Stiftungen
26. November 2025

Stiftungen: Zurück in die Zukunft

Nach Niedrigzinsphase und Zinsschock schwenken einzelne Stiftungen wieder zurück und stocken ihre Zinsanlagen massiv auf. Ein einseitiger Fokus auf Anleihen könnte sich im nächsten Inflationsschock jedoch rächen.

Stiftungen gelten zwar als klassische 60-40-Investoren, allerdings entwickelte sich ihre Kapitalanlage in den vergangenen Jahren deutlich weiter. Und wahrscheinlich war das klassische Stiftungsrezept mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen schon früher in Deutschland eher die Ausnahme.

Der Bundesverband der deutschen Stiftungen zählt mehr als 25.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts, deren Vermögen von 100.000 Euro bis hin zur Robert-Bosch-Stiftung mit 5,3 Milliarden Euro reichen. Diese Bandbreite bedingt Unterschiede in der Expertise und den Ressourcen, die für die Kapitalanlage bereitstehen. Der gemeinsame Nenner: Im Vordergrund steht für Stiftungen meist der reale Kapitalerhalt nach Inflation und dazu ein Cashflow, mit dem die Stiftung ihre Zwecke aus dem laufenden Einkommen heraus erfüllen kann. Wie der in den kommenden Jahren am besten zu erreichen ist, da unterscheiden sich die Ansichten.

Lange schreckten insbesondere kleinere Stiftungen davor zurück, höhere Aktienquoten einzugehen. Das war auch nicht unbedingt nötig: Bis zur globalen Finanzkrise 2008 konnten ausreichende Erträge meist aus Zinsen und risikobewussten Rentenanlagen erwirtschaftet werden, erklärt Patrick Wedekind, stellvertretender Leiter Vermögensmanagement beim Deutschen Stiftungszentrum. Die oftmals geringe Aktienbeimischung ergänzte viele Portfolio lediglich, so Wedekind. „Die Risikoaversion stand im klaren Vordergrund der Stiftungen und der Stiftungsorgane in der Anlagenallokation“, so der Anlageexperte. Auch Philip Schätzle, Geschäftsführer bei Metzler Asset Management, hat die Erfahrung gemacht, dass Stiftungen zu der Zeit oft eher in Richtung einer 70-30-Allokation zugunsten von Anleihen tendierten.

Vorstoß in neue Anlageklassen

Das änderte sich, als in den 2010er Jahren der risikolose Zinssatz signifikant gesunken war und Stiftungen kaum noch nennenswerte Erträge aus Kupons generieren konnten. Viele expandierten in der Folge auf neue Investitionsfelder und nutzten zunehmend alternative Anlagemöglichkeiten. „Aus der Not heraus wurde vielfach eine Tugend gemacht: Stiftungen haben ihre Portfolios breiter diversifiziert und vermehrt in Aktien, Immobilien und zunehmend auch in Private Markets wie Infrastruktur investiert, um weiterhin stabile Erträge zu erzielen“, sagt Metzler-Geschäftsführer Schätzle.

Hatten konservative Anleihen wie deutsche Bundesanleihen schon in den 2010er Jahren ihre Rolle als Zinslieferanten eingebüßt, so ging der Nimbus der Sicherheit 2022 endgültig verloren, als Inflation und Zinsen mit Macht zurückkehrten. Statt des Emittentenrisikos trat nun das Zinsänderungsrisiko auf den Plan: Langlaufende Bundesanleihen brachen um bis zu 30 Prozent ein und versagten auch als Diversifikator für die gleichzeitigen Kursverluste am Aktienmarkt. Auf das höhere Renditeniveau am Rentenmarkt haben die Stiftungen in der Portfoliosteuerung seitdem unterschiedlich reagiert: „Einige verringerten ihre Aktienquote zugunsten der wieder höheren Kupons, während andere die während der Niedrigzinsphase etablierte Struktur schätzen gelernt hatten“, so Wedekind. „Seit dem Zinsanstieg 2022 erleben wir eine Renaissance der Anleihe“, sagt auch Metzler-Geschäftsführer Schätzle. Erstmals seit über einem Jahrzehnt boten Bonds wieder attraktive Renditen bei moderatem Risiko – was für viele Stiftungen eine willkommene Ergänzung darstellt. Die Frage ist, wie weit man in der Asset-Allokation zur alten Normalität vor der Niedrigzinsphase zurückkehren möchte. Denn die Lehre aus 2022 ist, dass auch Durationsrisiken bei Anleihen beachtlich sein können.

