbaren Projekten, übermäßige Bürokratie und die daraus resultierenden Marktineffizienzen „haben zu vergleichsweise weniger attraktiven Risiko-Rendite-Profilen geführt, was wiederum zu einem Phänomen beiträgt, das als ‚Reverse Home Bias‘ bezeichnet wird: Deutsches institutionelles Kapital fließt zunehmend in Infrastruktur im Ausland.“
Dennoch, so der BAI, „deuten neue Daten auf einen positiven Trend für Deutschland als Standort für Infrastrukturprojekte hin“. Gleichzeitig wächst die Bedeutung von Infrastruktur in den Portfolios deutscher institutioneller Investoren. Begründet wird das mit stabilen Renditen und Diversifizierung. Sie seien Schlüsselmerkmale, die diese Anlageklasse in institutionellen Portfolios unverzichtbar gemacht hätten.
Die Investitionen in deutsche Infrastrukturprojekte nehmen laut dem Bericht zu, wobei sich Erneuerbare Energien – insbesondere Wind- und Solarenergie – als zentrale Anlagekategorie in Deutschland etablieren. „Politische Bemühungen, wie beispielsweise kürzere Genehmigungsverfahren, beginnen Früchte zu tragen“, konstatiert der Verband in seinem vorliegenden Infrastrukturbericht. Dieser basiert auf Daten der BAI-Investorenumfrage 2024, aktueller wissenschaftlicher Literatur, Branchendaten und Experteninterviews mit 15 Branchenvertretern.
Ein besonderer Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf dem Bereich der kommunalen Infrastruktur. Sie weise eine erhebliche Investitionslücke auf. Dabei wäre sie aus Sicht institutioneller Investoren aufgrund staatlicher Förderung, langfristiger und stabiler Cashflows sowie der Vorteile der lokalen Nähe grundsätzlich ein attraktives Anlagesegment. In der Praxis spielten private Investoren bei kommunalen Projekten in Deutschland jedoch bisher eine kaum beachtete Rolle.
Aus Fehlern der Vergangenheit lernen
Eine Analyse des Koalitionsvertrags der neuen schwarz-roten Bundesregierung und der jüngsten politischen Maßnahmen zeige, dass die grundlegende Bedeutung privaten Kapitals für die Erneuerung maroder Infrastruktur sowie für die Förderung des ökologischen und digitalen Wandels anerkannt werde. Beim BAI gehen sie davon aus, dass die Investitionsinitiative der Bundesregierung in Kombination mit dem 500 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Sonderfonds erhebliche positive Impulse setzen wird.
Das Sondervermögen allein werde jedoch nicht ausreichen, um den gesamten Investitionsbedarf in Deutschland zu decken. Entscheidend sei die Integration der verschiedenen geplanten Ansätze und die Kombination öffentlicher und privater Investitionen – entweder durch Risikoübernahme oder durch effiziente Nutzung staatlicher Mittel. Darüber hinaus sollte eine erste Welle öffentlicher Investitionen positive Pfadabhängigkeiten schaffen.
Außerdem müsse die Bürgerbeteiligung im Vordergrund stehen. „Insbesondere im Kontext der kommunalen Infrastruktur ist es wichtig, aus den negativen Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen und sicherzustellen, dass die Bevölkerung den Mehrwert privater Investitionen in öffentliche Dienstleistungen erkennt“, so der BAI, der darin den Schlüssel zur Steigerung der Akzeptanz des Engagements des privaten Sektors sieht.
In der Zusammenfassung des neuen Infrastruktur-Reports macht der BAI deutlich, dass durch die Bündelung und Standardisierung kommunaler Infrastrukturprojekte laut den befragten Experten erhebliches Potenzial besteht, den Zugang zu mehr kommunalen Projekten und Modellen mit wettbewerbsfähigen Risiko-Rendite-Strukturen zu ermöglichen. „Im Mittelpunkt stehen dabei die Standardisierung der Finanzierungsstrukturen und die Entwicklung einheitlicher Prozessstandards für Planung, Beschaffung und Umsetzung“, heißt es.
Ein Vergleich mit Frankreich zeige, dass Deutschland insbesondere von der expliziten staatlichen Rückzahlungsgarantie, der standardisierten Projektstrukturierung und der strategischen Nutzung von Skaleneffekten durch Projektbündelung lernen könnte. Auch die länderübergreifende Zusammenarbeit und Standardisierung könnte sich positiv auswirken.
