Statement
27. Juli 2021

Risk-off / Risk-on im V-Crash: Nicht alles hat funktioniert

Nach dem Börsen-Extremjahr 2020 sollte kaum noch die Frage im Raum stehen, warum Anleger überhaupt über Wert­sicherungsstrategien nachdenken sollten. Richtig ist, dass Wertsicherung in den Jahren davor nur Geld und damit auch Performance gekostet hat. Zumindest im März 2020 aber waren Investoren froh, sie zu haben – und wer mit begrenztem Risikobudget operieren muss, kommt per se nicht ohne aus.

Auch 2021 gibt Anlass zu Skepsis und Vorsicht, denn die ­Erwartungen für Volatilität und Inflation bleiben hoch und lassen eine gewisse Nervosität erkennen; die Zinsen könnten steigen; der nächste Schwarze Schwan bereits aus seinem blütenweißen Ei geschlüpft sein. Umso spannender die Frage: Welche Strategien haben eigentlich funktioniert im und nach dem Corona-Crash?

2020 war für alle Risikomanagementsysteme extrem schwierig und ein wahrer Stresstest. Auch Publikumsfonds, die Verluste begrenzen wollen, konnten zeigen, ob ihre Versprechen der Realität standhalten. Insbesondere die Geschwindigkeit der Kursbewegungen im März hat zu enormen Herausforderungen geführt. Die ­Volatilität der Märkte stieg sprunghaft auf extreme Werte an, es herrschte Panik – ganz ähnlich wie in der letzten großen Krisenphase 2008, in Ausmaß und Geschwindigkeit aber war der Ausschlag sogar noch heftiger. Von einem historisch niedrigen Niveau ausgehend schoss die Volatilität innerhalb weniger Tage in ­Rekord-Sphären. Diese Phase machte es erforderlich, sehr schnell Risiko abzubauen, um Verluste zu begrenzen. Das war der erste Teil der Herausforderung – und im Grunde der leichtere. Im zweiten Teil trennte sich dann die Spreu vom Weizen der Strategien, denn ganz anders als im Jahr 2008 haben sich 2020 die meisten Märkte nach dem Absturz sehr schnell, beinahe V-förmig, erholt und notierten zum Jahresende auf oder in der Nähe neuer Allzeithochs (Grafik). Nachdem die Fonds also ihre Verluste erfolgreich begrenzt hatten, mussten sie rechtzeitig umschalten und wieder genug Risiko-Exponierung aufbauen.

Renditequelle und Risikomanagement sind entscheidend

Strategien mit Wertsicherung haben den Anspruch, Verluste zu ­begrenzen und gleichzeitig möglichst gut an Kursanstiegen teilzuhaben. Damit das gelingen kann, werden sie mit mehr oder weniger erfolgreichen asymmetrischen Return-Profilen ausgestattet. Ihr ­Erfolg hängt einerseits vom Risikomanagement und andererseits von den genutzten Renditequellen ab, für die grundsätzlich alle ­liquiden Anlageformen infrage kommen. Unterscheiden lassen sich hierfür einerseits Risikoprämien wie zum Beispiel Aktien oder Volatilität, und andererseits Alphaquellen. Alpha-Strategien stützen sich in der Regel auf bessere Informationsverarbeitung und haben den Vorteil, dass sie potenziell unkorreliert zur allgemeinen Marktentwicklung sind. In Stressphasen wie 2020 sind derartige ­Strategien dann oft weniger negativ betroffen. Ihr großer Nachteil ist, dass echtes Alpha selten und eher nur in Nischen anzutreffen ist. Deshalb dienen in den meisten Wertsicherungsstrategien Risiko­prämien als entscheidende Renditequelle. Unabhängig von der Renditequelle kommt dem Risikomanagement die entscheidende Bedeutung zu, wenn asymmetrische Profile erzeugt werden sollen.

Welche Konzepte funktioniert haben, und welche nicht

Am günstigsten für Investoren ist die Risikoabsicherung auf höchster Ebene der Asset Allocation, weil hier Diversifikationseffekte am stärksten wirken und damit auch die Gesamtkosten der ­Absicherung am günstigsten sind. Eine solche Absicherungsstrategie über alle Asset-Klassen hinweg wird über Risiko-Overlay-Strategien abgebildet und findet sinnvollerweise vor allem in großen institutionellen Vermögen und Multi Asset Fonds Anwendung. Strategien mit fester Wertuntergrenze versuchen unabhängig von den Renditequellen Verluste zu begrenzen und hatten 2020 vielfach Probleme mit dem sogenannten Cash Lock: Sie hatten zwar Risiko abgebaut und die Wertuntergrenze gehalten, konnten ­danach aber nicht von der Erholung profitieren, da kein Risiko­kapital mehr vorhanden war.

Gut abgeschnitten haben flexible Optionsstrategien, die auf einzelne Marktphasen gezielt eingehen konnten. Optionen haben den Vorteil, dass sie ein asymmetrisches Auszahlungsprofil enthalten und somit das gewünschte Ziel direkt abbilden können. Andererseits sind die Kosten zu berücksichtigen. So erfüllte der Kauf eines Index-Puts auf ein Aktienportfolio zwar das Ziel der Absicherung, die Kosten sind jedoch langfristig hoch. Dennoch lässt sich fest­halten: Mit der richtigen Optionsstrategie konnte man das Jahr sehr gut überstehen. Ähnlich verhielt es sich mit so genannten Tail Hedges, also der Absicherung gegen Extremereignisse. 2020 war ein Jahr der Extreme am Markt, und wer eine solche Absicherungsstrategie aufgesetzt hat, ist damit sehr gut gefahren. Allerdings sind Tail Hedges langfristig viel zu teuer und greifen auch nur in (hoffentlich) sehr seltenen Panikphasen.

Modulare Wertsicherung mit Publikumsfonds

Grafik: Nahezu V-förmige Markterholung 2020 erforderte zügigen Aufbau von RisikoNicht für jedes Vermögen ist ein Risiko-Overlay sinnvoll, bei Dachfondsvermögen etwa. Auch bevorzugen manche Investoren eine modulare Wertsicherung und wollen nur für einen Teil ihrer Asset Allocation eine klare Wertuntergrenze definieren – etwa als Stabilitätsanker. Für dieses Anlegerbedürfnis kann ein flexibles und aktiv gemanagtes Konzept, das die Volatilitätsstrukturen in verschiedenen Marktphasen berücksichtigt, die gewünschte Asymmetrie bei niedrigen Absicherungskosten erreichen. Der eine Wertsicherungsstrategie verfolgende Publikumsfonds Lupus alpha Return setzt seit 2007 eine flexible Optionsstrategie erfolgreich um und hat seither noch nie seine angestrebte Wertuntergrenze von derzeit 90 Prozent (auf Jahresbasis) unterschritten. Auch 2020 konnte er seine ­Vorteile ausspielen und das Jahr mit einer Performance von 5,48 Prozent abschließen.¹) Sein mehr als 10-jähriger Track Record fußt auf den Risikoprämien von Aktien und Volatilität sowie einer aktiv-diskretionären Steuerung der Risiko-Exponierung (siehe Interview mit Alexander Raviol). Seit 2021 wird diese Strategie zusätzlich in einer Variante umgesetzt, die umfangreiche ESG-Kriterien berücksichtigt.
1) Volatilität p.a.: 4,92%; Wertentwicklung p.a. seit Auflegung: 3,04%

„Das Wort ‚absolut‘ ist mit Vorsicht zu genießen“

Interview mit Alexander Raviol, Partner und CIO Alternative Solutions, Lupus alpha Asset Management

Wie stehen Sie zu dem Begriff Absolute Return?

Diese Bezeichnung passt heute nicht mehr richtig. Geprägt wurde sie in Zeiten, als es grundsätzlich noch möglich war, einen ­risikolosen Zins von fünf, vielleicht sechs Prozent zu erzielen. In der damaligen Welt konnten Anleger Risiko nehmen und gleichzeitig Verluste vermeiden. Auf dem ­aktuellen Zinsniveau hingegen ist das Wort „absolut“ mit Vorsicht zu genießen, denn bei vielfach sogar negativem Zins ist es nicht möglich, ein entsprechendes Rendite-Risiko-Profil zu konstruieren. Mein Vorschlag für das ­heutige Umfeld ginge eher in Richtung „Asymmetric Return“. Denn grundsätzlich geht es den meisten Strategien darum, ­Verluste zu begrenzen und Gewinne bestmöglich laufen zu lassen. Und das ist auch der sinnvolle Weg.

Wie haben sich die in der Kategorie Absolute Return zusammengefassten Konzepte 2020 geschlagen?

