Alternative Anlagen
13. Mai 2022

Sonnenwende

Strahlt die Sonne, strahlen auch Photovoltaik-Investoren. Weniger sonnig sind dafür trotz der Klimaziele und gestiegener Energiepreise die Aussichten für weitere Investments in Photovoltaik. Fehlende Flächen und zähe Genehmigungen führen zu einem Mangel an Projekten. Mögliche Alternativen: Investments im Ausland, Solarthermie, Agri- oder Autobahn-PV.

International expandiert hat – nomen est omen – zum Beispiel Hep Global. Der PV-Spezialist, ansässig im schwäbischen Güglingen, legt seinen Fokus im Projektgeschäft auf die USA und hat sich dort rund fünf Gigawatt Peak an Projekten gesichert. In einem auf der Homepage publizierten Interview bezeichnet Kundenbetreuer ­Philipp Andrews Nordamerika als den für Institutionelle spannendsten Markt. „Der große Vorteil der USA ist die relativ unkomplizierte Verfügbarkeit von großen zusammenhängenden Flächen. Auf der Höhe von Nordafrika gelegen, besitzt der Süden sehr ­starke Einstrahlungswerte.“ Hinzu komme, dass die künftigen Einnahmen aus der Stromproduktion noch Steigerungspotential versprechen. Andrews: „Während in Deutschland Unternehmen Strom für rund 28 Cent die Kilowattstunde kaufen, liegen die USA bei circa 14 Cent pro Kilowattstunde.“ Da gebe es noch viel Luft nach oben.

Nicht minder spannend und renditeträchtig sind aber die ­Emerging Markets. Beispiel: Chile. In der Atacama-Wüste hat die Ärzteversorgung Thüringen einen Solarpark finanziert und ist an diesem über eine Beteiligung am PV-Spezialisten CCE auch ein Miteigner. Der Netzanschluss erfolgte vor etwa einem Jahr. Involviert in das chilenische Projekt sind auch Debt-Fonds von Berenberg. „Für die von uns aufgelegten Fonds ist La Huella das erste Projekt in ­Südamerika, und der chilenische Markt ist insbesondere durch seine PPA-­Strukturen für uns und unsere Investoren interessant“, erklärt ­Berenbergs Torsten ­Heidemann. Geografisch lässt sich über einen Standort in Äquatornähe bei Photovoltaik kaum streiten.

Von der Sonne verwöhnt ist aber auch Indien, gilt allerdings nicht unbedingt als ein so anlegerfreundlicher Standort für Infra­struktur-Investments wie Chile. Indien ist zwar berühmt als größte ­Demokratie der Welt, aber auch berüchtigt für eine sehr große ­Bürokratie. Genehmigungen können also auch etwas länger dauern. Bedenklich mag auch stimmen, dass Indien erst im Jahr 2070 CO₂-neutral sein will und sich bei US-Abstimmungen zu den Russland-Sanktionen der Stimme enthalten hat. Die Advace Group, ein internationaler Spezialist für grüne Infrastruktur-Investments, teilt zum Standort Indien mit, dass man dort viel Konkurrenz durch ­lokale Versorger und eine relativ niedrige Vergütung sehe. Somit sei das standortspezifische Risk-Return-Verhältnis insbesondere nach Währungsrisiken nicht besonders attraktiv. Bei Thomas Lloyd sieht man dies anders. Dieser Asset Manager schließt über reverse Auctions Power Purchase Agreements (PPAs) über 25 Jahre mit einzelnen Bundesstaaten ab. „Mit diesem Staatsrisiko können wir Renditen von zehn bis zwölf Prozent im Jahr erzielen“, erklärt ­Nandita Sahgal Tully. Die Infrastrukturspezialistin der Thomas Lloyd Group verantwortet die Investitionen auf dem indischen ­Subkontinent. Bei der Auswahl der Risiken ist Tully wählerisch. „Insgesamt gibt es 28 indische Staaten. Von diesen haben nur zehn Staaten einen für uns akzeptablen Track Rekord. Investiert sind wir in sechs Staaten.“ Auswahlkriterien sind für Tully die jeweilige ­Regierung, die Verfügbarkeit von Grundstücken und die Sonneneinstrahlung. Ein Auswahlkriterium ist aber auch die Netzverfügbarkeit. Denn anders als beim EEG wird nur der Strom vergütet, der auch beim Nutzer landet. Bei den Netzen habe sich jedoch vieles verbessert und mittlerweile sei auch die künftige Verfügbarkeit transparent – auch in Abhängigkeit von weiteren Power-Projekten.

