Asset Management
18. November 2025

So wird der Total Portfolio Approach alltagstauglich

Das Konzept der Strategischen Asset-Allokation ist vielen Investoren nicht mehr zeitgemäß. Sie sehen im Total Portfolio Approach die Zukunft. Dieser Ansatz erfordert jedoch eine andere Sichtweise auf die Auswahl der Anlageklassen, die Prozesse, die im Hintergrund ablaufen, und die Entscheider an sich.

„Das Marktumfeld verändert sich rasant und veranlasst Anleger dazu, die Strategien zu hinterfragen, die jahrzehntelang Portfolioentscheidungen geleitet haben.“ Dieses Statement stammt aus der Einleitung eines aktuellen Berichts der Analystenorganisation Caia, der sich dem Total Portfolio Approach (TPA) widmet und den Titel trägt „How Investors Are Operationalizing the Total Portfolio Approach“. Der hier abrufbare Report entstand in Zusammenarbeit mit dem Thinking Ahead Institute (TAI) und streicht die Vorzüge des innovativen Portfoliokonzepts heraus, das seit einigen Jahren Zuspruch bei institutionellen Anlegern in aller Welt erfährt.

Der Bericht knüpft damit nahtlos an eine Studie des TAI aus dem vergangenen Jahr an. Diese hatte gezeigt, dass führende Großanleger dazu übergehen, ihre Portfolios nicht mehr nach dem klassischen Ansatz der Strategischen Asset-Allokation (SAA) zusammenzustellen, wie er etwa in Deutschland im Denken der Anleger verankert ist, sondern den Total Portfolio Approach zu übernehmen.

Bei diesem Konzept trifft das Investmentteam unter der Leitung eines Chief Investment Officers (CIO) dynamische, tagesaktuelle Allokationsentscheidungen, während der Vorstand beziehungsweise der Anlageausschuss seine Rolle auf die Festlegung übergeordneter Ziele und die Überwachung des Gesamtportfoliorisikos und der Ergebnisse verlagert. Dieses Modell erfordert also einen grundlegenden Wandel in der Governance: weg von der traditionellen, periodischen Vermögensallokation hin zu einem stärker integrierten und kollaborativen Prozess, der das gesamte Portfolio im Blick hat.

Der Total Portfolio Approach basiert auf einer Kultur klarer Eigentumsverhältnisse, der Delegation von Entscheidungen, Vertrauen und Abstimmung untereinander. Und er bezieht wesentliche Teile der Unternehmensebene, wie das Risikomanagement, in die Betrachtung ein.

Die besten Ideen konkurrieren ständig miteinander

Als Trigger für die zunehmende Verbreitung des Total Portfolio Approach gilt der Aktienmarkteinbruch während der Corona-Pandemie 2020. Damals wurde vielen vor Augen geführt, dass der traditionelle SAA-Ansatz viel zu träge reagiert. Die Konstruktion breit gestreuter Portfolios erfolgt beim Total Portfolio Approach von unten nach oben – statt Top-down, wie beim SAA-Ansatz, bei dem so gut wie jede sich bietende Anlageopportunität aufgegriffen wird, um das Portfolio möglichst breit zu diversifizieren – auch und gerade über Strategien, Regionen und General Partner (GP) hinweg.

Verfechter des TPA gehen bei der Auswahl äußerst selektiv vor. Anlagen werden daran gemessen, ob sie mit den Zielen der Großanleger im Einklang stehen oder nicht – das kann die Ausfinanzierung der Verbindlichkeiten sein oder das Erreichen einer absoluten Rendite. Außerdem zeichnet sich der Total Portfolio Approach Dadurch aus, dass die besten Anlageideen ständig miteinander konkurrieren.

Bereits vor ein paar Jahren haben Asset Owner in Australien, Neuseeland und Kanada damit begonnen, den SAA-Ansatz in Frage zu stellen. Sie begründen das mit dessen Schwächen. Dazu gehören nach Einschätzung von Caia unerkannte Doppelarbeit oder problematische Risikoexpositionen im gesamten Portfolio. Besonders schwer wiegt jedoch der Kritikpunkt, den Kapital-Pool nicht ganzheitlich und zukunftsorientiert zu verwalten.

Angesichts dieser Herausforderungen sehen viele im Total Portfolio Approach die Zukunft. Jayne Bok, Leiterin der Abteilung Investitionen für Asien bei WTW, macht deutlich, dass dieser „kein spezifisches Modell mit einem einzigen Ziel ist, sondern vielmehr eine Reihe von Ansätzen umfasst, die auf die individuellen Bedürfnisse verschiedener Vermögenseigentümer zugeschnitten werden können, unabhängig von ihrer Größe oder Komplexität“.

Vor diesem Hintergrund hat Jayne Bok gemeinsam mit ihrem Co-Autor des TPA-Reports, Aaron Filbeck (eine Führungskraft bei Caia), Interviews geführt mit einem Dutzend Chief Investment Officers, die sich und ihre Organisationen dem Konzept verschrieben haben. Zu Wort kommen mit dem Alaska Permanent Fund, Calpers aus Kalifornien und dem State of Wisconsin Investment Board gleich drei Großanleger aus den USA.

