Pension Management
21. Mai 2021

Startschuss für Sozialpartnermodell

Das erste Sozialpartnermodell startet nach fast zweijähriger Vorankündigung nun zum 1. Juli. Obwohl sich die Gewerkschaften mit Angeboten ohne Garantien schwertun, dürfte die reine Beitrags­zusage in der bAV immer mehr als Alternative zu unhaltbaren ­Garantien kommen. Deswegen sollten dem Pilotprojekt bald ­weitere folgen.

Was lange währt, wird endlich gut. Dieses Sprichwort trifft wohl auf das Sozialpartnermodell (SPM) mit seiner reinen Beitragszusage (rBZ) zu. Nach vielen Monaten wiederholter Ankündigungen haben die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Versicherer Talanx im März nun den ersten SPM-Abschluss vermeldet. Zumindest sind die Verhandlungen rund um den Haustarifvertrag für rund 11.000 Talanx-Beschäftigte erfolgreich abgeschlossen worden. Das Vertragswerk liegt nun zur obligatorischen Prüfung bei der ­Bafin. Ab 1. Juli 2021 sollen Beschäftigte der Talanx-Gruppe dann Versorgungsverhältnisse zur rBZ zeichnen können.

Arbeitnehmern wird statt einer garantierten Mindestleistung (BZML) lediglich eine Zielrente zugesagt. Im Gegenzug werden Arbeitgeber von der Mithaftung für die Garantie befreit („pay and forget“). Solche Zielrentensysteme („defined ambition“) gab es hierzulande noch nicht. Neben die früher übliche Leistungszusage, die inzwischen weitgehend der beitragsorientierten Leistungszusage­ (BOLZ) oder einer BZML gewichen ist, tritt damit eine vierte ­Zusageart innerhalb der bAV.

Mit der Zielrente gehen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers auf den Versorgungsträger über, an dessen Steuerung sich die ­Tarifpartner beteiligen. An den Verzicht der Garantie knüpfen die ­Politiker aber Bedingungen. Die wichtigste: Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen sich für die Betriebsrente einvernehmlich auf eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder – über eine Direktversicherung – einen Lebensversicherer einigen.

Bereits im Februar 2018 hatte die Talanx über „Die Deutsche ­Betriebsrente“ – ein gemeinsames SPM-Konsortium unter Führung der Zurich-Gruppe Deutschland – eine Zielrenten-Lösung auf Basis eines kapitalmarktbasierten Pensionsfonds als Angebot ­fertiggestellt. Allein an der Nachfrage haperte es lange. Nun sind die Pensionsfonds beider Gruppen, Deutscher Pensionsfonds ­(Zurich) sowie PB Pensionsfonds (Talanx), Produktgeber des Talanx-SPM mit Verdi. Man habe nach intensiven Verhandlungen eine „Blaupause kreiert, die Verdi auch auf andere Branchen in Deutschland anwenden kann“, sagt Carsten Schildknecht, ­Vorstandschef von Zurich Deutschland. Damit setze man „auch in der bAV auf die Chancen des Kapitalmarktes“, ergänzt Talanx-­Vorstand Christopher Lohmann. Neben den Arbeitnehmerbeiträgen aus der Entgeltumwandlung der Talanx-Beschäftigten fließen auch die gesetzlichen Arbeitgeberzuschüsse in Höhe von 15 ­Prozent in die rBZ ein. „Zudem leisten die Arbeitgeber fünf Prozent ergänzenden Sicherungsbeitrag, der dem Kollektiv als zusätzlicher ­Sicherheitspuffer zugutekommt“, erklärt Fabian von Löbbecke, bei Talanx Vorstand für bAV und mitverantwortlich für „Die Deutsche Betriebsrente“. Auch ohne formellen Garantien werde ein hohes Maß an Sicherheit geboten. Gegenüber klassischer bAV gebe es ­eine etwa doppelt so hohe Zielrente für jeden Beschäftigten, ­verspricht Löbbecke. Einbezogen seien Geringverdiener mit 72 ­Euro Förderbeitrag pro Jahr sowie Teilzeitkräfte.
Interessant sind die zahlreichen Simulationen, die „Die Deutsche Betriebsrente“ seit 2018 erprobt hat. „Es zeigte sich, dass im ­Zusammenspiel mit dem Produktmodell und den Glättungsmechanismen die Zielrenten planmäßig gehalten werden konnten“, berichtet Lars Golatka, Bereichsvorstand bAV bei Zurich und ­Vorstandschef des Deutschen Pensionsfonds. Die Simulationen ­erfolgten auf Basis realer Investments, denn die Talanx hat bereits vor einiger Zeit 100 Millionen Euro in den Pensionsfonds eingespeist. Der Mix aus 50 Prozent Aktien und 50 Prozent Renten brachte ­bislang 20 Prozent Rendite, betont Löbbecke (siehe Grafik).

