Versicherungen
20. März 2012

Schweizer Stresstest ist strenger

Die Swiss Life sieht sich für Solvency II gerüstet. Ein interessanter Vergleich von Solvency II mit dem Swiss-Solvency-Test, ein Überblick über die vom jüngsten Swiss-Solvency-Test geforderten Maßnahmen sowie die Auswirkungen auf Kapitalanlagen und Kunden.

Interview mit Klaus Leyh, Chief Executive Officer (CEO) der Swiss Life Deutschland

Herr Leyh, die EU-Kommission will Solvency II um ein Jahr verzögert erst 2014 in Kraft ­setzen. Bedeutet das Entwarnung für höhere Eigenkapitalquoten der Lebensversicherer?
Aufgeschoben bedeutet ja nicht aufge­hoben. Zudem ist der deutsche Gesetzgeber gezwungen, die entsprechende EU-Richtlinie (2009/138/EG) bis zum 31. Oktober 2012 in deutsches Recht umzusetzen. Ein Entwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichts­gesetzes liegt seit Mitte Februar vor. Für uns als deutscher Ableger eines schweizerischen Lebensversicherers bedeutet es ohnehin ­keine Entwarnung, obwohl Solvency II uns derzeit gar nicht betrifft.

_Wieso?
Als deutsche Niederlassung eines Schweizer Versicherers wirkt sich sowohl Schweizer wie auch europäisches und deutsches Aufsichtsrecht auf uns aus. Was die Anpassung der Solvabilitätsvorschriften betrifft, so waren die Schweizer schneller als die EU. Swiss Life wird deshalb schon seit Anfang 2011 dem Swiss-Solvency-Test unterzogen. Wir praktizieren also schon, bevor das Regelwerk von Solvency II in Kraft tritt, entscheidende ­Elemente: die Bewertung der Kapitalanlagen, das Durchspielen unterschiedlicher Kapitalmarktszenarien, Eigenkapitaldeckungen, Immobilienbewertungen, Niedrigzinsszenarien.

_Dann ist Swiss Life bestens aufgestellt!?
Für unsere Kunden trifft das natürlich zu, für das Renommee des Unternehmens ist es auch gut. Im Wettbewerb ist es für uns als Niederlassung aber nicht von Vorteil. Wenn es beispielsweise darum geht, bestimmte ­Risiken einzugehen, so sind wir da deutlich mehr gehemmt als unsere deutschen Wett­bewerber. Solange Solvency II noch nicht in Kraft ist, können diese sich eine „mutigere“ Gangart leisten als wir.

_ Welche Maßnahmen resultieren denn aus dem Swiss-Solvency-Test (SST)?
Swiss Life verfolgt traditionell eine ­konservative Anlagepolitik. Mit Blick auf die ­Anforderungen des SST haben wir die Duration unseres Anlageportfolios deutlich ­erhöht, um künftige Verpflichtungen gegenüber den Kunden noch langfristiger zu bedecken. Die Langfristigkeit der Absicherung liegt weit über dem Marktdurchschnitt. Weiter achten wir noch stärker darauf, Kreditrisiken zu vermeiden, und wenden sehr strenge Qualitätsmaßstäbe bei der Auswahl von Anleihen an.

_Was bedeuten denn die SST-Anforderungen für Aktien, Alternatives und Immobilien?
Beim Swiss-Solvency-Test wird insbesondere auf die Risikokapitalsituation geachtet. Durch unsere Anlagestrategie allokieren wir unser Risikokapital so, dass wir auch weiterhin in Asset-Klassen wie Aktien, Immobilien und Infrastruktur investieren können. Insbesondere durch die höhere Duration unseres Bondportfolios können wir Risikokapital für diese Anlagen zur Verfügung stellen.

_Zudem dürfte das Stammhaus mit in der Haftung stehen.
In der Tat haftet bei Swiss Life das Stammhaus in Zürich für die deutsche ­Niederlassung mit. Daher ist die Gruppensolvabilitätsquote (Solva I) für uns maßgeblich. Mitte 2011 ­betrug diese Quote 177 Prozent. ­Wettbewerber, wie Generali mit 141 Prozent oder die ­französische CNP mit 113 Prozent, schnitten deutlich schlechter ab, während Allianz und Axa vergleichbar dastehen. Das Eigenkapital von Swiss Life Deutschland hat sich seit 2000 auf rund 300 Millionen Euro vervierfacht.

_Worin liegen die wichtigsten Unterschiede zu Solvency II?
Der schweizerische Stresstest ist strenger als der europäische. So kommen die Anbieter unter Solvency II auf bis zu 60 ­Prozentpunkte höhere Quotienten aus verfügbarem und ­erforderlichem Eigenkapital. Wir müssen ­also nach derzeitigem Stand mehr ­Eigenkapital vorhalten als unsere Wettbewerber. Ein Probe­lauf zum Stichtag 31. Dezember 2009 zu ­Solvency II (QIS-5-Studie) zeigte, dass 13 von 75 untersuchten deutschen Lebensversicherern unterkapitalisiert waren. Es wird jedoch ­weiterhin heftig diskutiert, dass es im Regelwerk noch zu viele Anreize gibt, langfristige Anlagen zu meiden.