Indischer Solarstrom kann zumindest im Fall von Thomas Lloyd auch für Impact-Investoren interessant sein. Laut Tully wird dieser auch sozialen Aspekten gerecht, Land Grapping sei kein Thema. „In Indien gibt es viel Wüste. In einer Demokratie wie Indien kann man auch die Landbevölkerung nicht schlecht behandeln – diese stellt schließlich die Mehrheit der Wähler.“ Zudem schaffen die ­Anlagen zumindest in der Konstruktion viele Arbeitsplätze und ­haben danach im Betrieb positive Sekundär- und Tertiäreffekte. ­Positiv ist auch die Entwicklung bei der Bürokratie. Im Ease-of-­doing-business-Index rangiert Indien 2020 zwar nur auf Rang 63. Allerdings lag Indien 2014 noch auf Platz 134. Nicht stehen lassen will Tully auch die Kritik, dass der Subkontinent erst in knapp 50 Jahren CO₂-neutral sein will. „Indien braucht für seine ­Entwicklung mehr Energie. Es muss zunächst darum gehen, neue Kapazitäten zu schaffen und nicht alte Energiequellen zu substituieren.“

Nur bis Sizilien oder Spanien müssen Investoren für CSP-Kraftwerke gehen – und können dort auf Archimedes‘ Spuren ­wandeln. So wie dieser einst (der Legende nach) mit Spiegeln die römische Flotte abfackelte, erzeugen Investoren heute mit Concentrated ­Solar Power (CSP) elektrische und thermische Energie – und sind ­dabei nicht nur weniger destruktiv als Archimedes, sondern sogar deutlich produktiver als „traditionelle“ PV-Parks. „Eine CSP-Anlage ­erzeugt auf vergleichbarer Fläche etwa zwei- bis dreimal so viel Energie“, so Constantin von Wasserschleben vom Asset Manager IKAV, der eine CSP-Anlage auf Sizilien betreibt. Bei CSP erhitzen die Spiegel Salze oder andere Wärmeträger auf über 500 Grad. Der Clou: „CSP ist grundlastfähig. Diese Speicherfähigkeit ist ­neben der höheren Energieproduktion der große Vorteil“, so von Wasserschleben. Der Deutsche Industrieverband Concentrated Solar ­Power, DCSP, sekundiert, dass solche solarthermischen Kraftwerke deutlich einfacher, effizienter und kostengünstiger seien, als elektrischen Strom zu speichern. Bislang blieb der CSP-Durchbruch ­wegen technischer Kinderkrankheiten, dem großen Flächenbedarf und effizienterer Solarmodule noch aus. Der große ­Speicherbedarf in ­Verbindung mit der Silizium-Problematik sprechen aber für CSP. In größerem Stil betrieben, sinken auch die Gesamtkosten. Beachten sollte man den Wasserverbrauch. Möglich ist es aber, Salzwasser zu verdampfen und so Trinkwasser zu gewinnen.