Last but not least kommt der Alternatives-Verband auch auf den regulatorischen Rahmen zu sprechen. Dabei geht es beispielsweise um Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie das Vergaberecht für Projekte. Verbesserungen dieses Rahmens würden von der Politik bereits teilweise angegangen. In der Investorenaufsicht seien positive Impulse durch die Infrastrukturquote in der Anlageverordnung (lesen Sie hier mehr darüber) zu erkennen. Die Einstufung von Infrastrukturinvestitionen als qualifizierte Infrastruktur werde von Solvency-II-Investoren jedoch als besonders herausfordernd angesehen, insbesondere im Rahmen von Fondsinvestitionen.
Mehr und mehr Investoren mischen Infrastruktur bei
Die BAI-Investorenumfragen aus den Jahren 2022, 2023 und 2024 zeigten einen stetigen Anstieg des Anteils der Investoren, die in Infrastruktur investieren. Sowohl Infrastruktur-Equity als auch Infrastruktur-Debt werden voraussichtlich unter deutschen institutionellen Anlegern weiter an Bedeutung gewinnen, so der BAI.
Während Infrastruktur-Debt bei deutschen institutionellen Anlegern schnell an Bedeutung gewinnt, haben Eigenkapitalinvestments in dem Segment bereits eine starke Präsenz in den Portfolios. Mit 85 Prozent sei Infrastruktur-Equity die zweithäufigste alternative Anlageklasse unter deutschen Investoren, nur Immobilien sind mit 87 Prozent sind beliebter.
Danny Tuchlinsky, Referent Kapitalanlagen bei der Ärzteversorgung Land Brandenburg (ÄVLB), erklärt die Popularität von Infrastructure Equity wie folgt: „Zu Beginn der Niedrigzinsphase setzten viele Anleger auf Core-Infrastruktur, um Anleihen in ihren Portfolios zu ersetzen. Dabei konzentrierten sie sich auf traditionelle Infrastrukturprojekte wie Brücken, Häfen, Straßen und Flughäfen.“
In jüngster Zeit sei jedoch eine Verlagerung hin zu Core-Plus-Investitionen erkennbar, so Tuchlinsky. „Für langfristig orientierte Anleger ist der kontinuierliche Aufbau einer Infrastrukturallokation über die Jahre hinweg unerlässlich, unabhängig von kurzfristigen makroökonomischen Entwicklungen.“ Bezüglich der Allokationsstrategie weist er darauf hin, dass sein Institut mit einer Infrastrukturquote von rund zehn Prozent gut aufgestellt und fast ausschließlich in Eigenkapital (Infrastructure Equity) investiert sei.
Das Gegenteil der Heimatmarktneigung
Im aktuellen Infrastruktur-Bericht thematisiert der BAI erneut die sogenannte Heimatmarktneigung („Home Bias“) institutioneller Anleger. Allerdings lässt sich bei ihren Infrastrukturinvestment das Gegenteil beobachten: der Reverse Home Bias. In einer Studie des BAI (Between Short-term Headwinds and Strong Long-term Tailwinds: Infrastructure 2024 – Focus on Germany) hatten im vergangenen Jahr 80,8 Prozent der befragten deutschen Investoren angegeben, vorwiegend in Infrastruktur im Ausland zu investieren.
Dieser sogenannte „Reverse Home Bias“ stehe im krassen Gegensatz zur geografischen Asset Allocation, die in anderen Anlageklassen beobachtet werde, wie beispielsweise bei Immobilien – wo traditionell lokale Vermögenswerte dominieren – oder auch bei Corporate Private Equity, wo die lokale Nähe generell einen positiven Einfluss auf Investitionen in deutsche Unternehmen habe. Gespräche mit Investoren hätten das bestätigt.
Laut Dimitri Mavridis vom Datenspezialisten Preqin wächst der Markt für alternative Anlagen – insbesondere Infrastruktur – in Deutschland stetig. Trotz stagnierender Kapitalbeschaffung steige das verwaltete Vermögen weiter an. Dennoch hinke Deutschland im europäischen Vergleich deutlich hinterher. Die Infrastrukturinvestitionen in Großbritannien seien etwa fünfmal so hoch und in Frankreich mehr als doppelt so hoch im Vergleich zur Bundesrepublik.
Maximilian Cosack, Leiter Private Assets bei Huk-Coburg Asset Management, weist darauf hin, dass im Gegensatz zu Immobilien-Allokationen, bei denen deutsche institutionelle Investoren einen klaren Fokus auf inländische Projekte legen, der Anteil der Infrastrukturinvestitionen in Deutschland nur etwa 15 Prozent ihres Portfolios ausmacht.
Den vollständigen Infrastructure Report Germany 2025 können Sie hier als PDF-Datei abrufen.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Infrastructure Debt | Infrastructure Equity | Infrastruktur
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