Investoren
12. März 2020

Spezialfonds mit 42.000 Anlegern

Kommunen, die mit Kapitalanlagen eine langfristige und generationengerechte Zukunftsvorsorge betreiben wollen, haben verschiedene Hindernisse zu überwinden. Dazu zählt der notorische Hang der Politik, kurzfristig soziale Wohltaten zu verteilen. Ein anderes ­Problem ist, dass sich nur wenige Asset Manager auf die Anlagebedürfnisse von kleineren Kommunen einlassen wollen.

Industrieunternehmen bekommen für ungedeckte Pensionslasten schlechte Ratings, die die weitere Verschuldung erschweren.

Tolkemitt: Kommunen sind nicht insolvenz­fähig und haben darum keine Probleme, immer weiter Kredite aufzunehmen. ­Gerade in diesen Zeiten ist die Aufnahme von ­Darlehen günstig.
Vor zwei Jahren haben wir ein Schuldscheindarlehen mit 45 Jahren zu 1,9 Prozent finanziert, heute wären es eher 1,3 Prozent. Auf der kurzen Seite werde ich sogar noch dafür bezahlt, wenn ich Geld aufnehme. Die zu erbringende Tilgung wird aber in der öffentlichen Diskussion zu billigem Geld ­ignoriert und ausgeblendet. Und wenn ­Liquidität zur Rückzahlung fehlt, werden Schulden mit Schulden finanziert.

Erfordern die Besonderheiten einer ­Kommune, dass Sie für den Spezialfonds zusätzlich zur KVG (Kapitalverwaltungsgesellschaft) und zur Verwahrstelle noch ­einen Transparenzbericht benötigen?

Tolkemitt: Die Zusammenarbeit mit Rödl & Partner betrifft nicht das Reporting, ­sondern drei andere Aspekte. Einer ist die Asset-­Manager-Selektion. Wir haben hier im Haus nicht die Kompetenz, Asset Manager in ­aller Tiefe beurteilen zu können. Nach unserer Erfahrung ist es auch von Vorteil, wenn der Asset Manager zunächst nicht weiß, wer sich hinter der Mandatsanfrage verbirgt.
Anders als Experten durchdringen wir auch die Kostenstrukturen nicht in Gänze. Dank Rödl hat die Stadt vom Asset Manager auch einmal etwa 30.000 Euro zurückerhalten.
Der dritte Aspekt ist speziell für Kommunen. Politik ist recht schnelllebig. Es kann sein, dass mich ein Stadtrat Ende 2019 fragt, warum unsere Aktienquote nur bei zwölf Prozent liegt. Derselbe Stadtrat kuckt ­Anfang Februar in die Zeitung und will dann wissen, warum wir denn überhaupt Aktien haben. Hier hilft mir der Transparenzbericht darlegen zu können, dass wir unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen, sowie uns an die Anlagerichtlinie gehalten, beziehungsweise keinen „Blödsinn“ gemacht haben. Zudem erfordert auch der Erlass des Innenministeriums einen Kontrollmechanismus.
Den 80-seitige Transparenzbericht ist auch Bestandteil unseres Rechnungsprüfungs­berichts und unseres Jahresabschlusses. Zudem ist der Transparenzbericht Teil ­unseres internen Kontrollsystems.
Für all diese Aspekte ist es gut, einen unabhängigen Dritten zu haben. Schlussendlich spielen auch Haftungsfragen eine Rolle.
Gröne: Das Geld, das wir verwalten, gehört den Bürgern. Das erfordert besondere ­Aufmerksamkeit, die ich fachlich und zeitlich nicht vollumfänglich erbringen kann. Ich habe noch eine ganze Fülle völlig ­anderer Aufgaben zu erledigen. Klar ­könnten uns auch die KVG oder der Asset Manager beraten. Zu unseren Grundsätzen zählt aber, dass Beratung wirklich unab­hängig ist.
Der Bericht ist auch so aufbereitet, dass er für einen interessierten Ehrenamtler, der ja auch eine Mitverantwortung trägt, nachvollziehbar ist. Dies wiederum erhöht auch ­deren Vertrauen in die Anlagen.
Tolkemitt: Das ist ganz wichtig. In der ­Politik bauen sich manchmal Mythen auf. Darum ist es gut, auf den Bericht von ­beispielsweise dem Jahr 2017 oder 2019 ­verweisen zu können.

Finden sich darin Angaben, warum man den Einzeltitel X gekauft hat?

Tolkemitt: Nein, das ist die Aufgabe des Asset Managers. Aber es finden sich Angaben darüber, warum wir welche Aktienquote ­gewählt haben.

Ist es schwierig, einen Asset Manager zu ­finden, der die Anforderungen einer ­Kommune versteht?

Tolkemitt: Ja. Der Punkt, dass wir im ­Extremfall 42.000 Anleger vertreten, die sich sehr schnell über beispielsweise Leserbriefe Luft machen, ist eine Besonderheit. Wir agieren nicht im Verborgenen. Bei uns ist alles öffentlich und oft politisch. Deshalb haben wir einen hohen Erklärungsbedarf.
Asset Manager schätzen das oft nicht, ­gerade wenn es sich um ein großes Haus handelt, für das wir mit unseren 25 ­Millionen Euro kein bedeutender Kunde sind. Wir brauchen einen Asset Manager, der versteht, dass wir einen hohen Kommunika­tionsbedarf haben. Das ist nicht so einfach. Wir hatten einen Asset Manager, der diesen Ansprüchen nicht mehr gerecht geworden ist und uns mit Aussagen abgespeist hat wie: „Manchmal hat man gute und ­manchmal schlechte Jahre“. Den Asset ­Manager haben wir ausgetauscht und sind zur Haspa gewechselt.
Es mag für einen Asset Manager auch eine interessante Erfahrung sein, in einem Haupt- und Finanzausschuss vorzutragen. Dort bekommt man nicht nur Fachfragen.
Gröne: Es sind aber auch nur wenige ­Kommunen, die so wie wir unterwegs sind. Das macht es für die Asset-Management-Branche nicht einfach, passende Angebote aufzubauen. Wir haben uns aus ziemlich identischen Gründen vor zwei Jahren neu für Donner & Reuschel entschieden. Mit dieser Bank haben wir zum Beispiel jeden Monat eine einstündige Telefonkonferenz. Da fühlen wir uns gut aufgehoben.

Was bedeutet für eine Kommune Nachhaltigkeit? Vor allem soziale Aspekte?

Tolkemitt: Wir werden unseren Fonds ­komplett umstellen. Derzeit sind wir mit entsprechenden Dienstleistern im Gespräch und werden für uns Anlagekriterien ­erarbeiten, die ESG-Kriterien abbilden. Wir wollen aktiv agieren, bevor irgendwelche ­politischen Beschlüsse im Stadtrat auf­tauchen, dass wir dies oder das tun sollen.
Dieses Jahr stehen noch Kommunalwahlen an, da kann eine Menge passieren. Lieber machen wir dem Stadtrat Vorschläge. Die Dekarbonisierung ist aber bereits im Jahr 2016 ­erfolgt.

Für den Landesverband müsste als großer Waldbesitzer Ökologie besonders wichtig sein? Passend dazu hat der Verband in ­Windparks investiert.

Gröne: Nachhaltigkeit ist auch für uns ein großes Thema, vor allem für die Zukunft. Stand heute sind wir bei der Umsetzung aber noch nicht so weit wie die Stadt Lemgo. Wir sind derzeit noch in der Phase der Weiter­bildung. In den Jahren 2014 bis 2016 haben wir uns an verschiedenen deutschen Standorten ­Anteile an Windparks gekauft, weil uns das Rendite-Risiko-Profil zusagte. Mit dem grundsätzlichen Systemwechsel vom ­Modell der Einspeisevergütungen hin zum Ausschreibungsverfahren Ende 2016 haben wir aber keine neuen Anteile mehr erworben.
Im Jahr 2016 haben wir dann begonnen, auf eigenem Boden eigene Anlagen zu bauen. Das Projekt ist aber auf sehr viele Schwierigkeiten gestoßen. Der Grund ist, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht mehr gegeben ist. ­Seitdem bauen wir keine ­Windparks mehr.

Reichen denn die Kapitalerträge aus, um die Schlösser zu finanzieren?

Gröne: Unser Problem ist, dass wir nicht nur ein Schloss, sondern gleich zwei Schlösser haben. Zudem müssen wir viele Denkmäler unterhalten. Die tragen sich nicht von selbst. Deshalb brauche ich die Renditen aus Wald, Landwirtschaft und aus unserem Spezialfonds.

Private-Public-Partnership-Projekte (PPPs) werden von Finanzinvestoren geschätzt. Können diese denn auch in Lemgo oder ­Lippe fündig werden?

Gröne: Der Landesverband hat in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren massiv Schulden abgebaut. Somit hatten wir keine Notwendigkeit mehr, Darlehen aufzu­nehmen. Für die Zukunft sind zumindest keine großen Investitionen geplant, so dass es sich nicht lohnen wird, an den Markt zu gehen.
Tolkemitt: PPPs machen Finanzierungen derzeit teurer. Wenn, dann suchen wir Fremdkapital, wie zum Beispiel die erwähnten Schuldscheindarlehen.

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