Strategien
30. August 2013

The real thing

Wer die Kaufkraft seines Kapitals erhalten will, hat mehrere Möglichkeiten. Den besten Schutz versprechen Inflation- linked Bonds. Dass dem tatsächlich so ist, hat die Oberfrankenstiftung erfahren. Mit Linker-Positionen im Portfolio gehört sie in Deutschland jedoch zu einer Minderheit. Viele Investoren schrecken die niedrigen realen Kupons ab.

Keiner spricht von ihr, aber sie schleicht sich heran: die Inflation. So hat die Inflationsrate in Deutschland im Juni weiter angezogen. Mit 1,8 Prozent nähert sie sich der Warnschwelle von zwei Prozent, bis zu der die Europäische Zentralbank ein stabiles Preisniveau sieht. „Wenn man sich die Inflationsdaten anschaut, dann sind diese still und leise nach oben gegangen. Das hat nur noch keiner so richtig auf dem Radar“, meint Kurt Hardt, Leiter Kapitalmarkt der Kreissparkasse Biberach. Das gilt jedoch nicht für ihn. Um das Eigenkapital seines Finanzinstituts vor Inflation zu schützen, fahren die Schwaben einen sachwertorientierten Ansatz. In dem Eigenbuch findet sich neben Wald und Aktien – mit einer Quote von knapp zehn Prozent der Bilanz­summe – auch Gold. „Wir haben die Goldbestände bereits vor über zehn Jahren angefangen aufzubauen, wobei der Inflationsgedanke­ damals nicht primär war. Diese Bestände stehen zu ihren günstigen Anschaffungspreisen bei uns im Buch“, erläutert Hardt.

Sachwerte sind nicht das einzige verfügbare Hedging-Instrument. Den besten Schutz, um die Kaufkraft des eingesetzten Kapitals zu wahren, versprechen Inflation-linked Bonds, da deren Kupons und Nominalbeträge an die Entwicklung eines Inflationsindexes gekoppelt sind. „Es gibt diverse Asset-Klassen, die gut mit der Inflation korrelieren. Gold, Immobilien und Aktien sind jedoch deutlich volatiler als Linker“, erklärt Bernhard Urech, Head of Fixed Income Interest Rates bei Swiss & Global Asset Management. Die niedrigere Volatilität­ findet sich jedoch nicht nur im Vergleich mit Real Assets, sondern auch mit nominalen Anleihen. „Typischerweise sind reale Zinsen weniger­ volatil­ als nominale. Das ist empirisch belegt und macht auch intuitiv Sinn. Bei Realzinsen gibt es nur einen Grund für Schwankungen, nämlich eben die Realzinsbewegung. Bei nominalen Zinsen kommt noch ein zweiter Grund hinzu: die Inflation beziehungsweise Inflations­erwartung. Daraus ergibt sich logischerweise, dass sie tendenziell volatiler sind als Linker“, so Urech. Dieser Zusammenhang besitzt jedoch keine generelle Gültigkeit. Gerade derzeit zeigen sich Linker von ihrer besonders volatilen Seite. „Im Moment haben wir viel Realzinsbewegung und wenig Bewegung der Inflationserwartungen, so dass nur einer der beiden Gründe zum Tragen kommt. Die ­Zinsrallye war davon getrieben. Das macht die Inflation-linked Bonds überdurchschnittlich volatil“, räumt Urech ein. Ungeachtet dessen steht für ihn fest: „Linker sind eine Low-Volatility-Asset-Klasse und mittelfristig ein guter Diversifikator für das Portfolio.“ Mit dieser ­Meinung steht er nicht allein. Die risikoreduzierende Wirkung in der Asset Allocation­ sieht auch Berdibek Ahmedov, verantwortlicher Produkt­manager für Real-Return-Strategien bei Pimco: „Inflation-linked Bonds sind über die Zeit mit nominalen Anleihen niedrig und mit Aktien niedrig und leicht negativ korreliert.“ Dieser Effekt tritt aber keineswegs in allen Marktphasen auf. „Wenn die realen und ­nominalen Sätze gleichzeitig steigen, können Linker und nominale Bonds eine­ stärkere, positive Korrelation haben“, so Ahmedov. Den Diversifikationseffekt liefern Linker also vor allem in Zeiten hoher Inflation­ und Inflations­erwartungen.