_Wie unterscheiden sich denn ­Zinsszenarien?
Die Zinsstrukturkurve legt fest, mit ­welchen Zinsannahmen die Versicherer ­verschiedene Szenarien kalkulieren müssen, um herauszufinden, wie hoch ihr Kapital­bedarf in der Zukunft liegt. Der SST nutzt ­eine risikofreie Zinsstrukturkurve: Für das Jahr 2020 geht er von 2,5 Prozent Zinsniveau oder weniger aus. Bei Solvency II liegt dieser Wert dagegen bei bis zu 4,2 Prozent. Dieser langfristige Zins wird als „Ultimate Forward Rate“ bezeichnet. Er ist volkswirtschaftlich begründet und entspricht, vereinfacht gesagt, Inflation plus Wachstum.

_Diskutiert werden auch Eingriffe der ­Aufsichtsbehörden. Wie sieht es da beim SST im Vergleich zu Solvency II aus?
Auch hier gibt es Unterschiede. Beim sogenannten Countercyclical Premium ­handelt es sich um eine Eingriffsmöglichkeit der ­Aufsichtsbehörden, die es nur bei ­Solvency II gibt. Die Behörden können mit diesem ­„Korrekturfaktor“, den sie selbst festlegen, Einfluss auf die Zinsstrukturkurve nehmen und so dafür sorgen, dass ein Versicherer, bei der Berechnung seines Kapitalbedarfs höhere oder niedrigere Zinsen zugrunde legen muss, als die Zinsstrukturkurve eigentlich vorgibt. Diese Eingriffsmöglichkeit gibt es beim SST nicht. Wir erwarten aber mittelfristig eine Konvergenz der Regeln, also eine ­Annäherung des SST an Solvency II.

_Aufsehen hat erregt, dass Swiss Life die ­Deckungsstockgarantie aufgeben will?
Wir wollen sie nicht vollständig aufgeben, aber unser Ziel ist eine Reduktion von Tarifen mit Deckungsstockgarantie. Neben den ­höheren Eigenkapitalanforderungen in der Zukunft haben wir es in der jüngeren Vergangenheit mit immer weiter abgesenktem ­Garantiezins und Dauerniedrigzinsen für Festverzinsliche zu tun. Hinzu kommen ­demografische Zwänge, wie die steigende ­Lebenserwartung, die sich in der Kalkulation niederschlagen muss. Das Massengeschäft lässt sich mit herkömmlichen Garantien ­immer weniger wirtschaftlich und zugleich kundengerecht betreiben.

_Welche Alternativen bieten sich an?
Die Lebensversicherung hat nur Zukunft, wenn sie sich auf Fondsprodukte mit ­flexiblen Garantien fokussiert. Wir sehen für uns in Variable Annuities (VA) eine gute Möglichkeit, Garantien über den Kapitalmarkt zu ­finanzieren. Auch weil sie zusätzlich ein ­hohes Maß an Transparenz in Bezug auf die Kapitalanlage und die Kosten bieten. So ­kostet die Garantie bei unserem VA-Produkt „Swiss Life Champion“ aktuell zwischen 3,2 und 5,7 Prozent der Prämiensumme auf maximal 40 Jahre, abhängig allerdings von der Fonds­auswahl.

_Hat damit auch die Teilgarantie durch ­Produktgeber bei Hybriden ausgedient?
Ja, denn dort droht dem Kunden die Cash-Lock-Falle. Somit werden ebenfalls kaum noch nennenswerte Erträge zu erwirtschaften sein – trotz der Konzentration in der freien Anlage auf Fonds. So werden die frei ­wähl­baren Fonds erst dann dotiert, wenn das Guthaben im Wertsicherungsfonds ausreichend hoch ist, um den maximal zulässigen Wertverlust zu realisieren. Somit bleibt ­praktisch kein Raum für freie Anlage. ­Außerdem ­bezahlt der Kunde die Garantie mit einem ­unbekannten Renditeverzicht. Grund sind die Absicherungsinstrumente auf Ebene des Wertsicherungsfonds und etwaige ­Umschicht­ungen aus dem Wertsicherungsfonds in den Deckungsstock, die bei volatilen Kapitalmärkten wahrscheinlich sind.

_Welche Folgen hat der Strategiewechsel ­Ihres Hauses für Anleger?
Da die klassische Versicherung an ihre Grenzen stößt, gewinnen alternative Garantie­konzepte an Bedeutung. Davon künden zahlreiche Produktinnovationen in den letzten drei Jahren. Auch weichere Garantien ­könnten kommen, etwa zeitlich begrenzte Garantien. Da in der Lebensversicherung das größte ­Risiko die Langlebigkeit ist, ist die größte Belastung die Länge und die Höhe der Garantie. Damit werden auch andere Garantieformen relevant, zum Beispiel ein Staffelzins. Denn auf der Kapitalanlageseite kann das Risiko überhaupt nicht adäquat abgebildet werden.

_Das hört sich sehr problematisch an!
Die Herausforderung für Vermittler ­besteht darin, die Funktionsweise der verschiedenen Garantiemodelle sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile zu kennen, um ihre Kunden richtig beraten zu können. Unsere Herausforderung sind plausible und transparente Produkte. Da sehen wir uns mit der Champion-Produktfamilie auf gutem Wege.

_ Andere Anbieter halten wenig von Variable Annuities. Auch der Gesetzgeber hat bisher kein grünes Licht gegeben.
Unser VA-Produkt wird in Luxemburg aufgelegt und ist zum Vertrieb in Deutschland zugelassen. Für uns ist es derzeit ein ­guter Weg, moderne Altersvorsorge mit transparenter Kapitalanlage und ­nachvollziehbaren Kosten anzubieten. Andere mögen andere Wege beschreiten. Am Ende des Tages wird es aber die Lebensversicherung alter Prägung in der Breite wie heute nicht mehr geben.

portfolio institutionell 16.03.2012

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