Recht, Steuer & IT
17. Februar 2020

Taxonomie: Zielvorgaben statt präziser Definitionen

Aufwendiger ESG-Dialog zwischen Investoren und Asset Managern. Accenture: Mangel an Daten, Experten – und an grünen Investments.

Die Taxonomy spaltet die Investmentgemeinde. Begrüßt wird das nachhaltige Klassifikationssystem der EU von denjenigen, die sich mehr Orientierung wünschen, und sicher sein wollen, dass die Kapitalanlage auch regulatorischen Vorgaben entspricht. Manche Anleger befürchten dagegen, dass sie aus renditeträchtigen Assets regulatorisch rausgekegelt werden. So hat die Aba Bedenken, dass die Taxonomie in der Praxis ähnliche Auswirkungen auf die Kapitalanlage wie eine Negativliste haben könnte. Gefährdet könnten aber nicht nur Renditepotenziale, sondern auch das Risikomanagement sein. Bafin-Präsident Felix Hufeld warnte davor, dass die Nachhaltige Finanzwirtschaft das Prinzip der Risikoorientiertheit gefährde: „So wichtig Nachhaltigkeit allein mit Blick auf den Klimawandel für uns alle ist: Wer eine Investitionseuphorie entfacht, die blind macht für Risiken, wer grüne Investitionen und Kredite losgelöst von ihren Risiken pauschal privilegiert, etwa mit einem Bonus bei der Kapitalunterlegung, wer diesen Weg beschreitet, der wählt den Weg in die nächste Krise – und schadet der Nachhaltigkeit. Grün bedeutet mitnichten automatisch ein geringeres Risiko!“

Die Temperatur von Portfolios

Festgezurrt ist die Taxonomie jedoch noch nicht und möglicherweise kommt es auch anders als erwartet. „Wer auf eine sehr präzise Definition hofft, wird enttäuscht werden“, prognostiziert Thomas Heinatz, Kapitalmarktexperte bei der Unternehmensberatung Accenture. „Wahrscheinlicher ist, dass die Politik Ziele vorgibt, die beispielsweise CO2-Emissionen, Wasserverbrauch oder Recyclingquoten betreffen oder auch den 17 SDGs entsprechen.“ Zuspitzend ergänzt Heinatz, dass Portfolios am Ende eine Temperatur haben werden.

Bis Ende des Jahres soll nach den Kommissionsplänen die Taxonomie für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel erstellt werden, um ihre volle Anwendung bis Ende 2021 zu gewährleisten. Für die vier anderen Ziele sollte die Taxonomie bis Ende 2021 erstellt werden, um eine Anwendung bis Ende 2022 zu gewährleisten. Bei den vier anderen Zielen handelt es sich um die nachhaltige Nutzung und den Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie um den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Standards und Siegel

Konsequenz eines Mangels an präziser Definition wird sein, dass der Dialog zwischen Anleger und Asset Manager zur Destillation einer nachhaltigen Anlagestrategie nicht nur ein paar Stunden benötigt. Um den Aufwand für die Anleger verkraftbar zu halten, sind aus Sicht von Heinatz die Verbände gefragt, entsprechende Standards zu entwickeln. Hilfreich zur Optimierung des Arbeitsaufwands sei auch die Entwicklung anerkannter Siegel.

Entwarnung gibt Heinatz bezüglich der Befürchtung, dass die Anlagemöglichkeiten für regulierte Investoren künftig stark eingeschränkt sein werden. Diese Bedenken hält der Asset-Manager-Berater für unbegründet. „Grüne Investments entstehen nicht über Nacht. Diese Entwicklung wird mehrere Jahre dauern.“ Was nun als erster Schritt anstehe, sei Transparenz darüber zu schaffen, welche Sektoren und welche Assets welche ESG-Implikationen haben. Dafür braucht es jedoch auch die entsprechenden Daten sowie Experten zur Auswertung. „Die meisten Asset Manager sind noch auf der Suche nach ESG-Experten“, so Heinatz.

Die Rendite werde von dieser grünen Portfolio-Durchschau nicht tangiert. „Diese Phase muss ohne Performance-Einbußen erfolgen. Schließlich kann es nicht das Ziel von Kapitalsammelstellen sein, nur unverzinste Green Bonds zu kaufen.“ Der Accenture-Berater weist jedoch auch auf anstehende Umschichtungen von großen Playern wie Blackrock mit entsprechenden Auswirkungen auf die Marktpreise hin.

„Künftig werden wir Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Portfoliokonstruktion und unseres Risikomanagements machen“, schrieb Larry Fink in seinem diesjährigen Brief an Unternehmensvorstände. Aus Blackrock-Sicht zwingen die nicht von der Hand zu weisende Klimarisiken Anleger, ihre zentralen Annahmen zur modernen Finanzwirtschaft zu überdenken. Investoren würden zunehmend erkennen, dass das Klimarisiko auch ein Anlagerisiko ist. All dies habe eine grundlegende Neubewertung von Risiken und Vermögenswerten zur Folge. „Schon bald – und früher als von den meisten erwartet – wird es zu einer erheblichen Umverteilung von Kapital kommen“, schlussfolgert Fink.

Investoren sollten also nicht mehr allzu lange abwarten. Auf einer PRI-Veranstaltung im November sagte Michaela Attermeyer von der österreichischen Vorsorgeeinrichtung VBV, dass für alle Asset-Klassen Klimarisiken immer bedeutender werden. „Eines Tages werden sich alle Investoren bewegen müssen – und dann wollen wir nicht die letzten sein.“ Attermeyer geht davon aus, dass man innerhalb der nächsten fünf Jahre reagieren müsse.

Politik muss in Vorleistung gehen

Bis dato gibt es aber noch nicht genügend grüne Wertpapiere. Darum müsse hier die Politik in Vorleistung gehen, was in Brüssel auch diskutiert werde. Heinatz erwartet, dass es in ein bis zwei Jahren regulatorischen Support für beispielsweise Green Bonds, aber auch für die Etablierung eines Zweitmarkts für Renewables oder Wiederaufforstungen von Regenwald gibt.

Investoren haben jedoch eher den Eindruck, dass sie in Vorleistung für die Politik zu gehen haben. Dies kann Heinatz nicht verneinen. „Es braucht große Volumina, um die Klimaziele zu erfüllen. Die Investmentindustrie ist hier ein Erfüllungsgehilfe der EU.“ Die PRI selbst warnten auf der erwähnten Veranstaltung vor der „Inevitable Policy Response“ darauf, dass das Pariser 2-Grad-Ziel außer Reichweite gerät. Diese zwangsläufige Antwort der Politik werde die Kapitalanleger in die Pflicht nehmen und umso heftiger ausfallen, je stärker die Politiker wegen des Klimawandels unter Handlungsdruck geraten.

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