Investoren
12. März 2020

Spezialfonds mit 42.000 Anlegern

Kommunen, die mit Kapitalanlagen eine langfristige und generationengerechte Zukunftsvorsorge betreiben wollen, haben verschiedene Hindernisse zu überwinden. Dazu zählt der notorische Hang der Politik, kurzfristig soziale Wohltaten zu verteilen. Ein anderes ­Problem ist, dass sich nur wenige Asset Manager auf die Anlagebedürfnisse von kleineren Kommunen einlassen wollen.

Herr Tolkemitt, wie arm oder reich sind die deutschen Kommunen?

Dirk Tolkemitt: Nur wenige Kämmerer ­wissen nicht wohin mit dem Geld. Diese Kollegen, die eher im süddeutschen beheimatet sind, befürchten aber, mit Fonds­anlagen Vermögensverzehr zu betreiben. Dabei ist aufgrund der Negativzinsen bei Festgeldanlagen der Verzehr des Vermögens sicher.
Hier im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist es so, dass viele Kommunen unter den gestiegenen Sozialausgaben leiden – aber auch darunter, dass man es versäumt hat, andere Strukturen zu etablieren.

Und wie geht es Ihrer Kommune, der Alten Hansestadt Lemgo?

Tolkemitt: Vor zehn Jahren standen wir kurz vor der Überschuldung. Stand heute sehe ich uns eher im oberen Drittel von Nordrhein-Westfalen. Wir strotzen nicht vor Geld, wir haben aber Schulden abgebaut und uns strukturell neu erfunden.

Herr Gröne, wo ordnet sich der Landesverband Lippe ein?

Peter Gröne: Wir sind mit Kommunen und deren Aufgaben nicht wirklich vergleichbar. Wir sind einzigartig in Deutschland und unsere Kernaufgabe besteht darin, das ­Vermögen des ehemaligen Landes Lippe zu erhalten und die Wohlfahrt und die Kultur in Lippe zu fördern.
Der Landesverband muss seine Aufgaben komplett selbst finanzieren. Uns fiel es aber in den vergangenen Jahren schwer, die ­nötigen Einnahmen zu generieren. Unser Wald – also unser bedeutendstes Asset – leidet sehr unter dem aus den Nachwirkungen der Dürre von 2018 resultierendem Borkenkäfer-Befall.
Unter diesem Schädling leiden unsere ­Fichtenbestände. Wir waren, wie auch die anderen Waldbesitzer in Mitteleuropa, ­gezwungen, die Fichten zu fällen und zu veräußern. Durch das Überangebot hat sich der Holzpreis in etwa halbiert.

Was wird statt der Fichten angepflanzt?

Gröne: Wissenschaftlich begleitet haben wir vor zwei Jahren große Flächen mit ver­schiedenen Baumarten bepflanzt. Die Ergebnisse erhalten wir jedoch erst in ­Dekaden. Angepflanzt haben wir beispielsweise ­Douglasien, Mammutbäume oder Küstentannen. Relativ sicher ist bislang nur, dass künftig die Fichte von untergeordneter ­Bedeutung sein wird.

Tolkemitt: Viele private Waldbesitzer in Nordrhein-Westfalen haben nur Fichten, und nun ist deren Existenz bedroht. Absehbar ist, dass die Fichten-Monokulturen der Vergangenheit angehören. Die Fichte ist ein Flachwurzler und kommt deshalb nur schlecht an Grundwasser. Je trockener ­jedoch der Sommer, desto mehr braucht es Bäume, deren Wurzeln in die Tiefe geht.

Wie müssen wir uns die Arbeitswoche eines Kämmerers vorstellen? Besteht diese vor ­allem aus Schuldenmanagement, Kapitalanlage oder Gemeinderatssitzungen?

Tolkemitt: Hauptsächlich bin ich hier in der Kommunalverwaltung mit der Strategie­planung beschäftigt. Ich verstehe die ­Position eines Kämmerers wie die eines CFO eines Unternehmens. Ich bin nicht operativ im Kreditmanagement oder in der Buchhaltung tätig. Ich will Innovationen anregen und das Geld wirkungsorientiert einsetzen – und diese Wirkung auch ­messen! Was in Kommunen nämlich gerne passiert, ist allen Recht zu geben und für ­alles Geld auszugeben. Hier in Lemgo ­haben wir sechs strategische Stadtziele, an denen wir uns orientieren.

Woran orientiert sich die Kapitalanlage? Was ist der regulatorische Rahmen eines Kämmerers?

Tolkemitt: In Nordrhein-Westfalen gibt es vom Innenministerium einen Erlass für kommunale Wertanlage. Laut diesem ­haben wir die Gelder so wie kommunale Zusatzversorgungskassen anzulegen.
Gröne: An erster Stelle steht bei der Geld­anlage die Sicherheit. Vermögenswerte sind zu erhalten. Erst dann kommt die Rendite.
Daraus resultieren gewisse Restriktionen, die wir über Anlagerichtlinien noch einmal detailliert ausformuliert haben. Beispielsweise ist die Aktienquote auf 35 Prozent ­begrenzt und Fremdwährungen sind aus­geschlossen.

Warum legen Sie überhaupt Geld an und ­tilgen nicht Schulden?

Tolkemitt: Mit der Kapitalanlage in ­unserem Spezialfonds sichern wir unsere Lasten aus den Beamtenpensionen ab. Mit der Ein­führung der doppischen Haushaltsführung wurde dieses Risiko offensichtlich. Diese Verbindlichkeit beläuft sich auf etwa 40 ­Millionen Euro. Ein versicherungsmathematisches Gutachten hat ergeben, dass ­unsere Pensionsaufwendungen mit dem Renteneintritt der geburtenstarken Jahr­gänge dramatisch ansteigen.
Unser Ziel ist, dass der prozentuale Anteil der Pensionsaufwendungen am Haushalt konstant bleibt. Darum haben wir einen Spezialfonds aufgelegt, diesem laufend ­Mittel zugefügt und einen Asset Manager ausgewählt.
Es kann ja nicht sein, dass ­künftige Generationen für diese Pensionslasten pro Jahr ­eine Million mehr auf­wenden müssen. ­Dieses Geld fehlt dann für Kindergärten oder Schulen. Das ist unsere Motivation.
Darum haben wir auch nicht nur eine ­bilanzielle Rückstellung gebildet, sondern wirklich Cash hinterlegt. Auf der Aktivseite einer Kommune stehen Schulen, Straßen oder Kindergärten. Das ist aber kein Ver­mögen, das liquidierbar ist und einen Marktwert hat. Ich kann schließlich keinem ­Pensionär ein Stück Schule geben.

Wie weit ist die Vermögensbildung ­gediehen?

Tolkemitt: Noch sind wir in der ­Aufbauphase, das Volumen liegt bei 25 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2025 führen wir dem Spezialfonds ­jährlich 600.000 Euro zu. Dann ­werden wir zur Haushaltsentlastung dem Fonds pro Jahr in der Spitze etwa eine ­Million Euro entnehmen.
Gröne: Unser Pensionsfonds ist mit 30 ­Millionen Euro bereits vollständig aufgefüllt und dient zum großen Teil der ­Finanzierung unserer Pensionäre. Bestücken konnten wir den Fonds mit dem Erlös aus dem Verkauf einer Versicherungsgesellschaft. Mit den Erlösen aus dem Verkauf sind in erheblichen Umfang Schulden ­getilgt worden und der Pensionsfonds ­konnte aufgebaut werden.

Warum bilden andere Kommunen keine Anlagefonds, um finanzielle Lasten zu ­bedecken?

Tolkemitt: Andere Kommunen betreiben dieses Risikomanagement nicht. Sie haben nicht die finanziellen Ressourcen oder manchmal auch nicht den Mut, sich einem Stadtrat entgegenzustellen, der das Geld ­lieber anderweitig verwenden will. Der ist aber in fünf bis zehn Jahren nicht mehr für die Geschicke der Stadt verantwortlich. Es ist ein andauernder Kampf, der Politik klarzumachen, dass die Gelder im Fonds nicht angetastet werden dürfen.
Nach meiner festen Überzeugung dürfen diejenigen, die heute keine Pensionsvor­sorge betreiben, in zehn Jahren auch nicht von der Solidargemeinschaft Geld ein­fordern. Die Sicherung der Zukunftslasten gehört genauso zur Daseinsvorsorge, wie der Bau und Betrieb von Schulen und Kitas. Der überwiegende Teil der nordrhein-­westfälischen Kommunen hat jahrelang ­keine Vorsorge getroffen und Strukturen nicht verändert. Momentan sehe ich dort auch keine Einsicht, dies zu ändern. Ich glaube, dass viele hoffen, dass das ­Beamtenpensionssystem nachträglich verändert wird oder Dritte, sprich Land und Bund, sich des Themas annehmen. Ein ­weiterer Aspekt ist, dass für die Personalgewinnung der ­Beamtenstatus wieder stärker eingesetzt wird. Aber wer das macht, der muss auch entsprechende Vorsorge treffen. Sonst ­versündigt man sich an der Zukunft.

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