Recht, Steuer & IT
28. Mai 2021

Samuel Putnams Prudent Man Rule, ESG und die Treuhänderfunktion in der institutionellen Kapitalanlage

Gastbeitrag von Dr. Thomas A. Jesch, geschäftsführender Vorstand des ­Bundes Institutioneller Investoren.

Richter Samuel Putnam (1768-1853) war ein Wegbereiter – für die institutionellen Investoren in den USA wie auch weltweit. Was hat uns seine ­Prudent Man Rule heute im deutschen Kontext, gerade auch zum Thema ‚ESG-Kriterien und ihre Implementierung‘, zu sagen? Zum Beispiel, dass auf den Gegensatz von ‚Duty of Prudency‘ und ‚Duty of Loyalty‘ zu achten ist.

Die Prudent Man Rule Samuel Putnams basiert auf dem Urteil des Falls ‚Harvard College versus Amory‘ von 1830. Sie weist Treu­händer an, „to observe how men of prudence, discretion and ­intelligence manage their own affairs, not in regard to speculation, but in regard to the permanent disposition of their funds, ­considering the probable income, as well as the probable safety of the capital to be invested“.

Putnams Prudent Man Rule wurde (es soll ja nicht zu einfach ­werden) abgelöst durch die Prudent Investor Rule, welche besagt, dass Anlagen, die im Rahmen der Prudent Man Rule eigentlich nicht zulässig sind, dennoch in ein Portfolio aufgenommen werden dürfen, wenn ihre Beimischung gering und unter Berücksichtigung des Risikos und der Rendite des gesamten Portfolios ­„vorteilhaft“ ist – dies bitte theoretisch für den Hinterkopf, denn zwei weitere, gleichsam derivative, operative Einzelpflichten sollen im Zentrum dieser Analyse stehen.
Nach der Duty of Prudence beinhaltet die Pflicht eines Treuhänders, ein anvertrautes Vermögen mit einem gewissen Maß an Sorgfalt, Geschick und Vorsicht zu verwalten – auch zum Beispiel unter Rückgriff auf die Markowitz’sche Portfoliotheorie. Nach der Duty of Loyalty und der nochmals daraus abgeleiteten Sole Interest Rule darf der Treuhänder ausschließlich die Interessen des Treugebers verfolgen. Und – so wird herkömmlich subsumiert – sich nicht von „eigenständigen ethischen Überlegungen“ beeinflussen lassen.

Zu unterscheiden gilt es grundsätzlich auch in institutioneller ­Hinsicht zwischen dem Asset Owner, also dem auch juristischen Anteilseigner und dem (begrifflich seltener anzutreffenden) Asset Holder, der treuhänderisch für jenen wirkt, aber gegebenenfalls mit den Verführungen der Principal-Agent-Konstellation zurechtkommen muss. So kann der 100%ige Eigentümer eines Single ­Family Office im Zweifel nach Gusto schalten und walten, während der Vorstand einer Pensionskasse das Wohl der (künftigen) Pensionäre seinen Anlageentscheidungen zugrunde zu legen hat.

Status Quo in der US-Regulatorik

Die erwähnte Duty of Prudence dagegen kann aber zum Beispiel ­eine Anlage nach ESG-Kriterien (ESG verstanden als Fortschreibung der oft Apartheid-induzierten SRI-Überlegungen der 80er-Jahre, welche wiederum 1928 bei Pioneer Investments auf Asset-Manager-Seite schon ein Anwendungsbeispiel fanden) erforderlich machen, wenn damit voraussichtlich höhere risikoadjustierte ­Renditen zu erzielen sind (durchaus auch unter Einbeziehung von Klagerisiken und der Thematik der Stranded Assets). Um es aber kurz zu machen: Weiter geht es in den USA derzeit auch nach ­sauberer juristischer Analyse noch nicht – sieht man einmal von ­einer seit 2018 nur für den US-Bundesstaat Delaware geltenden, ESG-förderlichen Regelung des Delaware Trust Code ab.

Aber ­hierbei muss man eben auch einen kulturellen Hintergrund ‚mitdenken‘, der eine auskömmliche soziale Absicherung nicht als selbstverständlich voraussetzt. Und so mögen in Kalifornien ­immer wieder katastrophale Waldbrände vorherrschen – die Regeln beispielsweise der Stanford Management Company zur Ver­waltung des universitätseigenen Stiftungsvermögens waren zumindest bisher recht zurückhaltend, was das Thema ESG anbelangt.

Die deutsche Perspektive

Auch in Deutschland spiegelt sich ein globaler Trend in der Regulatorik: Weg von Defined Benefits und hin zu Defined Contributions. Praxisnah übersetzt: der Träger der betrieblichen Altersversorgung hat nicht mehr eine bestimmte Versorgungshöhe und die dafür zu erzielende Rendite, sondern ‚nur‘ noch die erbrachten Beiträge zu garantieren. Dies ist zunächst einmal zu begrüßen, da es ­zumindest die Möglichkeit eröffnet, abseits von im wahrsten Sinne des Wortes leeren Versprechungen ohne überflüssige Fesseln professionelle Kapitalanlage zu betreiben.