Es gab enttäuschende Strategien, die sich nach dem Rückgang nicht mehr gut erholen konnten. Das zeigt unsere regelmäßige ­Auswertung in Deutschland zugelassener ­liquider alternativer Konzepte im UCITS-Mantel. Zum Beispiel verloren Absolute-Return-Euro-Strategien mit erhöhtem ­Risiko im Durchschnitt aller angebotenen Konzepte zwei Prozent. Es gab aber durchaus auch Konzepte, die ihre Vorteile voll ausspielen konnten und nach begrenzten Verlusten im März eine attraktive Rendite für das Gesamtjahr erzielten. So konnte ­unser Fonds, der Lupus alpha Return, seine Wertuntergrenze von 90 Prozent verteidigen und das Jahr mit einer Performance von +5,48 Prozent abschließen.

Wie prozyklisch sind die als Absolute Return titulierten Konzepte?

Asymmetrische Strategien sind grundsätzlich prozyklisch, das liegt in der Natur der Sache. Denn wer eine Wertuntergrenze ­absichern will, der muss sich bis zu einem gewissen Grad aus seinem Engagement ­zurückziehen, wenn die Märkte fallen. Aktives Management mit situativ diskretionären Entscheidungen kann hier einen Mehrwert liefern und rein regelgebundenen Ansätzen überlegen sein.
Das Jahr 2020 zum Beispiel stellte die ­Portfolio ­Manager vor die Herausforderung eines ­extremen Marktereignisses, mit ­Volatilitäten auf Rekordniveau und diesem V-förmigen Verlauf vom Absturz bis zur folgenden ­Erholung. Das erforderte ständige Anpassung. Wer stur an seinen Regeln ­festhielt, ging erst unter und konnte später nicht mehr auftauchen.

Über welchen Zeitraum ist ein positiver Absolute Return realistisch?

Beim aktuellen Zinsniveau startet jede Strategie mit Gegenwind, das lässt sich nicht vermeiden. Wenn das Konzept grundsätzlich funktioniert, sollte man nach drei bis fünf Jahren wieder im Plus sein, selbst bei einem schlechten Start. Wer in Absolute ­Return investiert, ist an einem langfristigen Stabilitätsanker im Gesamtportfolio inter­essiert – als kurzfristige Renditetreiber sind solche Strategien nicht gedacht.

Welche Wertuntergrenzen werden ­typischerweise mit den Kunden vereinbart?

Bei Mandaten, die eine Wertuntergrenze ­definieren, ist der Zeitraum typischerweise das Kalenderjahr. Meist liegt diese Grenze im Bereich zwischen 90 und 95 Prozent, es werden also Verluste von bis zu zehn ­Prozent toleriert. „Absolute Return“ bedeutet eben schon heute keineswegs eine Verlusttoleranz von Null.

Was sind für Sie die größten Risiken bei Absolute Return?

Absolute-Return-Strategien sollten danach hinterfragt werden, welche Renditequellen sie nutzen und welche Absicherungs­strategien sie einsetzen. Sind die Renditequellen nicht nachhaltig und ist die Ab­sicherung zu teuer, dann sind ent­täuschende Renditen kaum zu vermeiden.
Der Lupus alpha Return nutzt daher ­verschiedene Renditequellen, die in unterschiedlichen Marktphasen unterschiedlich stark zur Gesamtrendite beitragen. Die ­aktive Steuerung dient zudem der kostengünstigen Wertsicherung. Außerdem muss natürlich das Risikomanagement funktionieren, damit Verluste auch wirklich ­begrenzt werden.

Was spricht gerade jetzt für Absolute Return?

Die Märkte sind hoch bewertet und ­niemand weiß, wie sehr uns Themen wie Inflation, Zinsniveau, Wachstum noch beschäftigen werden. Vor Corona bewegten sich die ­Volatilitäten auf niedrigsten Niveaus, ­niemand rechnete mit dem, was dann ­geschah, und plötzlich kam der Einbruch.
Heute ist die Unsicherheit von vornherein viel größer. Die Märkte können weiter ­steigen, jederzeit ist aber auch eine heftigere Korrektur möglich – asymmetrische Strategien lassen den Investor dabei ruhiger ­schlafen. Vor allem dann, wenn der ­Verlusttoleranz eines Vermögens Grenzen gesetzt sind.

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