Versicherungen
29. Dezember 2023

Staat und Investor

Sind Staat und Finanzinvestoren kompatibel? Zumindest in Deutschland bislang offenbar nur bedingt. Zu einer Änderung beitragen will die Initiative Deutsche Infrastruktur e.V., IDI, deren 5. Infrastrukturkonferenz vor kurzem in Berlin tagte. Zu einer Änderung beitragen könnte aber auch das Karlsruher Urteil. Unverändert ist auf jeden Fall – dies wurde auf der IDI-Konferenz deutlich – das Interesse der Investoren, die Infrastruktur und damit wiederum die Altersvorsorge zu finanzieren.

Hierzulande hegt die Politik gewisse Vorbehalte, die Finanzierung der Infrastruktur in größerem Stil an Investoren zu übertragen – trotz funktionierender Beispiele wie der Beteiligung von Finanz­investoren am Starkstromnetzbetreiber Amprion oder verschiedenen Projekten auf kommunaler Ebene. Andererseits hat die ­Bundesrepublik Deutschland aber grundsätzlich nach wie vor großen Finanzierungsbedarf und Versicherer sowie Pensionskassen haben großen Anlagebedarf.

Der Aufgabe, zusammenzubringen, was eigentlich gut zusammengehören könnte, hat sich die Initiative Deutsche Infrastruktur e.V., IDI, verschrieben. Auf deren 5. Deutscher Infrastrukturkonferenz in Berlin wurde auch deutlich, dass das Interesse der Investoren nach wie vor besteht, die deutsche Altersvorsorge auch mit Investments in den Erhalt oder die Neuerrichtung von Netzen und Straßen zu finanzieren. Viel institutionelles Kapital und vor allem viel Finanzierungsbedarf wäre auf jeden Fall gegeben: „Die IDI hat nun etwa 50 Mitglieder mit insgesamt 400 Milliarden Euro an Assets under Management“, berichtete Otto Hörner, Director Corporate Financial Investments sowie neuer Leiter des IDI-Arbeitskreises Regulierung & Nachhaltigkeit. „Andererseits hat die Bundesrepublik einen enormen Finanzierungsbedarf mit Blick auf Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, Energiewende und Klimaschutz sowie Energieverfügbarkeit.“

Hörner ist diese Materie sehr vertraut, weil ein Unternehmen wie BASF auf eine funktio­nierende Energie- und Verkehrsinfrastruktur ange­wiesen ist und die Altersvorsorgeeinrichtungen des Unternehmens bereits seit acht Jahren in größerem Stil in Infrastruktur investieren. Grundsätzlich, so Hörner, biete die Asset-Klasse Infrastruktur ein ideales Matching zwischen (staatlichem) Finanzierungs- und (institutionellem) Anlagebedarf. Allerdings müsse noch eine wichtige Voraussetzung verbessert werden: „Es braucht unbedingt eine Modernisierung des regulatorischen Umfelds. Daran wollen wir arbeiten“, erklärte Otto Hörner.

„Staat muss Finanzierung neu denken“

Die Bereitschaft der Investoren, Geld für Deutschlands Infrastruktur zu geben, ist auch trotz wieder vorhandener Anlageopportuni­täten auf dem Anleihemarkt gegeben – nicht nur aus finanziellen Interessen. „Es ist wieder einfacher, mit Zinsträgern die Anlageziele zu erreichen – aber das fördert nicht die ökologische Transformation“, erklärte in Berlin Martin Rohm, Vorstand der Alten Leipziger und der Infrastrukturinitiative. Ein Punkt, der jedoch künftige Infrastrukturinvestments nicht einfacher gemacht hat, ist, dass sich mit dem Zinsanstieg auch die Renditeansprüche der Anleger erhöht haben.

Andererseits kam es an diesem Tag mög­licherweise zu einem Gamechanger, der gemeinsame Investments mit der öffentlichen Hand beflügeln könnte. Quasi zeitgleich mit dem Konferenzbeginn herrschte nämlich an diesem 15. November nur wenige hundert Meter entfernt große Aufregung: In den Berliner Politbetrieb war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts geplatzt, welches die Kreditermächtigungen für den Klima- und Transformationsfonds nichtig machte.

Nun fehlen dem Staat bekanntlich 60 Milliarden Euro. „Der Staat muss seine Finanzierung nun neu denken. Vieles steht jetzt auf der Kippe“, ordnete Hansjörg Durz, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Referent auf der Konferenz, das Karlsruher Urteil für die anwesenden Kapital­anleger ein. „Die Entscheidung des Bundesverfassungs­gerichts hat wahrscheinlich große Auswirkung auf Ihren Bereich.“ Auf jeden Fall muss die Regierung trotz Nachtragshaushalt erwägen, für die deutsche Infrastruktur auch neue Wege zu gehen.