Hierzu müssen Gesetzgeber und ­Aufsicht dem Asset Owner dann allerdings auch alle erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung ­stellen. Das Motiv der fiskalischen ­Rückfinanzierung darf nicht mehr tragende Säule der deutschen betrieblichen Altersversorgung sein. Die häufige Notwendigkeit zur peinlichen ‚Notrettung‘ zum Beispiel von Pensionskassen durch das tragende Unternehmen ist endlich als Systemfehler zu analysieren und zu beseitigen.

Der institutionelle Investor bleibt Treuhänder, auch wenn er sich zum Beispiel eines Fiduciary Management bedient, was früher in Deutschland eher unüblich war – dagegen beispielsweise in den Niederlanden aber schon längst häufig anzutreffen ist. Fiduciary Management ist relativ teuer, wenn das Mandat klein ist. Kleinere Asset Owner müssen daher zum Beispiel so viele Ressourcen in ­interne Fortbildung lenken, wie möglich. Die relativ atomisierte Struktur im Spektrum der deutschen institutionellen Kapitalanlage ist historisch gewachsen, schützenswert – aber schon im numerischen Sinn kein Wert an sich. Wenn man scheut, als sehr kleiner institutioneller Kapitalanleger Anlagen gemeinsam zu verwalten, muss man es eben allein auf höher ausgebildetem Niveau tun.

Active Stewardship war in der alten ‚Deutschland-AG‘ ebenfalls die Ausnahme. Hier zeigte sich allerdings in den vergangenen ­Jahren eine ziemlich erfreuliche Tendenz. Ganz aktuell ist der institu­tionelle ­Kapitalanleger nicht nur als Treuhänder der Vermögenswerte der eigentlichen Anteilseigner gefragt, sondern darüber ­hinaus als ­Steward unserer ökologischen Ressourcen – mithin also dem ‚E‘ in ESG.

Insbesondere der Klimawandel ist eine drängende Herausforderung, die sich von einer Corona-Pandemie nicht aufhalten lässt. Seit 2006 haben die zunächst recht unverbindlichen Gifford’schen Principles for Responsible Investment (PRI) immer mehr ­Anhänger gerade auch unter den Hauptadressaten, den institutionellen ­Investoren, gewonnen. Hierbei ist wenig überraschend, dass solche aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich sowie arbeitnehmernahe Versorgungseinrichtungen zumindest initial leichter damit taten, den PRI – technisch eine gemeinnützige Organisation niederländischen Rechts mit Sitz in London – als Signatar beizutreten. ­Kirchliche Träger und Stiftungen mit entsprechendem Zweck braucht man nicht gesondert hervorzuheben.

PRI gestern und heute

Asset Owner/Asset Holder hatten sich 2018 nach PRI-Angaben aber nur zu etwa 20 Prozent den PRI verpflichtet, während Asset Manager dies bereits zu 85 Prozent getan hatten. Vorreiter auf ­Seiten der institutionellen Investoren sind international unter ­anderem der norwegische Government Pension Fund Global, Schwedens AP-Fonds (überhaupt insgesamt Vertreter der nordischen Staaten und der auch der Niederlande) und auf US-Seite zum Beispiel Calpers. Regulatorisch gibt es fallweise schon lange Reporting-Verpflichtungen für institutionelle Investoren, wie jene 2000 eingeführten Ergänzungen des UK 1995 Pensions Act.

Spätestens ab 2021 wird aber EU-weit das regulatorische Korsett, beginnend mit der Offenlegungsverordnung, enger. Auch die jüngsten Empfehlungen des Sustainable-Finance-Beirates der ­Bundesregierung sind von erfreulicher Klarheit. Dies beseitigt ­natürlich Interessenkonflikte nicht, denen sich beispielsweise eine Pensionskasse stellen muss, die ihre finanzielle Ausstattung den Gewinnen aus dem Abbau fossiler Energieträger zu verdanken hat. Da bewegt die leichte Hand des Gesinnungsethikers wenig.

Relevant für eine gelebte Treuhänderfunktion von deutschen ­institutionellen Investoren dürften unter anderem transnationale und „blockneutrale“ Initiativen wie die PRI sein. Diese dürften auch weiter an Bedeutung gewinnen, um regulatorische und Kultur­unterschiede im Bereich ESG/CSR einzudämmen. Die ­eingangs erwähnte Duty of Loyalty US-amerikanischer Provenienz kann und muss mit der Duty of Humanity gekoppelt werden – ein bloßes Risk-Return ESG Investing rettet den Planeten nicht mehr.

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