Inflationsschutz als Luxusgut

Inflationsschützend und risikoreduzierend: Mit diesen beiden Argumenten auf ihrer Seite müssten Linker eigentlich heiß begehrt sein unter institutionellen Investoren, allen voran bei Stiftungen und Versorgungswerken, die eine reale Verzinsung beabsichtigen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Den Grund für die Zurückhaltung seiner Stiftungskollegen führt Stefan Seewald, der für die Vermögensanlagen­ der Oberfrankenstiftung zuständig ist, auf den momentan negativen Realzins zurück: „Von der Idee her sind Linker super. Allerdings fehlt den meisten Stiftungen die Möglichkeit dazu, weil sie an ihren ordentlichen Erträgen hängen.“ Seine Stiftung gehört nicht zu diesen Kandidaten, Linker machen mit ein bis zwei Prozent immerhin eine kleine Allokation im Portfolio aus. Als Buy-and-hold-Investment hat die Oberfrankenstiftung 2006 bei der ersten und zweiten Emission der deutschen inflationsindexierten Anleihen mehrere Emissionen mitgezeichnet. „Die Linker sind gut gelaufen, ihre Kursposition ist schon bei 120 Prozent. Die Funktionsweise ist da, die Kaufkraft bleibt erhalten“, berichtet Seewald über seine Erfahrung mit dieser Asset-Klasse. Zugleich räumt er ein: „Wir können uns den Luxus leisten, Inflationsschutz zu betreiben. Wir gleichen die ordentlichen Erträge über andere Investments aus.“ Diesen Luxus ganz bewusst nicht leisten möchte sich die Bayerische Versorgungskammer (BVK). Zwar hat sich das Versorgungswerk den Inflationsausgleich zur Aufgabe gemacht, setzt dafür aber nicht auf Linker. „Das Problem ist, dass man nur eine niedrige laufende Verzinsung hat und den Inflationsausgleich erst am Ende bekommt. Während der Laufzeit hat man nur wenig Carry“, begründet Dr. Constantin Echter, Leiter Zinsprodukte bei der BVK. Das passe nicht zu einer jährlichen Betrachtung. „Außerdem ist der Realzins negativ, da muss die Inflation schon extrem hoch sein, um dies zu kompensieren. Wenn, dann gehen wir über CMS-Floater. Wir glauben, dass wir auch hier einen Schutz kriegen“, fügt Echter hinzu. Die Kritik an den negativen Realzinsen will Urech nicht unkommentiert stehen lassen. Er relativiert: „Die negativen realen Kupons sind kein Linker-Problem, sondern ein Zinsniveauproblem, also ein generelles Problem bei Obligationen. Die nominale Entschädigung ist auch bei Linkern kaum negativ. Der nominale Carry muss nicht schlechter sein als bei konventionellen nominalen Anleihen, ein bis zwei Prozent Carry lassen sich erwirtschaften.“

 
EVZ: Abschied vom perfekten Inflationshedge

Auf Linker verzichtet inzwischen auch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, kurz EVZ, die 2008 noch acht Prozent ihrer­ Kapitalanlagen in Inflation-linked Bonds investiert hatte. Diese Positionen wurden jedoch 2011 verkauft. Zu den Gründen erklärt Ann-Grit Schulze, Referentin für Finanzen bei der EVZ: „Grundsätzlich galt für uns die Fragestellung, welchen Diversifikationscharakter Inflation-­linked Bonds im Vergleich zu nominalen Bonds darstellen. Hier kamen unsere Gremien zu dem Schluss, dass die eingepreisten Inflationserwartungen im Kontext eines Deleveragings schon sehr hoch waren, so dass wir den höheren ordentlichen Nettoertrag bei nominalen Anleihen präferierten. Zusätzlich sehen wir durch eine stärkere Ausrichtung auf reale Anlageklassen einen besseren Hedge des tatsächlichen Inflationsrisikos.“ Welche Asset-Klassen letztlich den besten Schutz vor Inflation bieten, lässt sich für Schulze pauschal nicht beantworten: „Viel wichtiger ist die Fragestellung, wie viel Inflationsschutz denn heute schon eingepreist ist und ob dieser teuer oder billig am Markt zu haben ist, zum Beispiel bei Inflation Linkern!“

Break-even-Rate spricht für Linker

Dass der Zeitpunkt für den Kauf von Linkern derzeit nicht schlecht ist, davon ist Urech überzeugt. „Die Break-even-Inflationsrate ist fair bewertet.“ Der Swiss&Global-Mann verdeutlicht dies am Beispiel von Europa: „Die strukturelle Inflation liegt knapp unter zwei Prozent, die zehnjährige Break-even-Rate bei 1,5 Prozent. Das heißt, ich kann für die nächsten zehn Jahre den Inflationsschutz bei 1,5 Prozent einloggen. Da soll mal jemand erklären, dass das teuer ist. Dafür bräuchte es schon die explizite Erwartung, dass wir ein japanischen Szenario kriegen.“ Schützenhilfe bekommt er hierbei von Dr. Benjamin Dietrich, Portfoliomanager bei Lazard Asset Management, der die Inflationsversicherung derzeit ebenfalls für günstig hält: „Ich kann den Inflations­schutz derzeit zu Niveaus sichern, die attraktiv sind. Am ganz langen Ende kauft man sich beispielsweise in Tips wieder eine positive Realrendite von rund 1,3 Prozent ein.“ Allerdings muss dabei zwischen langen und kurzen Laufzeiten differenziert werden. „Linker weisen eine steile­ Kurve auf. Während Kurzläufer gegenwärtig meist negativ rentieren, sind die Realrenditen bei Langläufern positiv“, erklärt Dietrich. Müsste er für sein Portfolio Linker kaufen, kämen für ihn eher Langläufer infrage. Doch genau das tut er nicht. Trotz seiner Über­zeugung, dass der Inflationsschutz günstig ist, setzt Dietrich Linker im Moment nur als taktisches Mittel ein. Die Finger von europäischen Inflation-linked Bonds lässt auch der weltgrößte Anleihen­manager Pimco. „Wir glauben, dass die Inflation in der Eurozone über die nächsten Jahre wahrscheinlich unter dem EZB-Ziel von zwei Prozent bleibt – mit einer weiterhin niedrigen Inflation in den Peripherie­ländern, die durch die Target-Level-Inflation in den Kernländern kompensiert wird“, erklärt Ahmedov. Deutlich positiver ist seine Einschätzung zum US-Markt: „Im internationalen Kontext glauben wir, dass US-Tips derzeit einen besseren Value bieten, weil sie sich während des jüngsten Sell-off signifikant verbilligt haben.“     

Momentan kein Freund von Inflation-linked Bonds ist Michael Mewes, Leiter des Anleihenteams bei JP Morgan Asset Management­ in Frankfurt: „Für uns sind Linker aktuell nur ein Rand­thema, das wir durchaus im Bedarfsfall taktisch nutzen. Großbritannien ist beispielsweise ein wichtiger Markt. Dort ist die Inflation höher­ und auch volatiler. Das bietet Möglichkeiten auf der Long- und Short-Seite, die man nutzen kann.“ Ähnliches gelte für Brasilien. Seine Zurückhaltung bezüglich­ Linkern liegt nicht zuletzt an der Inflationserwartung im Hause­ JP Morgan Asset Management, die sehr niedrig ist. „Mittel­fristig sehen wir keine Inflations­gefahr für Kerneuropa. Wir sehen­ keinen Grund, sich dagegen aktuell zu schützen“, so Mewes.