In Deutschland nutzen heute insbesondere mittlere und große Stiftungen die Möglichkeiten der Finanzmärkte umfassend. Lukas Schmelz, der bei Metzler institutionelle Kunden betreut, sagt: „Größe schafft Möglichkeiten – auch in der Vermögensanlage.“ So könnten große Stiftungen auf eigene Strukturen wie individuelle Vermögensverwaltungsmandate zurückgreifen oder aber in Asset-Klassen wie Private Markets investieren, die kleineren Stiftungen schwerer zugänglich sind. „Kleinere Stiftungen setzen häufiger auf liquide, standardisierte und dadurch kosteneffiziente Anlageformen, wie Publikumsfonds und ETFs – was keineswegs ein Nachteil sein muss“, so Schmelz: Entscheidend sei weniger die Größe, vielmehr die klare Definition des Handlungsrahmens über Anlagerichtlinien und die konsequente, langfristige Umsetzung.

Temporärer Vorsprung liquider Anlagen

Die Jahre seit 2022 waren vor allem positiv für die liquiden Anlagen. Dagegen litten die illiquiden Märkte unter geringen Rückflüssen sowie Exits und auch die Immobilien blieben unter Druck. Wie sich das auswirkt, zeigen auch Zahlen aus den USA und Kanada, wo der College- und Universitäts-Verband Nacubo jedes Jahr die Anlageergebnisse nordamerikanischer Endowment-Fonds untersucht. Und da erzielten die kleineren Fonds in 2024 im Schnitt klar höhere Anlagerenditen als die größeren Endowments wie Yale oder Harvard. Der Grund: Gerade die kleineren Stiftungen investieren meist deutlich stärker in Aktien und Anleihen und profitierten von den hohen Erträgen an diesen liquiden Märkten, während große Stiftungen mit hohen illiquiden Quoten deutlich zurückblieben. Dasselbe Muster zeigte sich bereits 2023 und dürfte sich bei den gegenwärtigen Markttrends auch im Fiskaljahr 2025 wiederholen.

Die Carl-Zeiss-Stiftung, deren Größe der Bundesverband Deutscher Stiftungen mit knapp einer Milliarde Euro angibt, zählt sicher zu den großen Stiftungsanlegern in Deutschland. Hannes Banzhaf, Leiter Kapitalanlage bei der Carl-Zeiss-Stiftung, lässt sich vom zeitweisen Vorsprung der liquiden Märkte nicht beirren: Die starke Performance der wichtigen US-Aktienmärkte sei neben den Gewinnsteigerungen der Unternehmen zu einem signifikanten Anteil auf Bewertungsausweitungen zurückzuführen, so Banzhaf. „Zukünftige Renditen korrelieren aber eng mit dem Bewertungsniveau“, sagt der Kapitalanlagen-Leiter. Die hohen Bewertungen am Aktienmarkt sollte seiner Meinung nach zu unterdurchschnittlichen Renditen in den kommenden zehn Jahren führen und für mehr Volatilität sorgen. Und die tut auch Stiftungen weh. Banzhaf sagt: „Wer behauptet, dass Volatilität für Stiftungen aufgrund des Ewigkeitshorizontes irrelevant ist, der müsste konsequenterweise mit einem hohen Rendite-Risiko-Profil anlegen. Es gibt aber nur wenige Stiftungen, die bereit sind, eine entsprechende hohe Volatilität wirklich einzugehen und auszuhalten.“ Speziell in den USA sei zudem ein Teil der hohen Gewinnmargen durch niedrige Steuern und hohe Fiskaldefizite erkauft worden. Das sei bei der hohen US-Staatsverschuldung so nicht dauerhaft zu finanzieren. Zudem seien die politischen Risiken in den USA deutlich gestiegen und der US-Dollar könnte durch Kapitalrückflüsse in andere Regionen weiter an Wert verlieren. Für Banzhaf ist klar: „Die starke Performance an den liquiden Märkten stellt die Rolle illiquider Strategien keineswegs in Frage, sondern es spricht vieles dafür, das gestiegene Risiko der liquiden Märkte, insbesondere von US-Aktien, durch andere Regionen und illiquide Strategien zu diversifizieren.“