Einbezogen wurde mit APG auch ein Vertreter aus der EU: Der Asset Manager des niederländischen Stichting Pensioenfonds ABP zählt mit einem Vermögen von zuletzt rund 616 Milliarden Euro zu den bedeutendsten Investoren weltweit – und spielt in einer Liga mit den anderen elf Organisationen, die sich in dem Bericht der Caia zum Total Portfolio Approach bekennen. Doch die Entwicklungsstadien, in denen sich die zwölf Kapitalsammelstellen befinden, unterscheiden sich zum Teil deutlich voneinander. Während sich so mancher von ihnen noch in der Anfangsphase der Erforschung des TPA-Konzepts befindet, haben andere es bereits aufgegleist und sammeln damit praktische Erfahrungen.

Alles beginnt mit Experimenten

Investoren, die mit dem Total Portfolio Approach Erfahrungen sammeln, tun dies beispielsweise anhand von Experimenten und Pilotprogrammen. Die gesammelten Erfahrungen fließen in die Kernprozesse ein. Dazu gehören zentralisierte Entscheidungsfindung, integrierte Portfoliokonstruktion, gemeinsame Verantwortlichkeitsrahmen und die kulturelle Ausrichtung der Teams. Dies ist der Punkt, an dem der TPA unternehmensweit institutionalisiert wird, berichten Jayne Bok und Aaron Filbeck.

In dieser Phase gehen die Anwender dazu über, mit anspruchsvolleren Methoden zu experimentieren. Das gilt auch für APG Asset Management. Wie es in dem Bericht der Caia heißt, haben die Niederländer „die Grenzen starrer Anlageklassenmandate erkannt“. Nun gehe es darum, den Wettbewerb um Kapital innerhalb der Grenzen der jeweiligen Organisation zu ermöglichen.

In einem nächsten Schritt erfolgt die Kapitalallokation dann nicht mehr auf Grundlage von Risikobudgets, sondern anhand des marginalen Beitrags der Asset-Klassen zum Gesamtportfolio. Railpen, der Anlageverwalter des britischen Eisenbahn-Pensionsfonds und Anhänger des Total Portfolio Approach, begann in diesem Entwicklungsstadium mit der Einführung sogenannter Matrixteams, die auf Grundlage der marginalen Auswirkungen auf das Portfolio um Kapital konkurrieren.

Investor und GP rücken enger zusammen

Was die Investmententscheider von APG Asset Management betrifft, so gab es dort in jüngster Zeit zwei nicht ganz alltägliche Anlageentscheidungen, die vor dem Hintergrund des TPA-Ansatzes, den der Pensionsfondsdienstleister verfolgt, in ein ganz neues Licht rücken: Einerseits mischt APG seinen Kapitalanlagen neuerdings Infrastructure Debt mit einem Schuss Impact bei. Das Mandat dafür erhielt das Infrastructure-Debt-Team der Fondsgesellschaft Schroders. Es geht um satte 425 Millionen Euro.

Andererseits haben sie bei APG erkannt, dass sich auch mit der Anlageklasse Wald Rendite- und Impact-Ziele geschickt miteinander kombinieren lassen. Wie Anfang Oktober 2025 bekannt wurde, erwarb der Asset Manager im Auftrag Pensionsfonds ABP über die Molpus Woodlands Group eine Mehrheitsbeteiligung an einem 70.000 Hektar großen Waldgebiet im Süden der USA. Mit einem Wert von 462 Millionen Dollar ist diese Waldlandtransaktion eine der größten der vergangenen Jahre in den Vereinigten Staaten.

Auch wenn sich die Meilensteine der zwölf Großanleger, die die Autoren des neuen Caia-Reports interviewt haben, unterschieden, so gibt es doch etwas, das sie eint. „Ein gemeinsames Thema ist die Entwicklung von Outsourcing-Beziehungen hin zu weniger, aber dafür intensiveren Partnerschaften mit GPs“, berichten Jayne Bok und Aaron Filbeck. Der Total Portfolio Approach ermögliche es Unternehmen, Manager nicht isoliert, sondern basierend auf der Interaktion ihrer Strategien mit dem Gesamtengagement und den Risikofaktoren des Portfolios zu bewerten. In diesem Zusammenhang geht es auch darum, langfristige und wiederholbare Partnerschaften aufzubauen.

Der NZ Superannuation Fund aus Neuseeland beispielsweise hat sich von einem breit diversifizierten Pool externer Manager verabschiedet und konzentriert sich nun auf eine kleinere Anzahl von Beziehungen mit hoher Überzeugungskraft. Der australische Future Fund geht noch einen Schritt weiter und betrachtet GPs als Erweiterung seines internen Investmentteams.

Bei dieser Form der Zusammenarbeit geht es vor allem darum, dass die internen Spezialisten nicht mit den GPs um Ressourcen konkurrieren. Stattdessen befinden sich alle in einem Dialog, der offene Gespräche und einen gezielteren Kapitaleinsatz ermöglichen soll – auch mit unkonventionellen oder ungewöhnlichen Strategien. Für die institutionelle Kapitalanlage sind das gute Neuigkeiten und man kann davon ausgehen, dass der Total Portfolio Approach weiter an Bedeutung gewinnen wird.

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