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18. Januar 2024

Small-Cap-Aktien: untergewichtet, unterbewertet – und vielleicht unterschätzt

Aktien kleiner und mittlerer Unternehmen sind in den vergangenen Krisenjahren gehörig unter Druck geraten. Angesichts der niedrigen Bewertungen raten Small-Cap-Experten zum Einstieg. Für viele institutionelle Investoren wäre die Anlage wohl eine Premiere, denn Small Caps gelten in professionellen Portfolien als deutlich unterrepräsentiert.

Der steile Kursanstieg der US-Mega-Caps ließ in vielen benchmarknahen Aktienportfolien die Konzentrationsrisiken ansteigen. Spiegelbildlich zur Dominanz weniger großer Werte steht die ausgeprägte Performance-Schwäche vieler kleiner und mittlerer Unternehmen im Small- und Mid-Cap-Segment in den vergangenen Jahren. Inzwischen notieren Nebenwerte nach Einschätzung vieler Experten auf langjährigen Bewertungstiefs gegenüber Blue-Chip-Aktien.

Viele Small-Cap-Manager geben sich überzeugt vom Potenzial der Small Caps und der bevorstehenden Trendwende. Doch selbst, wenn die Kurse wieder anziehen, dürften nur wenige professionelle Investoren davon profitieren.

Denn dezidierte Small-Cap-Allokationen finden sich in institutionellen Portfolios nur selten. Viele deutsche Großanleger fahren ihre gesamten Aktienbestände angesichts attraktiverer Zinsen und der Wertschätzung von Private Assets eher zurück. Die grundsätzliche Aversion liegt teils auch an der Regulatorik, nach der wichtige Anlegergruppen ihre Bestände mit hohen Eigenkapitalanteilen ­unterlegen müssen. Die Versicherungsgruppe die Bayerische hat beispielsweise ihre börsennotierten Aktienbestände einschließlich Small-Cap-Allokation vor Jahren verkauft und setzt stattdessen auf Private Equity.

Oliver Hagedorn, Portfoliomanager einer Small-Cap-Strategie beim Anlagespezialist Avesco, hält Aktien insgesamt und speziell Small Caps in vielen deutschen Portfolien für unterrepräsentiert. Doch auch bei internationalen Investoren stehen Small Caps nicht hoch im Kurs. So beobachten die Consultants von Bfinance in ihren Portfolioanalysen immer wieder eine deutliche Untergewichtung in Small Caps: „Diese ist vor allem bei Portfolios ausgeprägt, die einen hohen passiven oder Smart-Beta-Anteil aufweisen“, sagt Robert Doyle, Aktienexperte bei Bfinance.

Krisenjahre fordern ihren Tribut

Die höhere Volatilität und enttäuschende Entwicklung der ver­gangenen Jahre kratzten zusätzlich am Image der Nebenwerte. So blieb etwa der S-Dax gegenüber dem Dax-40 seit Anfang 2022 um 24 Prozent zurück. Ähnlich ist das Bild für globale und US-Small-Caps. Solche Bewertungsabschläge habe er in seiner 37-jährigen Laufbahn nicht erlebt, sagt Rob Lanphier, Portfoliomanager bei William Blair IM. Wie viele andere Small-Cap-Manager gibt er sich aber zuversichtlich, dass die Kurse der Small Caps wieder steigen: Die Frage sei nicht „ob“, sondern „wann“.

Langfristig gelten Small Caps ohnehin als Erfolgsstory: Der S-Dax übertraf über die vergangenen 20 Jahre den Dax-40 zeitweise fast ums Doppelte und liegt trotz des Jahres 2022 noch immer weit in Führung. Ähnliches gilt aus globaler Perspektive: „Langfristig haben sich globale Nebenwerte deutlich besser entwickelt als Blue Chips“, sagt Oksana Ianko von Scope. Wenn auch um den Preis deutlich höherer Volatilität.

Die zuletzt enttäuschende Entwicklung hat klare Gründe, denn ­gerade in Krisenzeiten fliehen Anleger grundsätzlich in die Standardwerte: „Kleine Unternehmen sind in der Regel operativ risikoreicher und damit anfälliger bei Krisen“, sagt Avesco-Port­foliomanager Hagedorn. Höhere Zinsen bedeuten für kleinere Firmen meist zusätzlichen Gegenwind. „Kleinere Unternehmen sind stärker von Bankenfinanzierung abhängig“, erklärt William-Blair-Experte Lanphier. Wenn Banken ihre Kreditvergabe drosseln, trifft das diese Firmen besonders hart.

Dazu sind viele Small Caps auf bestimmte Bereiche konzentriert und verfügen damit über ein weniger breit aufgestelltes Geschäftsmodell als viele große Firmen. Auch das macht sie anfälliger für wirtschaftliche Krisen. Gleich doppelt hart trifft es den deutschen Mittelstand, der unter politischer Unsicherheit, hohen Energiepreisen und schlechter Wirtschaftslage leidet. Das Debakel um die Finanzierung der Transformation belastet die Stimmung zusätzlich.

Small Caps zu Schnäppchenpreisen

Mit dem schwierigeren Umfeld sind nicht nur die Kurse, sondern auch die traditionell höheren Bewertungen günstiger geworden. „Aktuell ist die Risikoprämie der Small Caps verschwunden“, sagt Tilmann Galler, globaler Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management. Angesichts der günstigeren Bewertungen sowie der Aussicht auf sinkende Zinsen und eine Konjunkturerholung im kommenden Jahr dürften Small Caps nicht nur für Anleger interessanter werden, sondern auch zunehmend als Übernahmeziel für strategische Käufer sowie Private-Equity-Fonds in den Fokus ­geraten: Ersten prominenten Übernahmen und Angeboten, wie von Schaeffler für den Autoindustriezulieferer Vitesco oder des US-Fonds Nuveen für die norwegische Self Storage Group, könnten weitere folgen. Bereits in der Vergangenheit zeigte sich ein Muster, wonach Small Caps in den ersten drei Jahren nach der Rezession Large Caps besonders deutlich übertrafen.

Experten schlagen Zombiealarm

Auf der anderen Seite warnen Experten vor einer Qualitätsverschlechterung im Small-Cap-Segment. Erfolgreichen und zukunfts­fähigen Firmen mit großem Potenzial steht ein steigender Anteil unrentabler „Zombiefirmen“ gegenüber, der für den US-Markt auf bis zu 45 Prozent geschätzt wird. Aktives Management und ­Selektion werden damit umso wichtiger: „Small Cap ist nicht gleich Small Cap und Aktienkurs ist nicht gleich Unternehmenswert“, sagt Avesco-Experte Hagedorn. Er achtet besonders auf den freien Cashflow: „Der Free Cashflow ist wichtig, für Dividenden, Aktienrückkäufe und Investitionen und eröffnet Handlungsspielräume in der Krise.“

In seinem Fonds mit Fokus auf europäische Small Caps setzt Hagedorn besonders auf die Hidden Champions. Dazu zählt er etwa den Chipausrüster Aixtron oder den Küchenhersteller Rational. Auch ihm seien bereits mehrere Unternehmen aus seinem Small-Cap-Fonds durch Private-Equity-Fonds abhanden­gekommen, erklärt der Portfoliomanager: „Private Equity sucht kleine und mittlere Unternehmen.“ Auch das vielleicht ein Zeichen für die attraktiven Chancen im Small-Cap-Segment.

Einen globalen Ansatz verfolgt Columbia Threadneedle (CT). CT-Fondsmanager Charlotte Friedrichs glaubt, dass das breite Universum an Aktien bei geringer Research-Abdeckung gute Möglichkeiten zur Alpha-Erzielung bietet. „Eine Firma wie Apple wird von 50 bis 60 Analysten gecovert, das macht es wirklich schwer, einen Wissensvorsprung zu erzielen“, sagt Friedrichs. Bei Nebenwerten könne der einzelne Analyst deutlich größeren Mehrwert generieren. In ihrem Portfolio liegen Werte wie der US-Schmiermittelhersteller WD 40, das Technologieunternehmen Altair oder der japanische Kostenführer bei der Liftwartung, Jes.

Small-Cap-Satelliten generieren Alpha

Dass Small Caps als Ergänzung eines breiteren Aktienportfolios durchaus Sinn machen können, belegen Analysen von Bfinance. Demnach erhöht die Ergänzung eines Portfolios mit Small Cap Exposure die Volatilität nicht unbedingt, sondern kann das Rendite-Risiko-Profil verbessern. „Wir glauben, dass Small Caps am besten als Satellitenstrategie zur Alpha-Generierung geeignet sind“, so Aktienexperte Doyle.

Als Kernanlage sieht er die Nebenwerte dagegen nicht. Dass Small-Cap-Mandate nur selten vergeben werden, könnte seiner Meinung nach mitunter auch am Aufwand liegen. Denn gerade in der Selektion bedeute ein Small-Cap-Mandat einen deutlichen Mehraufwand gegenüber einer All-Cap-Strategie, mit der Investoren zugleich einen deutlich größeren Portfolioanteil abdecken können.

Globale und regionale Ansätze

Die Anzahl an globalen Strategien nahm in den vergangenen Jahren deutlich zu und liegt derzeit bei 80 bis 90 Fonds. Gerade bei globalen Ansätzen spielen die Ressourcen des Asset Managers eine wichtige Rolle, da die Gefahr besteht, dass der Wissensvorsprung verloren gehen kann, der bei Small Caps ein wichtiger Erfolgsfaktor ist.

Zahlreiche Anbieter konzentrieren sich auf regionale Ansätze. So auch der deutsche Anbieter Lupus Alpha mit einem Fokus auf europäische Small und Mid Caps: „Unsere Investoren verfolgen alle einen regionalen Ansatz, indem sie sich für die einzelnen Regionen die jeweils besten aktiven Manager auswählen“, erklärt Lupus-Alpha-Vertriebsleiter Markus Zuber. Dass aktives Management klare Vorteile bietet, zeigen Bfinance-Daten: Demnach übertrifft die Mehrheit der Small Cap Manager ihre ­Benchmark auf Basis von rollierenden Dreijahres-Zeiträumen deutlich, wobei die Outperformance auf regionaler Ebene im Durchschnitt ausgeprägter ist als bei globalen Ansätzen.

Markus Zuber verweist darauf, dass sich das Small-Cap-Gewicht in vielen Portfolios schon durch die Underperformance reduziert habe. Er erwartet, dass zahlreiche Investoren ihre Bestände bald wieder aufstocken, zum einen aufgrund des Aufholpotenzials und zum anderen, da viele Investoren sukzessive wieder ihre strategische Quote erreichen wollen.

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