Alternative Anlagen
25. März 2024

Privatmärkte für den Plebs

Eltifs haben das Potenzial, Retail-Gelder für Investments in ­Infrastruktur und Private Equity einzusammeln. Dies ­eröffnet der Fondsbranche interessante Perspektiven, stellt aber auch ­besondere Anforderungen an das Liquiditätsmanagement. Dieses darf das Renditepotenzial nicht zu stark drücken.

Goldgräberstimmung unter Fondsmanagern, Distributoren und Rechtsanwälten: Die Fondsindustrie hat mit der Idee, über Eltifs ­alternative Anlagen im Retail- und Wholesale-Segment zu platzieren, eine neue Ader entdeckt. Zumal der Abbau dieser Goldader der Industrie nicht nur steigende Volumina beschert, sondern auch auf die Reputation einzahlt. Öffnet man doch bislang unterallokierten Kleinanlegern die Tür zu einer renditeträchtigen Asset-Klasse und diene damit dem Allgemeinwohl. Durch diese Tür gehen – nach bislang überwiegend sehr verhaltenem Start im Jahr 2015 – auch immer mehr Anleger. Der Markt für European Long Term Investment Funds ist laut Zahlen von Scope 2022 um etwas mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Demnach verwalten Ende 2022 77 Eltifs von 38 Asset Managern 11,3 Milliarden Euro in Private Equity, Infrastruktur und Private Debt. Noch mehr Schub wird von der in diesem Jahr in Kraft getretenen Gesetzesnovelle ­erwartet. In dieser fallen bislang bestehende Beschränkungen für den Privatanleger weg und liquide Vermögenswerte kommen nun auf eine maximale Quote von nicht nur 30, sondern von 45 Prozent. Zudem kann der Eltif nun auch als Dachfonds ausgestaltet werden.

Die Frage, welche Implikationen es beispielsweise für die ­Liquidität hat, wenn Retail-Anleger Privatmärkte bevölkern, ist für institutionelle Anleger von Relevanz. Wie der Rat der EU schrieb, sind Eltifs die einzige Fondsart, die gezielt auf langfristige Anlagen ausgerichtet ist und grenzüberschreitend sowohl an professionelle als auch an Kleinanleger vertrieben werden kann. Ersteres ist laut Scope vor allem in Frankreich der Fall, dem, zumindest bis 2022, mit einem Volumen von knapp vier Milliarden Euro größten nationalen Markt. Als Gründe macht Scope regulatorische ­Sicherheit bei der Eigenmittelunterlegung von Private Equity und Vorteile in Bezug auf Transparenzanforderungen beim Reporting aus. Zudem sei der Eltif das einzige Vehikel, das flexible ­Investitionen in Direktkredite ermögliche. In Frankreich kommen Anleger im Rahmen von fondsgebundenen Lebensversicherungen in den Genuss von ­Private Equity, wobei die Versicherungen bei diesen Eltifs weniger Eigenmittel für die Unterlegung benötigen.

In der Eltif-Euphorie etwas untergegangen scheint das Debakel der offenen Immobilienfonds vor 15 Jahren zu sein. In der Finanzkrise wurde Anlegern mit schmerzhaften Wertverlusten klar, dass es zu Problemen kommen kann, wenn für illiquide Assets tägliche Liquidität angeboten wird. Um offene Immobilienfonds wieder salon­fähig zu machen, gilt für Anleger nun eine Mindesthaltedauer von 24 Monaten und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Welche Liquidität Anbieter für prinzipiell illiquide Asset-Klassen offerieren wollen, ist kritisch für den Erfolg von Eltifs. Aktuell offerieren ­bestehende Produkte ihren Anlegern eine große Bandbreite an ­Liquidität und verschiedene Wege, wie diese dargestellt wird. So bietet der Klimavest der Commerz Real, ein Artikel-9-Infrastrukturfonds, der in Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien ­derzeit 1,3 Milliarden Euro investiert, bis zu einem bestimmten ­Volumen tägliche Liquidität. Swiss Life will für einen Infrastruktur-Eltif vierteljährliche Rücknahmen offerieren. Dagegen plant Union Investment für den neuen Infrastruktur Eltif Anteilsrückgaben erst nach einer Mindesthaltefrist von 24 Monaten und mit einer Rückgabeerklärung von zwölf Monaten im Voraus. Manager dieses Fonds, der in verschiedene Infrastruktursegmente investieren soll, ist Mercer. Für Union stellt dies den zweiten Eltif-Anlauf dar. 2002 floppte ein Multi-Alternatives-Angebot in Kooperation mit Blackrock im Vertrieb. Neuberger Berman bietet dagegen für einen ­Private-Equity-Eltif gar keine Liquidität an. Die Haltedauer geht bis zum Ende der Laufzeit und beträgt damit mindestens acht Jahre.

Einen Windpark oder eine Unternehmensbeteiligung zu verkaufen kann Monate dauern. Darum muss für Fungibilität für die Anleger eine gewisse Liquiditäts-Bevorratung gegeben sein, welche ­wiederum der Rendite abträglich ist. Die Commerz Real stellt auf verschiedene Art und Weise eine tägliche Liquidität dar. „Unser ­Volumen hilft, für Investorenbeträge von bis zu 500.000 Euro täg­liche Liquidität schon über das Netting von Käufern und ­Verkäufern darzustellen“, so Dirk Holz, Geschäftsführer der Commerz ­Real Fund Management in Luxemburg. Der Fonds hält aber auch grö­ßere Liquiditätspositionen, was sich an den Renditezielen von 3,5 bis 4,5 Prozent IRR per annum des Klimavest ablesen lässt. Gerüstet ist man aber auch für Krisenzeiten. „Falls es zu einem Anleger-Run kommen sollte, können wir, wie im Fondsprospekt beschrieben, Gatings machen“, so Holz. Bislang ist jedoch eher ein Run in den Fonds zu konstatieren. Allein in 2023 legte das Anlagevolumen von 406 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro zu – obwohl es sich zumindest bislang um einen Eltif der 1.0-Version handelt, der nur in Deutschland vertrieben wird. „Die Ticket-Größen liegen im Schnitt bei 50.000 bis 60.000 Euro. Viele haben aber auch Anteile in Höhe von 250.000 Euro und mehr gezeichnet. Für einige wenige semiinstitutionelle Anleger greift aber auch unsere 500.000-Euro-Regel mit einer 12-monatigen Kündigungsfrist“, erklärt Holz.

Bei den erwähnten fondsgebundenen Lebensversicherungen in Frankreich wird Liquidität auf Ebene der Lebensversicherung ­gestellt, falls der Retail-Kunde während der Laufzeit aus dem Eltif-Private-Equity-Fonds raus möchte. Das Investment selbst sei davon zunächst nicht direkt betroffen. Moonfare will für die Anleger der in diesem Jahr gestarteten Eltif 2.0-Strategie Liquidität über den ­Sekundärmarkt-Spezialisten und langjährigen Partner Lexington bieten. Steffen Pauls, Gründer und CEO von Moonfare: „Wir haben viel Zeit und Ressourcen in die Entwicklung einer Strategie ­investiert, die auf denselben institutionellen Anlagemöglichkeiten wie unsere bestehende Plattform basiert, mit demselben Maß an Sorgfalt und mit einer Liquiditätsoption über den Verkauf auf dem Zweitmarkt.“ Welche Preise Lexington wohl stellt, wenn Klein­anleger vor Laufzeitende aus-cashen wollen? Ein erfolgreicher ­Abverkauf auf dem Zweitmarkt, so Moonfare, könne nicht ­garantiert werden. Moonfare ist eine digitale Plattform für Private-Equity-Investments für Privatanleger. Ihre Assets belaufen sich auf 2,7 ­Milliarden Euro. Im Durchschnitt nehmen die Moonfare-­Anleger Tickets in Höhe von 260.000 Euro.
Abzuwarten bleiben die rechtlichen Vorgaben für Liquiditätsregel­ungen durch die technischen Regulierungsstandards (RTS), wobei der Markt die Festlegungen im RTS-Entwurf der Esma kritisch sieht. Der BVI plädiert für nicht zu seltene Rückgabemöglichkeiten sowie andererseits für eine möglichst hohe Standardisierung. „Bei einer nur jährlichen Kündigungsmöglichkeit wären Eltifs zu nah an den offenen Immobilienfonds“, erklärt BVI-Geschäftsführer ­Rudolf Siebel. Zudem empfiehlt Siebel aus praktischen Gründen auf Standards zu setzen: „Mit Blick auf den Datenaustausch zwischen den Akteuren über WM-Datenservice sollte es eine für das Fristenmonitoring handhabbare Zahl von Zeitfenstern geben. Zu viele Möglichkeiten erhöhen zudem die Komplexität im Vertrieb.“

