Versicherungen
2. März 2021

Risiko(prämien)management bei der VGH

„2020 stand die strategische Asset-Allokation gehörig unter Druck.“ Interview mit Volker Pätzold.

Herr Pätzold, was macht die VGH Versicherungen besonders?

Im öffentlich-rechtlichen Bereich läuft es immer ein bisschen anders als bei rein privatrechtlich organisierten Gesellschaften. Die Strategie der VGH ist es, die Eigenständigkeit in der Region zu betonen, um die Verbundenheit der Kunden zu erhöhen. Darum gibt es zwei Vorstände in Hannover und je einen Vorstand in Magdeburg, Vechta und Oldenburg, die für Kapitalanlagen zuständig sind. Hier im Asset Management in Hannover arbeiten wir für drei Lebensversicherer, drei Sachversicherer, zwei Krankenversicherer, eine Pensionskasse und noch für zwei kleinere Gesellschaften. Das macht die Verwaltung der Kapitalanlagen anspruchsvoll – aber es funktioniert bestens.

Wie schafft man in einem solchen Organigramm Effizienz?

Größtenteils nutzen wir alle die gleichen IT-Systeme. Zudem haben wir die Kapitalanlagen gebündelt. Wenn wir zum Beispiel für 70 Millionen Euro die jüngste 100-JahreAnleiheemission des Bundeslands Nordrhein-Westfalen kaufen, dann wird diese in Abstimmung mit den jeweiligen Vorständen auf die einzelnen Gesellschaften verteilt. Jeder der Vorstände kann eine Zuteilung aber auch ablehnen.

Dieser gemeinsame Einkauf schafft Kostenvorteile. Davon profitieren vor allem die kleineren Unternehmen. Diese Kapitalanlageplattform funktioniert wie das Baukastensystem bei Volkswagen. Abgesehen von den Krankenversicherern ist auch die Asset-Allokation in den liquiden Risikoanlagen fast identisch und frei skalierbar.

Der Ausbau des Ertragsportfolios ist für die VGH ein wichtiges Ziel.

Richtig. Dass die EZB mehr kauft als die Staaten emittieren, ist für Kapitalsammelstellen und die Altersversorge nicht so schön. Also müssen wir – im Rahmen dessen, was wir vertragen können – sukzessive und sehr vorsichtig das Ertragsportfolio aufbauen. Dieses unterteilt sich in liquide und illiquide Assets. Im liquiden Portfolio, welches wir seit 2007 fahren, haben wir nun 5,4 Milliarden Euro unserer insgesamt rund 21 Milliarden Euro Kapitalanlagen über Dachfonds in verschiedene Zielfonds investiert. Jedes große Unternehmen verfügt über einen eigenen Dachfonds.

Das entsprechende Kundenprodukt, der VGH Altersvorsorgefonds, hat im vergangenen Jahr mit über vier Prozent (Vorjahr rund 13 Prozent) performt. Bei den Unternehmen lag die Performance je nach Timing von Dotierungen und Reallokationen in der Spitze bei 4,6 Prozent. Unser illiquides Ertragsportfolio besteht hauptsächlich aus Immobilien, Private Equity und wenigen, ungedeckten Schuldverschreibungen vor allem von Sparkassen. Die größeren Unternehmen vergeben zudem Hypothekendarlehen.

Wie ist das liquide Ertragsportfolio allokiert?

Zu rund 26 Prozent in Aktien und ansonsten weltweit in festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, High Yields und Emerging Market Bonds. Das Portfolio nutzt die Korrelation zwischen Aktien und Renten, so dass der Drawdown in der Vergangenheit bisher immer verkraftbar war. Das war auch im März 2020 der Fall, auch wenn die Risikolage etwas angespannt war.

Wie lief 2020 allgemein?

Es war volatil und anspruchsvoll. Mich hat das vergangene Jahr ein wenig an 2008 bis März 2009 erinnert. So wie damals stand auch in 2020 die strategische Asset-Allokation gehörig unter Druck – und wiederum im März setzte die Erholung ein. Beschlossen haben wir im vergangenen Jahren auch, alle Total-Return-Fonds abzubauen. Es gibt nur einige wenige, die an den Wendepunkten der Märkte die Kurve kriegen. Die meisten sichern nach unten zu spät ab und gehen nach oben zu langsam ins Risiko.

Auch in 2003 war der März der Wendepunkt. Als „Erholungsmonat“ hat der März aber den Nachteil, dass viele Anleger ziemlich früh im Jahr ihre Risikobudgets verbraten haben und eingelockt an der Hausse nur noch platonisch partizipieren.

Wir orientieren uns an den Risikoprämien. Allerdings weiß man immer erst hinterher, wie hoch die Prämien tatsächlich sind. Wir haben 2007 begonnen, das Risikoportfolio aufzubauen und mussten dann 2008 schmerzlich erfahren, dass die Risikoprämien doch weniger attraktiv als gedacht waren. Vergangenen Februar stiegen die Risikoprämien für Risiko-Assets stark an. In solchen Situationen kommen wir in engerer Taktung zusammen und diskutieren, ob wir die stark gestiegenen Staatsanleihen zu Gunsten von Aktien abbauen, also reallokieren. Die Risikoprämien von Aktien sahen im März sehr attraktiv aus.

Was, wenn nach der Reallokation die Risikoprämien immer noch attraktiver werden?

Antizyklische Entscheidungen trifft man meist nicht zum exakt richtigen Tag. Innerhalb von etwa vier Wochen lagen wir bislang meistens richtig. Mein Ex-Chef sagte, dass es einerseits die Kapitalmarkttheorie und andererseits Über- und Untertreibungen an den Kapitalmärkten gibt. Das passiert regelmäßig. Man erkennt auch, wenn der Markt übertreibt. Schwierig ist jedoch zwischen kleinen, mittleren und großen Übertreibungen zu differenzieren – und ob die Übertreibung und Untertreibung noch weitergeht.

Falls wir mit den Umschichtungen in den liquiden Segmenten länger falsch liegen sollten, hätten wir immer noch die Möglichkeit, Zinspapiere aus dem Direktbestand zu verkaufen. In einem großen Portfolio finden sich normalerweise immer Papiere mit Reserven. 2008 waren die Märkte aber extrem illiquide. Damals hatten wir sogar Schwierigkeiten, eine Länderanleihe aus Baden-Württemberg zu fairen Preisen zu verkaufen. Nur Bunds konnte man schnell verkaufen. Deshalb haben wir auch immer ein paar Bunds an Bord.

 

Das komplette Interview mit Volker Pätzold, Bereichsleiter Asset Management der Versicherungsgruppe Hannover, können Sie in der aktuellen Ausgabe von portfolio institutionell lesen (Februar; Seiten 32ff.)

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