Pensionskassen
18. Oktober 2017

Regulierung: zeitgemäß aber nicht zeitgeisty

Nach der Krise ist vor der Regulierung und nach der Regulierung ist vor der Deregulierung – und damit vor der nächsten Krise. Auf diesen Finanzmarkt-Kreislauf ging Bafin-Präsident Felix Hufeld in einer Rede auf einer Fachtagung zu Rechtsanforderungen von Finanzmarktakteuren ein.

Als Ziel bezeichnete es Hufeld, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Dafür müsse man sich bewusst machen, was diesen Kreislauf in Gang hält. „Es ist nicht nur, aber auch der Zeitgeist – was den Urhebern der Regulierung, zu denen auch wir Aufseher zählen, nicht immer bewusst sein mag“, analysierte Hufeld. Doch auch der Zeitgeist sei nicht vor Irrungen und Wirrungen gefeit und scheine außerdem ausgesprochen vergesslich zu sein. Hufelds Schlussfolgerung: „Regulierung muss weniger zeitgeisty sein. Der Zeitgeist ist vergesslich und schwankt zwischen Extremen. Gesetzgeber und Regulierer dagegen müssen aus Fehlern lernen, sie müssen abwägen und immer wieder aufs Neue um Verhältnismäßigkeit ringen.“ 
Solvency-II-Standardansatz zu komplex
Den Aspekt der Verhältnismäßigkeit nahm Bafin-Präsident Hufeld in seiner Rede zur Lage der Finanzindustrie bei dem Punkt wieder auf, ob die Regulierung der Post-Krisenzeit tatsächlich angemessen ist. Grundsätzlich sei der Weg, der nach Ausbruch der Finanzkrise eingeschlagen wurde, der richtige. Ist aber die Regulierung der ­Nachkrisenzeit verhältnismäßig beziehungsweise berücksichtigt sie die Risikoprofile der Beaufsichtigten ausreichend und verursacht keine übermäßigen Kosten? „Noch nicht“, antwortete Felix Hufeld und präzisierte: „Oder genauer gesagt: noch nicht durchgehend.“ Auch die Europäische Kommission sei zu dem Schluss gekommen, dass die Europäische Union in Sachen Proportionalität noch einmal nachbessern muss. So will sie beispielsweise bei der geplanten Novelle von Eigenmittelrichtlinie und Eigenmittelverordnung kleinere Institute entlasten. Hufeld: „Richtig so! Wir haben tatsächlich ein Maß an Regulierung erreicht, das kleinere Banken übergebührlich und bezüglich des ­Risikoprofils unangemessen belaste. „Das muss geändert werden – und zwar weitreichender und differenzierter als von Brüssel bislang vorgeschlagen.” 
Proportionalität stärker akzentuieren
Abstriche bei der Stabilität zu machen, wäre aber ein Fehler. „Alle Institute, auch die kleinen, müssen mit ausreichend Eigenkapital und Liquidität ausgestattet sein. Wer daran rüttelt und das Bemühen um Proportionalität mit Deregulierung verwechselt, legt den Grundstein für die nächste Krise.” Die Bafin habe daher mit der Deutschen Bundesbank und in Übereinstimmung mit der Deutschen Kreditwirtschaft einen Vorschlag unterbreitet, wie man die Proportionalität stärker akzentuieren kann.  
Dass das Thema Verhältnismäßigkeit der Bafin am Herzen liegt, macht die Behörde auch bei der aktuellen Diskussion über die geplante Vereinfachung des Standardansatzes von Solvency II deutlich. Schließlich solle diese Richtlinie kleine und mittlere Versicherungsunternehmen nicht übermäßig belasten. In der Tat, so Hufeld, prägt der Gedanke der Proportionalität Solvency II über alle drei Säulen des Regelwerks hinweg. „Und doch ist der Standardansatz derzeit viel zu komplex – vor allem für kleine und mittlere Versicherer.“ Es seien derzeit einige Vereinfachungen im Gespräch, die der Bafin allerdings ebenfalls nicht weit genug gehen würden.
Zeitgemäße Regulierung, so der Bafin-Präsident zum Abschluss, sei aber schwierig: „In der Finanzbranche arbeiten sehr intelligente und gut ausgebildete Menschen. Diese Menschen sind mit einer ungeheuren Kreativität gesegnet, was die Ausnutzung bestehender Spielräume und das Umschiffen regulatorischer Klippen angeht. Aber wir Regulierer und Aufseher sind auch nicht dumm, und wir gehen keiner Auseinandersetzung aus dem Weg.“ 
portfolio institutionell, 18.10.2017/Patrick Eisele 
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