Statement
2. Juli 2019

Quant-Ansätze sind in Schwellenländern besonders effizient

Die im Jahr 2018 deutlich gesunkenen Aktienbewertungen der Schwellenländer sind im Vergleich zu denen der Industrieländer nach wie vor attraktiv.

„Risikomanagement hat sich grundlegend geändert“

Interview mit Werner Krämer, Managing Director, Economic Analyst, Lazard Asset Management

Emerging Markets (EM) wurden Anlegern immer als Wachstumsstory „verkauft“. Was sind heute Gründe zu investieren?
In den 1990er Jahren war die Bedeutung der Rohstoffpreise für alle EM-Asset-Klassen relativ hoch. Diese Zeiten, in denen die EM ein reiner Rohstoff-Play waren, sind aber vorbei. Zwar spielen in einigen Ländern Rohstoffe auch heute noch eine große ­Rolle, aber für die Asset-Klassen an sich ist die Bedeutung der Rohstoffe deutlich zurückgegangen. Dies machen folgende Zahlen deutlich: Im Anlageuniversum des MSCI EM ­Index ist der Anteil des rohstoffnahen Sektors „Materials“ von 1995 bis 2019 von 19,5 Prozent auf 7,4 Prozent zurückge­gangen. Gleiches gilt für Sektoren wie „Industrials“ oder „Utilities“, die in den 1990er Jahren große Bedeutung hatten.
Andererseits ist die Gewichtung der Sektoren „Information Technology“ und „Communication Services“ von unter zehn Prozent im Jahr 1995 auf aktuell 26,9 Prozent gestiegen und ist damit wesentlich höher als in Europa. Auch „Financials“ oder „Consumer Discretionary“ sind heute höher gewichtet als die genannten Rohstoff-Sektoren.
Will man die Schwellenländer also durch ein Bild charakterisieren, so sind sie heute eher ein Technologie-Play. Grund ist der starke Fokus auf „Research and Development“ in der Wirtschaftsstrategie vieler EM-Länder und Unternehmen, insbesondere in Asien.

Ist die wichtigste Einflussgröße für Emerging Markets immer noch der Fed-Zins?
Die wichtigste Einflussgröße der EM-­Aktienmärkte ist das Wachstum und infolgedessen die Wachstumsdifferenzen zwischen den EM und den USA. Die Fed-Zinsen sind eine bestimmende Einflussgröße, aber nicht zwangsläufig die wichtigste.
Um ein Beispiel zu nennen: 2018 hat sich das Wachstum in den USA aufgrund von ­Infrastruktur- und Steueranreizen gegenüber den Schwellenländern beschleunigt, welche die Basis für die Leitzinsanhebungen der US-Notenbank Fed in diesem Zyklus bildeten. In einem solchen Umfeld haben EM-Aktien teilweise herbe Verluste hinnehmen ­müssen. Im Gegenzug sind die Aktienkurse von ­Unternehmen aus den EM im ersten Quartal 2019 stark gestiegen.

Chinesische Anleihen und Aktien kommen auf einen höheren Anteil an großen EM-Indizes. Welche Implikationen ergeben sich hieraus?
Vielen globalen Aktien- und Rentenindizes stehen durch den erstmaligen Einbezug chinesischer Titel wesentliche strukturelle ­Veränderungen bevor. Im Februar ­kündigte MSCI an, die Gewichtung der in China ­notierten Aktien (China A-Aktien) zwischen Mai und November 2019 im MSCI EM ­Index mit einer Zielgewichtung von 3,3 Prozent sukzessive zu erhöhen. Mit ­Beginn April 2019 wurden Anleihen in chinesischen ­Renminbi (RMB) im Bloomberg Barclays Global Aggregate schrittweise hinzugefügt und erhalten eine Zielgewichtung von etwa 5,5 Prozent, was zu starken Indexverschiebungen führen wird. Anleihen in RMB ­werden künftig von der Währungsgewichtung her das viertgrößte Segment aus­machen. Angesichts der Bedeutung der Indizes für aktive und passive Investoren wird der Schritt voraussichtlich Milliarden zusätzlicher Gelder in chinesische Aktien und Anleihen treiben.

Welche Neuerungen ergeben sich für das Risikomanagement?
Das Risikomanagement änderte sich in den Emerging Markets über das ­vergangene Jahrzehnt grundlegend. Es kam zu ­vielen Neuerungen, auf die reagiert werden muss. Der Umgang mit politischen Risiken, ­Länderrisiken und damit einhergehend Wechselkursrisiken haben eine wichtige Bedeutung für ein solides Risikomanagement in den EM eingenommen. Die Währungen der EM-Länder wie beispielsweise Russland, Brasilien oder der Türkei haben durch politische Ereignisse insbesondere nach der Finanzmarktkrise eine starke Eigendynamik gegenüber dem US-Dollar entwickelt.
Darüber hinaus muss Risikomanagement den Stilzyklus beobachten und bewerten. Zwischen den Jahren 2000 und 2012 schlug Value Growth, während sich seit 2012 dieser Trend umkehrte und wir uns seitdem in einem Growth-Zyklus befinden. Diese ­Erkenntnis geht einher mit der Weiterentwicklung der EM von einem Rohstoff-Play zu einem Technologie-Play. Die anstehenden ­Indexveränderungen im MSCI EM Index mit der Hinzunahme von China A-Aktien und saudischen Aktien bedeuten weitere Neuerungen für das Risikomanagement.

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