Die Idee von Eltifs, (Retail-)Kapital in langfristige Investitionen zu lenken, ist grundsätzlich gut. Schließlich können Privatmärkte zur Finanzierung des grünen und des digitalen Wandels beitragen. ­Zudem lassen sich mit diesen Asset-Klassen Mittelstand und Start-ups finanzieren. Die Illiquiditätsprämien können wiederum zu ­relativ günstigen Kosten der privaten Altersvorsorge dienen – wenn man diese Prämien auch vereinnahmt. Steffen Pauls betont, dass darauf geachtet werden müsse, dass die Privatanlegern zugäng­lichen Eltifs so strukturiert sind, dass sie die für Privatmärkte üblichen Returns erwirtschaften. Zu erwarten ist aber, dass ­Kleinanleger mit Eltifs nicht so viel verdienen können wie ein Großanleger, der über einen Spezialfonds in dieselben Zielfonds investiert. Dies liegt einmal an den Vertriebskosten. Bei den meisten Produkten wird die notwendige Cash-Bevorratung auf die Rendite drücken. Die meisten Eltifs rufen das Kapital auch nur einmal ab, was der Rendite ebenfalls abträglich ist. Fragen kann man sich auch, ob die wirklich guten alternativen Fonds überhaupt auf Retail-Gelder ­angewiesen sind. Allerdings konzentrieren sich die Eltif-Anbieter in der Regel aus Marketinggründen sowieso auf die großen Marken, die kaum Anlagerestriktionen haben. Schlimmer als etwas niedrigere Renditen des Eltif 2.0 im Vergleich zu institutionellen Pendants wäre jedoch ein Offenes-Immobilienfonds-Debakel 2.0. Ob es dazu kommt, hängt davon ab, ob Anleger vor Laufzeitende ihren Fondsanteil liquidieren können. „Investieren Eltifs in illi­quide Vermögenswerte wie Immobilien-, oder Infrastrukturinvestments, sind solche Fristentransformationsrisiken grundsätzlich weiterhin vorhanden, da die Assets oft längere Zeiträume für ihre Liquidation erfordern, als es Regelungen wie eine Kündigungsfrist von beispielweise ein Jahr vorsehen“, erklärt Sonja Knorr, Leiterin Alternative Investments bei Scope Fund Analysis. Weniger kritisch sieht Knorr die Fremdkapitalseite: „Investieren Eltifs in Kredite, die deutlich fungibler sein können als Immobilien- oder Infrastruktur­investments, mildert das die Fristentransformationsrisiken ab.“

Mit Blick auf Liquiditätsrisiken scheint ein Vertrieb sinnvoll, der Kleinanleger mit Liquiditätsversprechen nur ködert und im ­Falle eines Falles Gates hochzieht oder nur Konditionen anbietet, die das Liquiditätsbedürfnis schnell weniger dringlich machen. Manchmal muss man Anleger auch zu ihrem Glück zwingen.

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