Strategien
19. Juli 2016

Reformation im Vatikan

Die Reputation der Vatikanbank steht der Verbreitung der ­christlichen Botschaft im Wege. Mit verschiedenen Maßnahmen versuchte ­Reformator Ernst von Freyberg, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die ­Finanzen des Vatikans zu gewinnen. Renditen waren bei den notwendigen Reformen im Vatikanstaat erst einmal nachrangig.

„Das Reputationsrisikomanagement ist ein Teil des Risiko­managements, das sich mit der Steuerung und Begrenzung des Reputationsrisikos beschäftigt“, klärt Wikipedia auf. „Das Reputationsrisiko­ ist Teil des Unternehmensrisikos und muss durch das Risikomanagement, das sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus rechtlicher Sicht benötigt wird, abgedeckt werden.“ Das Reputationsrisiko ist ­besonders relevant für Banken und in diesem Sektor wiederum besonders ­relevant für Banken mit einem ethisch und moralisch aufgeladenen Sendungsauftrag. Schlagend ist dieses Risiko bei der Vatikanbank ­geworden, deren Geschäftsgebaren von einer sehr interessierten Öffentlichkeit nicht immer als unfehlbar wahrgenommen wird.

Das Misstrauen gegen das Istituto per le Opere di Religione ­begründet sich auf den (tiefen) Fall des „Bankier Gottes“ genannten Roberto Calvi, der 1982 erhängt unter (ausgerechnet) der Londoner Blackfriars-Brücke aufgefunden wurde. Seine Sekretärin ­verunglückte am selben Tag unter ebenfalls ungeklärten Umständen bei einem Fenstersturz tödlich. Calvi hatte über die Vatikanbank in der Amtszeit von Papst Johannes Paul II. nicht nur heimlich der polnischen Solidarnosz-­Bewegung finanzielle Unterstützung zukommen lassen, ­sondern nutzte die Regulierungsvorteile der Vatikanbank bei inter­nationalen Devisentransaktionen auch für seine Dienste, für die Mafia­ und für in Mittel- und Südamerika ansässige Drogenbarone. Am ­Ende fingierten wahrscheinlich seine Geschäftspartner, denen Calvis Erpressungsversuche lästig wurden, seinen Selbstmord. Seitdem stellte die Öffentlichkeit Vermutungen an, welche Geschäftspartner Calvis Abgang organisierten. In den Folgejahren war der Reputation der Bank abträglich, dass Verantwortliche Millionen ins Ausland abzweigten. Jüngere Vermutungen befassen sich dagegen mit der Frage, wer von der Mafia über römische Straßenräuberdynastien bis Osama bin Laden nicht alles eine Kontoverbindung bei der im Vatikanstaat ­ansässigen Bank unterhält.

Vom Bankier Gottes zu Ernst von Freyberg
All diese unschönen Geschichten standen nicht zuletzt der ­christlichen Botschaft beziehungsweise der globalen Mission der ­katholischen Kirche im Wege. Der Vatikan war gezwungen, den ­vermuteten Finanz-Sündenpfuhl von wenig christlichen Umtrieben zu säubern. Zur Verbesserung seiner Reputation traf der Vatikan vor allem zwei Entscheidungen: Er mandatierte erstens eine PR-Agentur, die sich erwiesenermaßen mit Krisenmanagement für Kleinstaaten mit zweifelhaftem Ruf auskennt. Die betreffende Agentur betreute zuvor das Fürstentum Liechtenstein. Zweitens wurde ein Headhunter beauftragt, einen unbelasteten Präsidenten für das Istituto per le ­Opere di Religione zu finden. Einzige Vorgabe: kein Italiener. Fündig wurde die Personalagentur bei Ernst von Freyberg, einem aus einem schwäbischen Adelsgeschlecht entstammenden Unternehmer, Investmentbanker und Ritter des Malteserordens. Dieser wurde im Februar 2013 noch mit Zustimmung von Papst Benedikt XVI. vier Tage nach dessen Rücktritt ernannt. Dies brachte für von Freyberg das zweifelhafte Privileg ein, dass er zwar mit Papst Franziskus im gleichen Raum frühstücken durfte, dieser den Kontakt mit ihm als Vertreter des alten Regimes aber auf das Notwendigste beschränkte.

Wie von Freyberg kürzlich auf einer Veranstaltung des Bunds Katholischer­ Unternehmer berichtete, hatte zu Beginn seiner Amtszeit die Rettung der Bankbeziehungen Priorität. Aufgrund der brodelnden Gerüchteküche lief die Vatikanbank Gefahr, dass ihr andere Institute die Bankbeziehungen kappten. Eine der bedeutendsten Korrespondenzbanken der römischen Skandalbank: natürlich die Deutsche Bank. Das wohl wichtigste Gespräch von Freybergs fand somit nicht im Vatikan mit Franziskus statt, sondern in Frankfurt mit den Deutsch-Bankern Jürgen Fitschen und Ronaldo Schmitz. Letzterer war früher selbst für die Vatikanbank tätig. Deren Kollege Clemens Börsig saß bis vor kurzem im Aufsichtsrat der Vatikanbank, verließ das Gremium aber im Mai ­dieses Jahres ­vorzeitig. Der Termin war erfolgreich, die Geschäftsbeziehung blieb erhalten. „Nur darum gibt es die Vatikanbank noch“, so Ernst von Freyberg.