Durchführung und Steuerung seien von Verdi intensiv geprüft worden. „Es gibt keine Ablösung oder Verschlechterung bereits ­bestehender Zusagen durch das neue SPM“, erklärt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Das bestehende Aufsichts­regime beim Pensionsfonds hält er für den besseren Weg als für das SPM eine gemeinsame Einrichtung der Tarifpartner neu zu schaffen. Mit der Blaupause werde es leichter, weitere Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften vom Zielrentenkonzept zu überzeugen,­ hofft Golatka. Von Verdi war bereits im Februar auf ­einer virtuellen bAV-Fachkonferenz der Hochschule Schmalkalden zu hören, dass die Gewerkschaft eine Fortsetzung plant. „Neben dem Haustarif-SPM mit Talanx sind zwei weitere Branchentarifverträge in der Pipeline, in einem Fall gemeinsam mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie“, sagte Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik bei Verdi. Namen wollte Kerschbaumer auf Nachfrage von portfolio institutionell auch Ende März noch nicht nennen. Verdi erwartet in jedem einzelnen Fall ­einen essentiellen Beitrag der Arbeitgeber als Ausgleich zu den fehlenden Garantien bei der rBZ, da dies Gewerkschaftsmitgliedern sonst „fast unmöglich schmackhaft gemacht werden kann“.

Wie ist das bei anderen Produktanbietern? Im „Rentenwerk“ hatten sich bereits 2017 fünf Lebensversicherer, deren Obergesellschaften Gegenseitigkeitsvereine sind, zusammengetan, um gemeinsam ein SPM anzubieten: Barmenia, Debeka, Gothaer, Huk-Coburg und Stuttgarter. „Es gibt noch keine Abschlüsse für die fondsgebundene Direktversicherung, die sich flexibel anpassen lässt“, hieß es auf Nachfrage bei der Debeka. Der Genossenschaftsverbund seinerseits kreierte im März 2018 eine SPM-­Lösung: Die R+V Lebensversicherung sowie Union Investment ­Privatfonds offerieren für jede Branche ein Zielrentenprodukt. Das Angebot erfolgt über die ­gemeinsame Tochter R+V Pensionsfonds. Der Versicherer ­übernimmt beim SPM alle Aufgaben, die mit der Führung der ­Gesellschaft, Beratung und Kundenbetreuung ­verbunden sind. Union Investment als Asset Manager gestaltet den entsprechenden Spezialfonds. Auch hier „gibt es nichts Neues“, teilt die R+V mit. Ende Juli 2018 wurde zudem die „Initiative ­Vorsorge“ geboren, ein Konsortium der Lebensversicherer Alte Leipziger, LV 1871, die ­Bayerische und Volkswohl Bund. Für die Geldanlage hat sich das Konsortium die HSBC Global Asset ­Management Deutschland ins Boot für die „Lebensrente“ geholt. Auch hier gibt es noch keinen ­Abschluss. Man hofft, „dass mit dem Talanx-SPM das Eis gebrochen wurde und weitere Abschlüsse ­folgen“, so eine Sprecherin. Ähnlich ernüchternd ist die Lage bei der Signal-Iduna-Gruppe, die schon seit Mitte 2018 eine Direktversicherung ohne Garantien ­parat hält. „Einen Abschluss gibt es bis heute nicht“, so ein Sprecher auf Nachfrage. So ist es auch bei der Sparkassen-Finanzgruppe. Unter der Federführung von S-Pensionsmanagement haben ­öffentliche Versicherer, die Deka-Bank, der bAV-Berater Heubeck und die Sparkassen schon seit Juli 2018 SPM-Vorschläge vorliegen.

Objektiv dürfte der Zulauf zur rBZ nur noch eine Frage der Zeit sein, denn das Garantieniveau für Neuverträge in der bAV muss aufgrund anhaltender Niedrigzinsen weiter reduziert werden. Das BMF will den Höchstrechnungszins für Neuverträge in der ­Lebensversicherung zum 1. Januar 2022 von 0,9 auf 0,25 Prozent absenken. Die Pensionsaktuare fordern, zusammen mit dieser Senkung auch den 100-Prozent-Beitragserhalt in der Riester-Rente und bei der BZML in der bAV zu reduzieren, weil sonst die Kosten keine Rendite mehr zulassen und nur noch risikoarme Kapitalanlage­ möglich wäre ­(siehe Seite 28/29).

Und wie sieht es beim Tarifabschluss Metall/Elektro aus, der ­immernoch verhandelt wird? „Die Metallindustrie ist beim SPM zurückhaltend, da unsere Tarifverhandlungen auf Zukunftssicherung und Beschäftigung in der Krise zielen“, erklärte Karsten ­Tacke, Hauptgeschäftsführer von Pfalz-Metall schon Ende vergangenen Jahres. Entgeltumwandlung sei ein Thema, aber das SPM dafür nicht geeignet. Zudem müssten Arbeitgeberbeiträge für das SPM erst mal verdient werden. „Aktuell gibt es dafür aber keinen Verfügungsrahmen“, so Tacke. „Das SPM steht nicht oben auf der Agenda neuer Tarifverhandlungen“, bestätigt Kerstin Schminke, Tarifexpertin der IG Metall. Kein Wunder: Das SPM ist absolutes Neuland. Gehen die Anlage-Hoffnungen nicht auf, fällt das den ­Gewerkschaften auf die Füße.

Autoren:

Schlagworte: | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert