Traditionelle Anlagen
28. August 2023

Taxonomie-Angaben fehlt oftmals die Aussagekraft

PWC-Studie: Finanzinstitute erheben Taxonomie-Kennzahlen noch weitgehend uneinheitlich. Portfoliounternehmen nutzen oft nicht die Mustertabellen der EU-Kommission.

Die Berichterstattung von europäischen Finanzinstituten und Industrieunternehmen nach der EU-Taxonomieverordung ist bisher wenig aussagekräftig und vergleichbar – zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PWC. Für die Studie wurden in Europa veröffentlichte Taxonomie-Angaben und dazu die Berichte von 146 Finanzinstituten und 706 Industrieunternehmen für das Geschäftsjahr 2022 untersucht. Stichtag für die analysierten Veröffentlichungen war der 30. April 2023.

Zum Hintergrund: Die Taxonomie – ein einheitliches Klassifikationssystem – soll für Klarheit darüber sorgen, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig einzustufen sind. Die Taxonomie unterscheidet dabei nach taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Tätigkeiten. Taxonomiefähig sind Wirtschaftstätigkeiten, die sich prinzipiell einer oder mehreren vordefinierten Wirtschaftsaktivitäten zuordnen lassen (Eligibility). Taxonomiekonform sind solche Tätigkeiten, die die zugehörigen Kriterien (Technische Bewertungs- und Mindestschutz-Kriterien) auch erfüllen (Alignment).

Seit Anfang 2022 müssen große, börsennotierte Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden darüber berichten, wie groß jeweils der Anteil ihrer taxonomiefähigen Wirtschaftstätigkeiten bei Umsätzen, Investitions- und Betriebsausgaben ist. Seit Anfang 2023 müssen sie erstmals über die Taxonomiekonformität ihrer Tätigkeiten vollständig berichten.

Finanzunternehmen fehlen Angaben der Portfoliounternehmen

Finanzinstitute müssen ebenfalls angeben, in welchem Umfang ihre Asset- und Finanzierungsportfolien taxonomiefähig sind, sie sind jedoch dazu auf die berichteten Daten der Industrieunternehmen in ihrem Portfolio angewiesen. Deshalb müssten Finanzinstitute erst ab 2024 vollständig über die Taxonomiekonformität berichten. „Die wichtigsten Kennzahlen zur EU-Taxonomie, die Taxonomie-KPIs, berechnen Finanzunternehmen auf Basis der Daten ihrer Geschäftspartner, also überwiegend von Nicht-Finanzunternehmen, die sie finanzieren“, sagt Christoph Schellhas, Partner und Financial Services Sustainability Leader bei PwC Deutschland. „Folglich hängt die Qualität der Berichterstattung von Finanzinstituten stark davon ab, wie gut die Berichterstattung ihrer Geschäftspartner, also der Industrieunternehmen, ist.“

Ein Drittel erklärt separat

Die Hälfte der Finanzinstitute veröffentlicht die Taxonomie-Angaben im Geschäftsbericht, ein Drittel weist sie in einer separaten nichtfinanziellen Erklärung aus. Auffällig sei hier: Die berichteten taxonomiefähigen Kennzahlen haben eine große Spannbreite. Das ließe auf unterschiedliche Erhebungsmethoden schließen, so PWC. Intransparent bliebe zudem meist, wie die Finanzinstitute ihre Taxonomie-Kennzahlen berechnen: Manche veröffentlichten lediglich die bloßen Kennzahlen, andere erläuterten sie.

Regulierung wird ab dem kommenden Jahr schärfer

Viele Finanzinstitute bemängeln allerdings die Taxonomie-Berichterstattung beziehungsweise die Qualität der Daten, die sie von den Industrieunternehmen für ihre eigene Berichterstattung erhalten. Christoph Schellhas: „Bei den Banken besteht eine doppelte Komplexität: Zum einen erheben sie selbst die Daten nicht einheitlich, zum anderen sind sie stark von ihren Portfoliounternehmen abhängig – und deren Datenqualität ist leider noch nicht optimal. Ab dem kommenden Jahr werden jedoch auch für Finanzinstitute von der EU-Kommission erarbeitete Templates verpflichtend. Das wird sicherlich zu mehr Vereinheitlichung führen.“

Langfristig wichtige Kennzahl

Mit der EU-Taxonomie will die Europäische Kommission die Finanzierung nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten fördern und so die Ziele des Pariser Klimaabkommens sowie des EU Green Deals erreichen. Die Verordnung zielt auf einen gemeinsamen Rahmen für die Bewertung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Unternehmen ab. Damit sollen unter anderem Vergleichbarkeit und Transparenz hergestellt werden. „Um die gewünschte Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit der Daten zu erzielen, haben sowohl Industrieunternehmen als auch Finanzinstitute noch einige Herausforderungen zu bewältigen“, sind sich Nadja Picard und Christoph Schellhas von PwC Deutschland einig. „Langfristig werden die Taxonomie-Angaben von Industrieunternehmen aller Voraussicht nach jedoch zu einer wichtigen Kennzahl für Investoren werden, um den Nachhaltigkeitsgrad ihres Portfolios zu bestimmen“, so Christoph Schellhas.

Portfoliounternehmen: Nur 66 Prozent nutzen Mustertabellen

Was die Industrieunternehmen, also die Portfoliounternehmen vieler Finanzunternehmen betrifft: Etwa die Hälfte der Unternehmen berichtet über die Taxonomie-Angaben im Nachhaltigkeitsbericht, etwas mehr als ein Viertel im Geschäftsbericht. 86 Prozent legen die Kennzahlen für jede Wirtschaftsaktivität offen, doch nur 66 Prozent nutzen die von der EU-Kommission herausgegebenen, verpflichtenden Mustertabellen für Umsatz, Investitions- und Betriebsausgaben (Templates) – obwohl die EU-Taxonomie genau das fordert. PWC spricht hier von Herausforderungen für die Industrieunternehmen.

Diskrepanz zwischen Taxonomiefähigkeit und -konformität

Weitere Untersuchungsergebnisse lauten: Abweichungen in der Höhe der ausgewiesenen Taxonomiefähigkeit und -konformität sind nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Branchen deutlich zu erkennen. Die durchschnittliche Konformität entspricht nur einem knappen Viertel der Taxonomie-Fähigkeit. Es besteht also eine große Diskrepanz zwischen den beiden Angaben. Das bedeutet konkret: Der durchschnittliche taxonomiefähige Umsatz über alle Industriebranchen hinweg beträgt 26 Prozent; als taxonomiekonform weisen die Unternehmen allerdings nur sieben Prozent aus.

Unsicherheit über Kriterien und mangelnde Daten

Ähnlich sind die Ergebnisse bei den Investitionsausgaben: Im Branchendurchschnitt sind 37 Prozent taxonomiefähig, aber nur zehn Prozent taxonomiekonform. Von den Betriebsausgaben sind den befragten Unternehmen zufolge 27 Prozent taxonomiefähig, aber nur acht Prozent taxonomiekonform. „Möglicherweise sind die Industrieunternehmen noch unsicher bei den Konformitätskriterien, die erforderlichen Daten sind im Unternehmen noch nicht verfügbar oder aber die Kriterien sind schlichtweg für eine Konformität noch nicht erfüllt“, hat Nadja Picard, Partnerin und Global Reporting Leader bei PwC Deutschland, dafür mögliche Erklärungen. Sie rät: „Unternehmen sollten sich weiterhin intensiv mit der EU-Taxonomie auseinandersetzen, insbesondere weil die Berichterstattung über weitere Umweltziele bevorsteht. Die Komplexität wird weiter zunehmen.“

Autoren:

Schlagworte: | | | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert