Investoren
20. Dezember 2023

So investiert seine Exzellenz Scheich Hamed bin Zayed Al Nahyan

Er allokiert global und geht dabei äußerst professionell vor. Er engagiert weltweit herausragende Anlagespezialisten – auch aus Deutschland – und ist einer der fünf größten Staatsfonds der Welt. Zugleich arbeitet die Abu Dhabi Investment Authority weitgehend im Verborgenen.

Staats- und Pensionsfonds angelsächsischer Prägung bilden die Speerspitze der institutionellen Investoren. Das liegt einerseits an den immensen Kapitalanlagen, die sie verwalten, und andererseits an ihrer Professionalität im Umgang mit ihren prall gefüllten Geldspeichern.

Ein Beispiel für einen recht jungen Staatsfonds ist der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, auch „Kenfo“ genannt. Er ist als öffentlich-rechtliche Stiftung konzipiert worden. Zugleich ist er nach eigener Darstellung der erste deutsche Staatsfonds. Vor sechs Jahren wurde er mit einer einmaligen Zahlung in Höhe von 24,1 Milliarden Euro ausgestattet. Das Geld stammt aus den Rückstellungen, die die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke für deren Rückbau angesammelt hatten. Die damit verbundenen Risiken trägt nun der Kenfo. Weitere Zuflüsse in das Fondsvermögen sind nicht vorgesehen. Deshalb handelt es sich um eine Verbrauchsstiftung.

Mit Kapitalanlagen von rund 20,5 Milliarden Euro (Stand: Ende 2022) ist der in Berlin angesiedelte Staatsfonds ungefähr so groß wie die ­um einiges älteren Pensionskassen von Allianz und Bayer zusammen – sie sind die Nummer zwei und drei der Szene. Nur der BVV Ver­sicherungsverein des Bankgewerbes (BVV) ist noch mächtiger. ­Gemessen an seinen Assets von gut 33 Milliarden Euro (Stand: 2022) ist der BVV die größte Pensionskasse hierzulande.

In der globalen Top-Liga der Asset Owner sind 20,5 Milliarden und sogar 33 Milliarden Euro aber allenfalls „Peanuts“. Diesen Schluss legt die jährliche Auswertung des Thinking Ahead Institutes „The Asset Owner 100“ nahe. Darin geht es um nicht weniger als „the most influential capital on the planet“. Und hier geben andere Staatsfonds beziehungsweise Sovereign Wealth Funds und mächtige Pension Funds den Ton an. Um in diesem Vergleich überhaupt aufzutauchen, mussten institutionelle Großanleger gemäß der Auswertung aus dem vergangenen Jahr mindestens 83 Milliarden US-Dollar auf die Waage bringen.

Geschafft hat das der australische Staatsfonds TCorp (NSW Treasury Corporation). Damit belegte er in der Auswertung als Schlusslicht den einhundertsten Platz. Das obere Ende des Rankings hat traditionell der Government ­Pension Investment Fund aus Japan inne. Er steuerte ein sagenhaftes Vermögen von schätzungsweise 1,7 Billionen US-Dollar. Hinter dem weltweit größten Pensionsfonds folgen zwei Staatsfonds aus China und jeweils einer aus Norwegen und den Vereinigten ­Arabischen  Emiraten (VAE).

Mitglied dieses elitären Zirkels ist mit der Abu Dhabi Investment Authority (Adia) eine öffentliche Einrichtung, die von der ­Regierung des gleichnamigen Emirats gegründet wurde. Abu ­Dhabi ist eines von insgesamt sieben Emiraten der VAE. Das Land ist einer der bedeutendsten Öl-Exporteure der Welt, die Einnahmen haben die Monarchie reich gemacht. Der Internationale Währungsfonds klassifiziert die VAE als „high income developing economy“. Doch hier geht es nicht um die „Emirate“ als Ganzes, sondern nur um Abu Dhabi, die Hauptstadt des gleichnamigen Emirats und der VAE. In der Region leben etwa 1,45 Millionen Menschen.

Staatsfonds soll Wohlstand sichern

Das Vermögen von Adia stammt von der Regierung des Emirats Abu Dhabi. Sie stellt der Abu Dhabi Investment Authority Kapital zur Verfügung, das über ihren aktuellen Steuerbedarf hinausgeht. Die staatseigene Gesellschaft ist verpflichtet, die finanziellen Mittel so zu investieren, dass damit nachhaltige ­langfristige Erträge ­erzielt werden, und sie bei Bedarf Mittel an die Regierung von Abu Dhabi zurückzugeben. Konkret besteht Adias „Mission“ darin, „den langfristigen Wohlstand von Abu Dhabi aufrechtzuerhalten“.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe beschäftigt der Staatsfonds 1.380 Mitarbeiter, darunter ein sogenanntes quantitatives Forschungs- und Entwicklungsteam. Es besteht aus einer Gruppe von mehr als 50 ­Experten und rekrutiert weltweit Fachleute in verschiedenen Bereichen wie maschinelles Lernen, Strategieentwicklung, Port­folioaufbau und -umsetzung. Ferner geht es in dem Team auch um Risikomanagement.

Infolge einer Personalentscheidung hat der Staatsfonds vor ­Kurzem in der deutschen Investmentszene für Aufmerksamkeit gesorgt: Dr. Bernd (Bernhard) Scherer, zuvor Chief Investment Officer der LBBW Asset Management, wirkt seit September 2023 als Head of Quantitative Portfolio Management von Adia. Auch als Autor praxisrelevanter Fachartikel hat sich der Anlageexperte einen Namen gemacht. Im ersten Halbjahr 2023 ist ein informativer Beitrag Scherers (über das optimale Design von Investmentkomitees) auch in unserem Magazin erschienen.

Mit seinem Wechsel auf die Arabische Halbinsel dürfte Scherer das vermutlich spannendste Kapitel ­seiner alles andere als langweiligen beruflichen Laufbahn aufgeschlagen ­haben. Denn die Abu Dhabi Investment Authority ist ein globales Investmentinstitut mit einer Belegschaft, die in mehr als zwei ­Dutzend Anlageklassen und Unterkategorien investiert.

Sich hier mit Expertise einzubringen, dürfte für Bernhard Scherer der Gipfel des ­Erfolgs sein. Und erst das Netzwerk: Adia pflegt enge ­Beziehungen zu anderen mächtigen Kapitalsammelstellen wie die Caisse de dépôt et placement du Québec und APG Asset Management und investiert manchmal auch gemeinsam mit diesen. Im vergangenen Jahr war Adia als Teil einer von den Beteiligungs­gesellschaften Advent International und Permira geführten Investorengruppe an der Übernahme der milliardenschweren Softwarefirma McAfee beteiligt.

Bei allem Hang zu Größe, Professionalität und Partnerschaft bleibt ein Wermutstropfen. Denn Adia ist ein intransparenter Asset Owner. Zwar legte Geschäftsführer Hamed bin Zayed Al Nahyan, Scheich und Spross der Herrscherfamilie von Abu Dhabi, im Oktober 2023 mit dem „Review 2022“ eine Art Anlagebericht vor. Er enthält eine ­Fülle von Informationen, die die einzelnen Anlageklassen beleuchten. Angaben zu den Assets under Management finden sich darin aber nicht.

Der Staatsfonds äußert sich generell nicht zur Höhe des von ihm verwalteten Vermögens. Ferner macht er keine Angaben zum Zeitpunkt, zur Häufigkeit oder zum Wert ­etwaiger Zu- oder Abflüsse. Lediglich eine kurze Passage in dem Bericht quantifiziert den Anlageerfolg: Demnach stand am 31. Dezember 2022 eine vorläufige annualisierte Rendite von 7,1 Prozent über 20 Jahre hinweg zu Buche. Über drei Dekaden hinweg fällt der Zuwachs mit 7,0 Prozent p.a. etwas niedriger aus. Vorläufig war das Resultat ­deshalb, weil die endgültigen Daten für nicht-börsen­notierte Vermögenswerte darin noch sind enthalten waren.