Die Stiftung hat zuletzt insbesondere in Private Credit investiert, sowohl in Corporate Direct Lending als auch in Infrastrukturkredite. „Im Vergleich zu Anleihen schätzen wir das Rendite-Risiko-Verhältnis in diesen Anlageklassen als attraktiver ein“, sagt der Anlageleiter. Ergänzend habe man in soziale Infrastruktur und Timber investiert, unter anderem aufgrund der tiefen Korrelation zu anderen Anlageklassen, den Impact und auch um das Portfolio gegen Inflationsrisiken abzusichern. Wichtig sei gerade bei illiquiden Strategien allerdings die Selektion: „Die Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten, beispielsweise hinsichtlich der Managerqualität und der Kostenbelastung, sind teilweise sehr groß, sodass die Produktauswahl entscheidend ist.“

Mit dem breit aufgestellten Ansatz mit liquiden und illiquiden Komponenten liegt die Carl-Zeiss-Stiftung im Trend: „Insgesamt ist die Kapitalanlage von Stiftungen heute deutlich professioneller, diversifizierter und strategischer aufgestellt als noch vor zehn Jahren“, sagt Schätzle. Professionelle Stiftungsmanager sowie spezialisierte Stiftungsfonds setzen zunehmend auf dynamische Asset-Allokations-Ansätze, die schnelle Anpassungen der Gewichtung ermöglichen und flexibel auf Marktveränderungen reagieren können. Auch ESG-orientierte Strategien etablierten sich als feste Bestandteile in Stiftungsportfolios. „Das klassische Portfolio von Stiftungen hat sich insgesamt von einem eher zins- und rentenorientierten Modell hin zu einer breiteren, flexibleren Allokation entwickelt, die Aktien, alternative Anlagen, und anderweitige Investmentbausteine kombiniert“, erklärt auch Patrick Wedekind.

Doch nicht alle Stiftungen halten Kurs, einige schwenken wieder zurück auf ihre alte Asset-Allokation mit starkem Anleihen-Schwerpunkt: Eine zu massive Rückkehr in Bonds setzt die Stiftungsvermögen aber wieder stärkerem Inflationsrisiko aus. Und gerade die Inflation bereitet vielen Experten derzeit Sorgen: Eine mögliche Rückkehr überhöhter Teuerungsraten zählt zu den großen Risiken aus Sicht zahlreicher Asset Manager. So nannten in einer aktuellen Umfrage der Bank of America 27 Prozent der befragten Multi-Asset-Fondsmanager die Geldentwertung als eine ihrer Hauptsorgen, gleich nach einer möglichen KI-Blase (33 Prozent). Gerade dem Schutz des realen Vermögenswertes müsste also besondere Aufmerksamkeit gelten. „Stiftungen verfolgen unterschiedliche Anlagestrategien, um diesen Marktherausforderungen erfolgreich zu begegnen und zugleich noch den wesentlichen Punkt, den Stiftungszweck, im Fokus zu haben“, so Wedekind. Ein Element dabei sei etwa der Einsatz inflationsindexierter Anleihen in Form indexierter Bundesanleihen oder auch kombinierter Zertifikate-Strukturen, deren Erträge direkt an die Inflation gekoppelt sind. „In der Praxis werden derartige Rentenpapiere genutzt; allerdings eher in niedrigeren Gewichtungen des Rentenportfolios“, erklärt Wedekind.

Inflationsschutz im Fokus

Offensiver adressieren Realwertanlagen das Geldwertrisiko: Hier kommen insbesondere Eigenkapitalanlagen wie Aktien oder Private Equity in Frage. „Diese bieten nicht nur Potenzial für Wertsteigerungen, sondern oft auch realwirtschaftlich angepasste Dividenden, die zusätzliche Erträge generieren können“, so Stiftungs-Experte Wedekind. Besonders Private Equity könne eine attraktive Möglichkeit darstellen, um höhere Renditen anzustreben: „Derartige Investitionen in wachstumsstarke Unternehmen generieren oft Cashflows, die ebenfalls teils mit der Inflation ‚schwingen‘ und so langfristige Stabilität bieten können.“

Immer stärker in den Fokus treten auch Infrastrukturinvestitionen als eine weitere potenzielle Anlageklasse, die häufig mit langfristigen Verträgen verknüpft sein können und Einnahmen gewährleisten, die teils als inflationsgesichert anzusehen sind. „Immobilieninvestitionen beispielsweise bieten hierbei sowohl Potentiale, Kapitalgewinne als auch grundsätzliche Mieteinnahmen zu vereinnahmen, die im Unternehmenssektor in der Regel ebenfalls vertraglich an die Inflation angepasst werden, was die Ertragskraft für die Stiftung erhöht“, so Wedekind. Er sagt: „Mit jeder Anlageklasse geht allerdings auch spezielles Know-how einher, das auf Seite der Stiftung oder des Anlageverantwortlichen vorliegen sollte, um die geänderten, speziellen Anlagerisiken und -besonderheiten bewerten und umsetzen zu können. Prüfung, Kontrolle und Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen sind notwendige Schritte bei einer jeden Investition.“