Ein Flächenthema ist nicht zuletzt Agri-PV. In luftiger Höhe über wertvollen Ackerflächen installierte PV-Module ermöglichen eine doppelte Flächennutzung. Diese Anlagen wollen die Tank-Teller-Diskussion durch die Kombination von Photovoltaik und Photosynthese beenden. Fraunhofer-Forschungen zeigen, dass Agri-PV gerade in besonders sonnigen und trockenen Jahren Sinn machen, also eine Antwort auf den Klimawandel sein können. In normalen Zeiten sorgen die nötigen Kompromisse ­dafür, dass weniger Strom und landwirtschaftliche Produkte auf der Fläche produziert werden als separat möglich wäre, der kombinierte Ertrag jedoch höher ist. Aber: Je mehr Sonne, desto mehr Strom und desto mehr schützen die Module den Boden vor Austrocknung sowie Erosion, Hagel, Starkregen und können somit ­sogar für höhere Ernten sorgen. ­Allerdings braucht es auch extra Bewässerungskonzepte. Giselher Kühne, Managing Partner der Advace Group, die Agri-PV ausführlicher geprüft hat, sieht das Thema eher skeptisch. „Agri-PV kann den Konflikt zwischen der Land- und Energiewirtschaft bei der ­Flächennutzung abmildern, aber nicht auflösen. So entstehen große Herausforderungen in der Arbeit des Landwirts, ­beispielsweise beim Bearbeiten des Bodens mit schweren Landmaschinen ­hinsichtlich Verschmutzung und Gefährdung der verbauten ­Technologien.“ Die Wirtschaftlichkeit von Agri-PV sei durch ­Ertragseinbußen sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Stromproduktion klar eingeschränkt. „Im Moment kann Agri-PV daher nur mit spezifischen finanziellen Anreizen gelingen. In Frankreich und in anderen Ländern gibt es diese Agri-PV-Tarife ­bereits.“ Dazu passt die Aussage ­eines von Fraunhofer interviewten Landwirts. Laut diesem seien die nötigen Voraussetzungen in Deutschland nicht gegeben: „Durch den Bau der Anlage ­bekommen wir für die Fläche keine Agrarsubventionen mehr. Gleichzeitig bekommen wir für den erzeugten Strom auch keine EEG-Einspeisevergütung.“ Womöglich ist der Win-win-Effekt von Agri-PV eher in südlicheren Gefilden gegeben, wo eine lokale Stromproduktion auch besonders großen sozialen Nutzen hat. Das Fraunhofer-Institut schreibt, dass Agri-PV gerade in (semi-)ariden Schwellen- und Entwicklungsländern ihren Mehrfachnutzen ausspielen könnte.

Ebenfalls spannend: Autobahn-PV. Dabei wird versiegelten Flächen ökologischer Nutzen gegeben, indem man diese überdacht, um die Dächer mit Modulen zu bestücken. Eine Autobahn mit sechs ­Fahrspuren kommt mit Mittel-, Stand- und Schutzstreifen auf ­eine Breite von 36 Meter. Bei einem Kilometer ergibt sich somit ­eine ­Fläche von 36.000 Quadratmetern. Damit ließen sich immerhin knapp vier Megawatt produzieren – ohne Flächenkonkurrenz. Mit Autobahn-PV beschäftigt sich auch ein deutsch-österreichisch-schweizerisches Forschungsprojekt. Staatssekretär Steffen Bilger erklärt, dass man „die Vision, eine bereits versiegelte Fläche noch einmal zu nutzen, und zwar quasi für die Erzeugung der Energie, die darunter durch Elektromobile gebraucht wird, einfach ver­folgen muss“. Allerdings seien solche Bauten wegen des Verkehrs ­eine besondere technische Herausforderung. Erforscht werden kleinere Flächen. Dagegen will Energy-Pier in der Schweiz zwei ­Pilotprojekte mit Längen von 1,6 und 2,5 Kilometern umsetzen.

Wie bei Agri-PV bremsen auch bei Autobahn-PV die Kosten. ­Faktoren wie Lärmschutz und Biodiversität – Agri-PV führt zu kleinteiligerer Landwirtschaft, Überdachungen von Autobahnen ­erleichtern Wildwechsel – könnten aber weitere Impulse geben. Kurzfristig konkreter sind jedoch die Schwellenländer und CSP.

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