An ­anderer Stelle werden wir jedoch fündig, was die Assets under ­Management der Scheichs betrifft. Laut der nagelneuen Auswertung des Thinking Ahead Institutes „The Asset Owner 100“ aus dem November dieses Jahres betrug das Vermögen des Staatsfonds Ende 2022 rund 931 ­Milliarden US-Dollar. Damit belegt die 1976 ­gegründete Abu Dhabi Investment Authority erneut den vierten Platz unter den Staatsfonds und Rang fünf der größten Asset Ownern weltweit.

Adia gewährt Einblick in sein Reich

Bekannt ist, dass Adia ein über Länder und Anlageklassen gestreutes Portfolio aufgebaut hat mit dem Ziel, über alle Marktzyklen hinweg konsistente und langfristige Renditen zu erwirtschaften. Den Anlageschwerpunkt bildet laut Review 2022 Nordamerika mit einer Bandbreite von 45 bis 60 Prozent, gefolgt von Europa, den ­Emerging Markets und den entwickelten Märkten Asiens. „Aus praktischen Gründen“ investiert der Fonds nicht im eigenen Land.

Mit Blick auf die Anlageklassen bleiben die Autoren des Jahresberichts allerdings sehr vage und nennen auch hier nur Bandbreiten, in ­denen sich die Allokationen bewegen sollen. Demnach bilden „­Developed Equities“ in der langfristig vorgesehenen Anlagestruktur den größten Posten. Ihre Spannweite liegt zwischen 32 und 42 Prozent, gefolgt von Emerging Market Equities und Staatsanleihen mit ­einer Spanne von jeweils sieben bis 15 Prozent. Fakt ist auch, dass ­Private Equity für die Scheichs an Bedeutung gewinnt: Die Zielquote hierfür haben sie im vergangenen Jahr von ursprünglich sieben bis zwölf Prozent auf nun zehn bis 15 Prozent angehoben.

Ferner allokieren die Manager des viertgrößten Staatsfonds Small Caps in der Spanne von einem bis fünf Prozent sowie Credit und Infrastrukur-Assets (je zwei bis sieben Prozent). „Financial Assets“, wie zum Beispiel Hedgefonds, und Immobilien runden das Megaportfolio mit einem variablen Anteil von jeweils fünf bis zehn Prozent ab. Bemerkenswert beim Thema Infrastruktur ist ein Investment in den Eisenbahnwaggonvermieter VTG aus Hamburg. Im vergangenen Jahr hat die Infrastrukturabteilung von Adia eine 50/50-Partnerschaft mit dem Fondsmanager Global Infrastructure Partners geschlossen. Sie erwarb eine Mehrheitsbeteiligung an VTG mit dem Argument, Europas größter privater Waggonvermieter spiele eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung des europäischen Güterverkehrs. Demnach fließt auch die ökologische Nachhaltigkeit in Anlageentscheidungen ein.

An der ehemals börsennotierten VTG AG war schon die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe beteiligt – eines der größten berufsständischen Versorgungswerke in Deutschland. Das Gesamtportfolio von Adia wird sowohl aktiv als auch passiv gemanagt, wobei der aktive Ansatz mit einem Anteil von 58 Prozent des Vermögens überwiegt. Externe Manager betreuen 45 Prozent der Assets.

Festzuhalten bleibt, dass Staatsfonds eine ganz besondere Anlegergruppe bilden. Viel wäre gewonnen, wenn die Transparenz in diesem Segment weiter zunehmen würde. Und vielleicht schafft es ja (wenn schon nicht der Kenfo) eine andere deutsche Kapital­sammelstelle (Stichwort „Generationenkapital“) eines Tages in die Top 100.

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