Bei Metzler beobachtet Geschäftsführer Philip Schätzle: „Besonders gefragt sind unseres Erachtens Infrastrukturinvestments mit stabilen Cashflows, Inflationsschutz und geringer Korrelation zu traditionellen Asset-Klassen – und das nicht selten mit einer positiven Wirkung auf Nachhaltigkeitsziele.“ Auch Immobilien würden weiter einen attraktiven Bestandteil bilden. Er sagt: „Illiquidität ist kein Risiko, wenn man sie versteht. Im Gegenteil: Sie ist für viele Stiftungen heute eine gezielte Renditequelle.“

Bei der Umsetzung der Anlagestrategie gewinnen ETFs zunehmend an Bedeutung. Wedekind sagt: „ETFs können eine kosteneffiziente und einfache Abbildung des Marktes ermöglichen.“ Doch schränkt er ein: „Der bloße Erwerb eines MSCI World-ETFs löst nicht das gesamte Anlagethema einer Stiftung; vielmehr erfordert diese Strategie kontinuierliche Aufmerksamkeit und Pflege sowie eine aktive, stetige Auseinandersetzung mit der stiftungseigenen Anlagerichtlinie – das kommt leider oftmals zu kurz.“ Gerade bei der Umsetzung von Nachhaltigkeits- oder Impact-Kriterien weisen ETFs teils nicht das gesuchte Profil auf. Dazu kommen mit dem Aufstieg der US-Megacaps immer präsentere Konzentrationsrisiken.

Mehrwert mit neuen Produkten

Ein zweites Vehikel, das auch Stiftungen mit geringeren Anlagesummen anspricht, sind die European Long-Term Investment Funds (Eltifs): „Eltifs können für kleinere Stiftungen ein attraktives Anlageinstrument darstellen, da sie grundsätzlich den Zugang zu sonst illiquiden Anlagen mit einer langfristigen Perspektive ermöglichen“, sagt Wedekind. Sie würden Investitionen in Bereiche wie Infrastruktur oder auch Immobilien bieten, die perspektivisch inflationsgeschützte Erträge generieren sollen und so den Erhalt des im Fokus stehenden, realen Wertes des Stiftungsvermögens unterstützen können. Allerdings bestehen auch Herausforderungen, so Wedekind: „Die Produktklasse ist relativ neu, sodass Unsicherheiten bezüglich langfristiger Performances und entsprechendem Mehrwert auf Stiftungsebene bestehen können.“

Anlagerichtlinien überprüfen

Gerade alternative Anlagen erfordern eine sorgfältige Planung und Umsetzung. Stiftungsverantwortliche müssen Produkte im Detail prüfen und gegebenenfalls externe Unterstützung hinzuziehen. Wedekind rät zur fortlaufenden Prüfung nicht nur der Anlage, sondern auch der Anlagerichtlinien: „Was oft zu kurz kommt, und das sehen wir sowohl bei kleinen wie auch großen Stiftungen, ist eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen Anlagerichtlinie der Stiftung.“ Teils würden gar keine Anlagerichtlinien vorliegen; teils seien sie veraltet und ermöglichen beispielsweise keine Investition in moderne Investments. Während die Welt sich immer rascher verändert mit neuen Risiken aber auch neuen Chancen, sollten Stiftungen die strategischen Optionen ihrer Kapitalanlage bestmöglich auf die Zukunft ausrichten.

Eine betont chancenorientierte Ausrichtung hat die Shareholder-Value-Stiftung gewählt und sie muss sich mit weiteren strategischen Überlegungen nicht aufhalten. Statt eines 60:40-Ansatzes wählte sie ein 100:0 – ganz im Sinne und nach dem Willen des Stifters Günter Weispfenning legt die Stiftung ausschließlich in Aktien an. Das war in dem Zeitraum seit der Gründung im November 2003 sicher keine schlechte Idee: Der deutsche Aktienindex Dax hat sich seitdem jedenfalls mehr als versechsfacht.

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