Welchen Weg der Staat einschlägt, ist noch offen. Die Rede von Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundes­ministerium für Finanzen, ließ sich nämlich in verschiedene Richtungen deuten. Einerseits bezeichnete er die IDI als „wirklich gutes und sinnvolles Unterfangen“ und sagte, dass „die Rolle der privaten Finanzierung eher größer als kleiner wird. Dies auch wegen dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts.“

Zudem betonte Toncar, dass man die Bedürfnisse der Investoren im Blick habe, und verwies auf das politische Tun: Beispielsweise habe man Erleichterungen für Infrastruktur eingeführt und diskutiere weitere Erleichterungen für langfristige Investoren im Europäischen Parlament.

Stellen sich für Infrastruktur in Positur (v.l.): Lutz Horstick, ÄVWL; Martin Rohm, ALH-Gruppe; Staatssekretär Dr. Florian Toncar; Dr. Birka Benecke, BASF; Michael Rieder, Palladio Partners.

Weiter arbeite man daran, dass Pensionskassen unterjährig unterdeckt sein können. „Das alles hilft, um privates Kapital für Infrastruktur zu verwenden“, so Toncar. Andererseits betonte der Staatssekretär in seiner Rede auch ausführlich, was die Regierung bereits alles für die Zukunft von Netzen, Schienen oder Brücken getan habe – und auch weiter zu tun gedenke: „Der Bund wird sich nicht aus seiner Verpflichtung zurückziehen. Ganz im Gegenteil: Die Investitionen des Bundes werden zunehmen.“

Transnet-Transaktion: die Öffnung der öffentlichen Hand

Fleißig investiert wird nun – und zwar privates Geld gemeinsam mit der öffentlichen Hand – zumindest schon im Südwesten der Republik. In Baden-Württemberg kamen – wie auf den vorhergehenden Seiten dieser Ausgabe beschrieben – beide Seiten in der Transnet-Transaktion zusammen. Das offizielle Closing erfolgte am 30. November. Nun halten das sogenannte Südwest-Konsortium, in dem sich mehrere Finanzinvestoren unter der Ägide der SV Sparkassen-Versicherung zusammengefunden haben, und die KfW je 24,95 Prozent an der Übertragungsnetzbetreiberin Transnet-BW.

„Diese Transaktion unterstreicht sowohl die Notwendigkeit als auch den Nutzen von privatem Kapital für den Ausbau der Infrastruktur“, betont Carsten Dentler. Der Infrastrukturexperte ist nach vielen Jahren bei UBS und Morgan Stanley heute einer der drei Geschäftsführer der Palladio Infrastruktur GmbH. Die Investment-Boutique Palladio zählt zu den Initiatoren der IDI – und fand die Transnet-Transaktion auch interessant. „Wir kennen uns mit Netzinfrastruktur aus und sind auch bei Amprion eng involviert“, bestätigt Dentler. Wie aus anderen Quellen zu erfahren war, zählten auch Copenhagen Infrastructure Partners und die Allianz zu den Interessenten.

„Übertragungsnetzbetreiber sind das Rückgrat der Wirtschaft und der Enabler der Energiewende. Als systemkritisches, reguliertes und nachhaltiges Infrastruktur-Asset passen Übertragungsnetzbetreiber per se gut für unsere Investoren“, erklärt Dentler. Schließlich arbeite man mit regionalem, langfristigem ­Fokus für inländische Anleger und investiere auch mit der öffentlichen Hand. „Dieser USP ist mit dem Südwest-Konsortium, das sehr an dem Transnet-Anteil interessiert war, gut gegeben“, erläutert Carsten Dentler, der vor dem Konsortium den Hut zieht: „Chapeau, das haben die gut gemacht.“ Mit der Sparkassen-Versicherung habe das Konsortium auch eine „klar gemanagte Schnittstelle zum Deal“.

Carsten Dentler ist optimistisch, dass sich Transnet für die Konsortialmitglieder auszahlt. Mögliche künftige Herausforderungen könnten darin liegen, dass heutige Annahmen sich in zehn Jahren als nicht mehr stimmig erweisen und ein Konsortium dann gemeinsam reagieren muss. Zudem muss sich auch der neue Eigentümerkreis zusammenfinden, sagt Dentler. Drittens müsse der Regulierer auch Verständnis für Finanzinvestoren mitbringen, sprich auf eine marktgerechte Rendite achten.

Die vier Arbeitskreise der IDI

Und damit aus dem Ländle zurück in die Bundeshauptstadt: Mit ­ihrem Timing, die Veranstaltung am gleichen Tag wie die geschichtsträchtige Karlsruher Urteilsverkündung anzusetzen, bewiesen die Veranstalter – falls es beabsichtigt war – viel Geschick. Geschichte will aber eines Tages auch die IDI selbst schreiben. Dafür rief die Initiative schon vor vielen Jahren vier Arbeitskreise ins Leben. Im Arbeitskreis Stadtwerke sollen unter anderem neue Finanzierungskooperationen eruiert werden. Der Arbeitskreis ­Regulatorik & Nachhaltigkeit arbeitet beispielsweise an einer Benchmark für Infrastruktur. Ein weiterer Arbeitskreis beschäftigt sich mit dem Problemlöser schlechthin zur Reduzierung von ­Abhängigkeiten und der Energiespeicher-Thematik: grünem Wasserstoff. Eher übergreifende Funktion hat der Arbeitskreis Politik.

Von Klima-Positiveness, Green- und Timewashing …

Infrastruktur sichert die Zukunftsfähigkeit. Und damit Infrastruktur selbst zukunftsfähig ist, muss sie nachhaltig sein – soweit die Theorie. Was aber Nachhaltigkeit in der Praxis bedeutet, diskutierte ein hochinteressantes ESG-Expertenpanel, das auf der IDI-Konferenz zusammenkam und auch in puncto Dialektik zu überzeugen wusste. Zum Start gab Wiebke Merbeth, Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung, Partnerin bei ­Deloitte und vormals Bayern-Invest, einige Impulse: „Hemmen Wirtschaftsinteressen Nachhaltigkeitsbestrebungen? Oder kann man die zwei ­Wörter tauschen?“ Weiter müsse die Branche auf ihre Akzeptanz achten und ihr ESG-Ambitionsniveau hochschrauben, wobei sie am Merbethschen Ambitionsniveau keinen Zweifel ließ: „Wir ­müssen transparenter darstellen, wofür wir stehen. Wir haben die Möglichkeit, Klima-positive Effekte in die Infrastruktur zu integrieren – und dies erweitert um Natur-positive Effekte, achten also auch auf die Biodiversität. Dies erfordert aber einen großen Aufwand.“

… und einem gewissen Nachhaltigkeitsverdruss

Die Panelisten ließen dagegen anklingen, dass sie derzeit auch gern einmal wieder ESG-positive Effekte sehen würden. So sagte Ralf Degenhart, Finanzvorstand der Debeka: „In der Praxis besteht ein gewisser Nachhaltigkeitsverdruss. Grund hierfür ist, dass die ESG-Regulierung und ESG-Berichterstattung sehr aufwendig sind und Unternehmen demographische Probleme haben, Mitarbeiter zu finden.“ Dr. Sofia Harrschar erwähnte, dass man bezüglich ESG viel Aufbruchstimmung verspürt hat, nun aber das „Ende des Honeymoon“ gekommen ist. „Die Früchte, die aus dem Wachsen, was wir gesät haben, werden wir erst in zehn Jahren sehen. Zudem stehen auch manche Nachhaltigkeitsziele in Konflikt zueinander.“

Einer bildhaften Sprache erwies sich auch Lutz Horstick, Abteilungsleiter Wertpapiere und Darlehen bei der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, mächtig: „ESG ist ein Marathon und bei diesem befinden wir uns gerade einmal auf den ersten Kilometern. Schwierig ist vor allem, dass andauernd ein 100-Meter-Läufer aus Brüssel mit einem neuen Regulierungsvorhaben angerannt kommt. Um alles einmal abarbeiten zu können, würde uns eine Regulierungspause guttun.“ An der Ernsthaftigkeit der Anleger, bei Nachhaltigkeitsthemen nicht nachzulassen, ließ Horstick aber keine Zweifel: „Jeder Investor ist sich seiner Verantwortung bewusst.“ Dieser nachzukommen, sei aber auch eine Frage des Personals.

Uneins war sich das Panel, ob es mehr oder weniger Regulierung für die Investoren aber auch für mehr Nachhaltigkeit braucht. So warb Lutz Horstick, anstatt auf eine unbeweglich machende Regulierung zu setzen, lieber dafür, mehr Pragmatismus und Proportionalität zu wagen. „Auch wenn ein Mehr an Pragmatismus auch zu einem Mehr an Greenwashing-Angreifbarkeit führt.“ Für Wiebke Merbeth hilft Regulierung, die Einfallstore für Greenwashing zu verkleinern. Zudem sollte das Thema auch keine falsche Eigendynamik bekommen: „Greenwashing ist auch ein super Argument dafür, nichts zu machen!“, so Merbeth. Auf Zeit zu spielen, also quasi Timewashing zu betreiben, ist jedoch auch keine Lösung. Dies gilt auch für den Staat, der die Sicherung seiner Finanzierungsaufgaben nicht weiter auf die lange Bank schieben sollte.

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