Die Kohle des Klerus

Die Besonderheiten des Instituts für die religiösen Werke lernte von Freyberg auch bei einer seiner anderen ersten Amtshandlungen kennen. Der Reformator der vatikanischen Finanzen entließ den ­Vermögensverwalter eines Frauenordens, der offenbar zu spekulativ agierte. Drei erzürnte Schwestern kritisierten diese Entscheidung ­heftig und verlangten ihren Vermögensverwalter mit der Begründung zurück, dass die Verzeihung, nicht aber die Rendite wichtig sei. Ein Großteil der Vatikanbank anvertrauten Gelder gehört Frauen­orden. Dies liegt daran, dass deren Anzahl größer als die der Mönchsorden ist. Zudem haben Nonnen öfters das Armutsgelübde abgelegt, so dass seitens dieser Kundengruppe mehr für das Istituto abfällt. Die meisten Gelder flossen der Kirchenbank in den 1950er Jahren zu, als insbesondere osteuropäische und italienische Gläubige Vermögen vor den Kommunisten in Sicherheit bringen wollten. Schon einige Jahre zuvor investierte der Heilige Stuhl, in dessen Besitz sich die Bank ­befindet, aber in seine heute wichtigsten, da milliardenschweren ­Assets: Immobilien in Paris, Genf und London. „Das ist das wesent­liche Vermögen des Stuhls“, so von Freyberg.

Nachdem der Fortbestand des Istituto per le Opere di Religione kurzfristig gesichert war, konnten die Analysen beginnen, wessen Gelder die Bank verwaltete. „Renditen sind für die Vatikanbank erst einmal egal. Die Gelder dürfen aber nicht aufgrund ihrer Herkunft der Botschaft Christi im Weg stehen“, berichtete von Freyberg. Der ­Finanzreformator beauftragte eine internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Überprüfung der Konten sowie Swift-­Transaktionen und suchte selbst nach verdächtigen Namen aus der Gerüchteküche. Dabei erwies sich die hierarchische Organisation des Vatikans als Vorteil, da der oben getroffene „Durchsuchungs­beschluss“ zeitnah durchgeführt wurde. Gefunden wurden zur Erleichterung der Beteiligten „nur“ kleinere römische Steuerhinterzieher. Durch­gerutscht war aber zunächst der Ex-Boss der apostolischen Güterverwaltung, Prälat Nunzio Scarano, auch bekannt als Monsignor ­Cinquecento, da er laut Presseberichten seine Liquidität stets mit 500-Euro-Banknoten nachweisen konnte. Auffällig wurde Scarano spätestens durch seine Suche nach einem Flugzeug, mit dem er 20 Millionen Euro Schwarzgeld aus der Schweiz nach Rom einfliegen lassen ­wollte. ­Zuvor machte Scarano bereits durch einen für einen ­Rechnungsprüfer relativ aufwendigen Lebensstil sowie Geldwäsche- und Spenden­betrugsvorwürfe aufmerksam. „Ein Verrückter, der aber ins Bild der Öffentlichkeit passt“, so von Freyberg.

Weitere wichtige Schritte: Die Einführung moderner Prozesse wie Know your Customer (KYC) und Öffentlichkeitsarbeit. Die Kunden­identifizierung KYC und die damit verbundene Legitimationsprüfung von Kunden dient der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus. Dies war für die Kirchenbank noch Neuland. Neuland war für die ­Vatikanbank auch, sich von der bislang gepflegten Bunkermentalität zu verabschieden. Presseanfragen wurden auf Anraten der erwähnten Agentur innerhalb von 24 Stunden beantwortet, wichtiges ins Internet gestellt und Interviewwünsche erfüllt. „Nach einem Jahr wurden nur noch Fakten und nicht mehr Märchen berichtet“, sagte von Freyberg, der damit dann auch im Sommer 2014 seine Aufgabe als erfüllt ansah. Sein Nachfolger wurde Jean-Baptiste Douville de Franssu, der auf eine lange Karriere bei Invesco zurückblickt.

Das Wirken Ernst von Freybergs lässt sich neben der verbesserten Reputation auch an folgenden Zahlen erkennen: Während die ­Customer Assets im Vergleich zu 2012 von 6,3 auf 5,8 Milliarden ­Euro leicht zurückgingen, fallen die Rückgänge bei der Kundenzahl von 19.000 auf 15.000 und beim Gewinn von 86,6 auf 16,1 Millionen ­Euro stark aus. Diese Rückgänge sind aber auch positiv zu werten, da damit die wirtschaftliche Bedeutung der Bank für den Vatikan gesunken ist. Nicht mit Zahlen aufwiegen lässt sich aber gerade für eine Kirchenbank etwas anderes: ihre Reputation.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 06/2016

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