Recht, Steuer & IT
22. Februar 2012

Solvency II: Versicherer sehen den steigenden Berichtspflichten mit Sorge entgegen

Laut einer Studie befürchten Europas Versicherer, dass sie die Anforderungen an die Pünktlichkeit und Vollständigkeit der Daten nicht erfüllen können. Zugleich wollen sie ihren Anteil an Alternatives ausbauen.

Nahezu inflationär tauchen seit einigen Monaten immer neue Studien über Solvency II und die Auswirkungen für die Kapitalanlagen der Versicherungswirtschaft auf. In diese Riege reiht sich nun auch Blackrock ein, die im Oktober und November 2011 insgesamt 223 Versicherungen mit Geschäftstätigkeit in Europa befragen ließ, darunter auch 30 Institute aus Deutschland. Zusammengenommen decken die befragten Versicherer in Bezug auf die Assets under Management 60 Prozent des europäischen Marktes ab. Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Studie: Mehr als 90 Prozent der befragten Versicherungen sind skeptisch, ob sie die im Zuge von Solvency II gestiegenen Berichtspflichten erfüllen können. 
Sorgen bereiten ihnen vor allem die Anforderungen an die Pünktlichkeit der Berichterstattung und die Vollständigkeit der Daten. Bedenken äußerte die überwiegende Mehrheit zudem in Bezug auf die Qualität der Daten von Dritten. Die externen Datenlieferanten stehen insbesondere unter dem Druck, den geforderten Look-Through-Ansatz bei der Portfoliobewertung umzusetzen, inklusive der Portfolios von gepoolten Anlagevehikeln. „Bei der Datenlieferung, zum Beispiel durch Asset Manager, wird es vermutlich Unterschiede geben. Unter anderem deshalb wird wohl nicht jedes Versicherungsunternehmen sogleich die von Solvency II gewünschte Datenqualität liefern können“, erwartet Marcus Severin, Leiter des deutschen Versicherungsgeschäft der Financial Institutions Group von Blackrock.  
Obwohl sich die befragten Institute wegen den Anforderungen aus Säule III besorgt zeigen, hält sich die Mehrheit für gut präpariert, was ein gewisser Widerspruch in sich ist. „Hier gehen die Antworten in verschiedene Richtungen: Einerseits hält man sich grundsätzlich für gut vorbereitet, andererseits herrscht eine gewisse Skepsis, ob man die Daten in der geforderten Qualität, Vollständigkeit und im Zeitrahmen liefern kann“, so Severin. Und weiter: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Versicherungen erst jetzt bemerkt haben, welche Kapazitäten durch  die künftigen Berichtspflichten gebunden werden.“ In der Vergangenheit haben Versicherungen offensichtlich vor allem den ersten beiden Säulen zu den Kapitalanforderungen und zum Risikomanagement die größte Aufmerksamkeit geschenkt und viel Zeit verwendet, sich darauf vorzubereiten. Dass die Berichtspflichten aus Säule III einen erheblichen Aufwand erfordern, sei dabei womöglich unterschätzt worden. Laut Severin haben die Versicherungen aber inzwischen erkannt, dass sie dieser Säule mehr Aufmerksamkeit widmen müssen: „Meinem Eindruck nach ist man auf einem guten Weg, wenngleich es Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen gibt.“ Eine pauschale Aussage über den genauen Stand der Dinge lasse sich nicht treffen. 
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie Blackrock kam bereits eine kürzlich von BNP Paribas veröffentliche Studie, für die im Sommer vergangenen Jahres allerdings nur 20 Versicherungen aus fünf europäischen Ländern befragt wurden. Das Fazit dieser Studie: Die Versicherungen hinken insbesondere mit den Vorbereitungen auf Säule III hinterher. So haben 30 Prozent der Befragten in Sachen Reporting noch nichts unternommen, weitere 30 Prozent befinden sich zumindest in der ersten Planungs- und Datenanalyse-Phase. „Voll produktionsfähig ist aber noch keine der befragten Versicherungen“, führte damals Ingo Biermann, Head of Sales & Relationship Management bei BNP Paribas Securities Services, aus. Und weiter: „Von den Versicherungen, mit denen wir gesprochen haben, ist noch keine in der Lage, alle drei Säulen zu erfüllen.“ (Lesen Sie hier mehr dazu.) 
Alternatives: trotz hoher Kapitalanforderungen weit oben in der Gunst   
Wie aus der Studie von Blackrock weiter hervorgeht, plant die Hälfte der befragten Versicherungen Änderungen in ihrer Asset Allocation. Davon profitieren werden offenbar alternative Anlageklassen, wie Hedgefonds und Private Equity. Immerhin 32 Prozent geben an, ihren Anteil an Alternatives aufstocken zu wollen. In Deutschland planen immerhin 38 Prozent der Befragten, stärker in Private Equity zu investieren, und 22 Prozent wollen ihre Hedgefonds-Quote erhöhen. Dafür soll der Anteil der Staatsanleihen, der in Deutschland traditionell sehr hoch ist, abschmelzen. „Es hat uns überrascht, dass die alternativen Anlageklassen trotzt der künftigen höheren Kapitalanforderungen einen deutlichen Zuwachs erleben sollen“, erklärte Severin. Erklärend fügte er hinzu: „Das Problem ist, dass die klassischen Bond-Märkte nicht mehr ausreichend Rendite liefern. Zwar wären Aktien eine denkbare Alternative. Der Respekt vor der Volatilität der Märkte ist jedoch zu groß.“ 
Die höheren Kapitalanforderungen der alternativen Asset-Klasse nehmen die Versicherer also bewusst in Kauf, weil sie darauf setzen, dass sich dies in Form höherer Renditen auszahlt. Fast drei Viertel der befragten Versicherungen erwarten, dass ihre Änderungen in der Asset Allocation in höheren Renditen resultieren. Wie aus der Studie weiter hervor geht, wollen 53 Prozent der Befragten jedoch mit ihren Umstrukturierungen noch warten bis zu einem späteren Zeitpunkt, der näher an der Implementierung von Solvency II liegt. „Das Regelwerk ist noch nicht final gegossen. Deshalb will man noch nicht sofort loslegen“, so Severin.     
Sorge vor der drohenden Prozyklik
Dass Solvency II nicht zu einem Anstieg der Volatilität im Kapitalmarkt führen wird, davon sind lediglich fünf Prozent der befragten Institute überzeugt. Wie aus der Studie hervorgeht, sind die meisten  Versicherungsunternehmen wegen der drohenden Prozyklik besorgt. Denn wenn sich die Kapitalanforderungen bei freundlichen und steigenden Märkten reduzieren, würden Verluste aufgrund fallender Marktpreise eine Verkaufswelle in Gang setzen, was wiederum zu weiteren Verlusten führen könnte. Obwohl Eiopa dieses Problem noch lösen will, glauben die befragten Versicherungen, dass diese Ungewissheit die Planungen – insbesondere in diesem späten Stadium – zu einer Herausforderung macht.      
Zu guter Letzt sind sich die Versicherungsunternehmen darin einig, dass der Regulator die für Staatsanleihen angedachten null Prozent Kapitalunterlegung überdenken sollte. Wie aus der Blackrock-Studie hervorgeht, berücksichtigen die Institute, die mit einem internen Modell arbeiten, bereits das „tatsächliche“ Risiko, das Staatstitel aufweisen. Hingegen könnten Organisationen, die das Standardmodell nutzen, dem echten Risiko ausgesetzt werden.  
portfolio institutionell newsflash 22.02.2012/kbe
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