Traditionelle Anlagen
18. November 2011

Risiko Corporate-Bond-Index

Index ist nicht gleich Index. Corporate-Bond-Indizes unterscheiden sich untereinander in verschiedenen ­Merkmalen und damit auch im Risiko-Rendite-Profil, wie eine Untersuchung von Edhec zeigt.

Unternehmensanleihen sind Anlegers Liebling. Laut der Feri-Wertpapierstudie 2011 über institutionelle Anleger liegt die Corporate-Bond-Quote im Schnitt bei beachtlichen 11,4 Prozent. Insgesamt robuste Unternehmensergebnisse und die Verschuldungskrise staat­licher Emittenten erhöhen die Engagements in ­Unternehmensanleihen. Warum diese Asset-Klasse laut der Feri-Studie meist über aktives ­Management umgesetzt wird, ergibt sich auch aus einer Forschungs­arbeit des französischen Risk-Instituts Edhec: In der Anfang November veröffentlichten Studie „A Review of Corporate Bond Indices“ zeigen die Studienmacher Felix Goltz und Carlos Heitor Campani die ­Probleme von Corporate-Bond-Indizes als Anlagemöglichkeit und Benchmark auf.
Zwei Haupt­ergebnisse: Die Exposures zu den Hauptrisiken „Duration“ und „Kredit“ sind sehr instabil. Besonders hoch ist die Instabilität in Indizes, die sich aus wenigen Anleihen zusammensetzen. Je investierbarer ein Fixed-Income-Index also gestaltet ist, ­desto geringer seine Stabilität beziehungsweise Zuverlässigkeit. Die Studienmacher raten deshalb zu einem ­dynamischen Monitoring der Risiko-Exposures.

Moving Target  

Die Instabilität muss nicht verwundern. Schließlich ist in Aktienindizes ein Unternehmen normalerweise einmal gelistet, bei Anleihen­indizes aber in der Regel mit mehreren Emissionen mit unterschiedlichen Fälligkeiten, Kupons und Währungen vertreten. Zudem ­werden diese Papiere bei Fälligkeit durch Emissionen mit – logischerweise – einer viel höheren Duration, aber meist auch weiteren völlig anderen Konditionen ersetzt. Neben dieser Moving-Target-Eigenschaft weisen Bondindizes ein weiteres besonderes Charakteristikum auf: Emittenten mit dem größten Schuldenberg, der meist mit der Bonität negativ korreliert ist, stellen die Indexschwergewichte. Die meisten Indizes sind nach Value gewichtet. Prominente Ausnahme ist der Dow Jones Corporate Bond Index, in dem alle Emissionen gleichgewichtet sind.
Alternative Gewichtungsmethoden und Zusammenstellungen sind jüngst durch die ETF-Industrie entstanden. Ursprünglich waren Anleihenindizes, wie beispielsweise der seit 1926 errechnete Standard & Poor´s High Grade Corporate Index, reine Preisindizes. 1973 berechnete Lehman den ersten Total-Return-Unternehmensanleihenindex auf Monatsbasis, 1986 startete Merrill Lynch den ersten täglichen Index. Allgemein ist es schon deshalb ratsam, sich intensiv mit Bond­indizes auseinanderzusetzen, weil diese Asset-Klasse linksschief ist und fette Tails aufweist.

Titelanzahl zwischen 40 und über 40.000  

Die Analyse der Edhec konzentriert sich auf ausgesuchte US-Indizes (Dow Jones, Citigroup, BofA Merrill Lynch und Barclays) und ­europäische Indizes (I-Boxx, I-Boxx Liquid, Citigroup und BofA Merrill Lynch). Die US-Indizes unterscheiden sich in vielen Punkten. Der Dow Jones ist gleichgewichtet und enthält nur 96 Bonds, die anderen Indizes sind nach Value gewichtet und enthalten über 3.000 (Barclays) bis über 4.000 Titel.
Die Zusammensetzung aus gerade einmal 96 liquiden Emissionen erleichtert die Nachbildung, andererseits ­erschwert das Transaktionskosten verursachende Rebalancing die ­exakte Nachbildung. Bedeutende Unterschiede zwischen den Indizes bestehen auch darin, ob Callable Bonds ausgeschlossen werden oder ob angenommen wird, dass Reinvestments in den Index oder in den Geldmarkt oder gar nicht erfolgen.
Edhec untersuchte die Performance dieser Indizes für den Zeitraum Januar 1997 bis Dezember 2010. Wie die Performance-Analyse von Goltz/Heitor Campani ergab, weist der Dow Jones Index gemessen an Standardabweichung, Value-at-Risk, dem absoluten Tiefpunkt und Kurtosis das höchste Risiko auf. Ausschlaggebend dürfte die ­Konzentration auf eine geringe Anzahl liquider Emissionen sein. Gleichzeitig erzielte dieser Index wohl wegen der Gleichgewichtung mit 0,73 die höchste Sharpe Ratio. Als Zeichen für die Instabilität ­gerade dieses Anleihenindex ist auch zu werten, dass die Sharpe Ratio von 1997 bis September 2002 mit 0,5 unter den drei Value-gewichteten Indizes lag, ab Oktober 2002 mit 0,86 aber deutlich höher als ­diese Pendants abschnitt. Bei den Value-gewichteten Indizes erzielte Barclays die niedrigste Rendite und die höchste Standardabweichung. Wie die Analyse weiter zeigt, sind die Indizes trotz der gänzlich anderen Konstruktion des Dow Jones zumindest über den langen Unter­suchungszeitraum untereinander mit mindestens 0,9 hoch korreliert. Die Korrelation von US-Staatsanleihenindizes liegt laut den Autoren mit 0,99 noch deutlich höher.

Trade-off von Investability und Instability  

Für die Eurozone hat sich Edhec wie erwähnt auf die Performance der Indizes I-Boxx, I-Boxx Liquid, Citigroup und BofA Merrill Lynch aber im Zeitraum von 1999 bis 2010 konzentriert. Auch in der Eurozone hat jeder Index nicht nur bei den Reinvestmentannahmen, wo jeder­ Index anders tickt, seine Eigenarten. Bei BofA Merrill Lynch ­gehen beispielsweise nur Bonds von Unternehmen ein, die ihren Sitz in Ländern der Währungsunion haben. Der I-Boxx Liquid wurde am „investierbarsten“ gestaltet: Die Anzahl der Emissionen beträgt maximal 40, spezielle Anleihentypen werden nicht berücksichtigt, und ein Rebalancing findet nur viermal im Jahr statt. Der I-Boxx enthält dagegen über 1.200 Bonds. Beim Citigroup-Index macht sich die ­Annahme, dass Ausschüttungen, anders als bei den Pendants, sofort in den Geldmarkt fließen. Zumindest im Untersuchungszeitraum mit der deutlich höchsten Sharpe Ratio (0,56) bezahlt. Besonders deutlich war die ­Outperformance 2007 und 2008. Der I-Boxx Liquid erzielte einen ­höheren maximalen und minimalen Wert als der I-Boxx. Unter dem Strich ergibt sich aber eine nahezu gleiche Sharpe Ratio. Deutlich ­volatiler ist allerdings die Duration des I-Boxx Liquid, da jeder ­einzelne Bond einen hohen Einfluss hat. Insgesamt wird offenkundig, dass ­Anleger sich mit dem I-Boxx Liquid für die investierbarste, aber auch instabilste Variante entscheiden. Die Korrelation der Indizes unter­einander liegt zwischen 0,89 und 0,97. Die Korrelation der beiden ­I-Boxx-Marktbarometer ist trotz der unterschiedlichen Konstruktion mit 0,97 hoch. Die Studienmacher verweisen zur Begründung des Gleichlaufs auf die gleichen Preisquellen. Im Vergleich zum ­US-Markt ergibt sich, dass bei den europäischen Indizes das Durchschnitts-­Rating höher und die Duration kürzer ist. Das Exposure zu Kredit- und Zinsrisiken ist im Euroraum damit geringer.   

Insgesamt weisen alle Corporate-Bond-Indizes, wenig ­über­raschend, viele Parallelen auf. Andererseits sind die Unterschiede aber auch so groß, dass klar wird, dass die Wahl eines Index nicht nur die Wahl ­einer Währung darstellt. Die Instabilitäten der Risiko-Exposures ­machen ein andauerndes Monitoring der Indizes ratsam. „Für ­gängige Unternehmensanleihenindizes gilt: Selbst wenn das Exposure bezüglich eines Zinsänderungsrisikos heute den Anlegerwünschen ­entspricht, wird dies in der Zukunft aufgrund der extremen Schwankungen des Exposures wahrscheinlich nicht mehr der Fall sein“, so Dr. Felix Goltz. „Diese Unzuverlässigkeit bestehender Indizes tritt noch verstärkt auf, wenn es sich um hoch liquide Indizes handelt, die sich auf wenige Bonds konzentrieren und so noch anfälliger für Schwank­ungen  der Indexzusammensetzung und der resultierenden Risiko-Exposures sind.“

Denkbar ist auch, dass auf eine Benchmark fixierte Anleihen­manager die Schwankungen von Durations- und Kreditrisiken ­ausnutzen, um leichter die Benchmark zu schlagen. Die Performance-Schwankungen gerade der investierbaren Indizes zeigt auch, dass sich aktive Gebühren für Benchmark-Klammeraffen nicht bezahlt machen. Trotzdem wird nach Ansicht der Autoren passives Investieren bei Bonds nur dann die Bedeutung wie bei Aktien erlangen, wenn die Bondindizes besser konstruiert werden.
portfolio institutionell newsflash 16.11.2011/pe

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