Neben einer niedrigen Inflationserwartung gibt es noch einen weiteren möglichen Punkt, der Investoren vor Linkern zurückschrecken lässt: die im Vergleich zu nominalen Anleihen höhere Duration. Und so macht auch Helmuth Froschauer von Axa Investment Managers, der sich selbst als Fan von Linkern bezeichnet, genau darin eine Schwäche dieser­ Asset-Klasse aus. „In der Vergangenheit wurden viele­ 20- und 30-jährige Linker begeben. Das spiegelt sich im Index wider,­ der eine durchschnittliche Duration von zwölf Jahren hat. Dieses hohe Zins­risiko kann auf Investoren abschreckend wirken.“ Diese Tatsache kann auch Dietrich nicht von der Hand weisen, allerdings gibt er zu bedenken: „Die Duration auf dem Papier und in der Praxis ist verschieden. Das Beta einer realen Anleihe zu nominalen Zins­änderungen schwankt, über den Zyklus ist es aber kleiner als eins.“ Seines Erachtens­ kann man die Kennzahlen von realen und nominalen Anleihen nur bedingt miteinander vergleichen. Ähnlich schätzt Urech die Lage der Dinge ein: „Man darf nicht vergessen, dass es zwei verschiedene Durationen sind – eine reale und eine nominale. Das ist wie Äpfel und Birnen vergleichen.“

Mehr Sorge als die Duration bereitet ihm die Liquidität des Marktes, insbesondere in Stressphasen. „In normalen Zeiten sind Linker liquide­. ­In Jahren wie 2008 und 2009 wurden sie jedoch mit Illiquiditätsprämien abgestraft, obwohl sie das gleiche Kreditrisiko wie nominale Anleihen haben“, so Urech. Mit gut 2.200 Milliarden US-Dollar­ ist das Marktvolumen der Inflation-linked Bonds nicht zu verachten und durchaus als liquide zu bezeichnen. Das verblasst aber im Vergleich mit nominalen Anleihen. Froschauer macht dies am Beispiel der USA, dem größten Linker-Markt weltweit, deutlich: „Nur zwölf Prozent der ausstehenden Staatspapiere in den USA entfallen auf Inflation-­linked Bonds.“ In der Eurozone wird der Markt noch enger, da bisher lediglich vier Länder inflationsindexierte Anleihen begeben haben: Deutschland, Frankreich, Italien und Griechenland. Ein rein euro­päisches Linker-Portfolio erscheint angesichts dessen wenig sinnvoll. Neben­ dem Klumpenrisiko schlummert hier zusätzlich ein Bonitätsrisiko.­ „Das ist kein Linker-Problem“, gibt jedoch Froschauer zu bedenken.­ Er empfiehlt, ein Linker-Portfolio global aufzusetzen. „Weltweit haben wir zehn Emittenten bei Industrieländern, das reicht als Diversifikation aus.“ Eine ganz andere Hausnummer sind für ihn die Emerging Markets: „Die Inflation-linked Bonds aus den Schwellen­ländern sind eine ganz andere Risikoklasse. Die gibt es nur in Local Currencies, so dass man das Währungsrisiko dazu hat.“ Da die Inflations­raten allerdings deutlich höher sind, hält der Axa-Mann Emerging-Market-Linker durchaus für attraktiv: „Die Real­rendite liegt bei zwei bis drei Prozent und die Inflation bei fünf bis sechs Prozent. Das kann sehr lukrativ sein. Es kann allerdings auch mal zehn Prozent nach unten gehen, so wie es im Juni dieses Jahres der Fall war.“ Zu bedenken ist außerdem, dass der Linker-Markt der Schwellenländer noch recht jung ist. Mit rund 25 Prozent machen sie am gesamten Marktvolumen nur einen kleinen Teil aus. Von einer liquiden Asset-Klasse kann hier also nicht unbedingt die Rede sein.

Abschreckendes Beispiel: Argentinien

Die hohe Duration und eingeschränkte Liquidität mögen Gründe sein, die auf den ein oder anderen Investor abschreckend wirken. Für Kurt Hardt, Leiter Kapitalmarkt der Kreissparkasse Biberach, gibt es einen anderen wesentlichen Grund, weshalb er für den Inflationsschutz der Eigenanlagen seiner Sparkasse auf Sachwerte und nicht auf Linker setzt: „Linker hängen von einem Inflationsindex ab, den man manipulieren kann, weil sich der Warenkorb verändern lässt. Natür­lich schaue ich mir die Bedingungen und Regelungen an, unter denen ich Linker kaufe. Aber allein die Möglichkeit des Manipulierens hält uns von Linkern ab.“ Das unrühmliche Beispiel Argentiniens­ macht klar, dass Hardts Sorge nicht unbegründet ist. Das südamerikanische Land hat Papiere begeben, die an die argentinische­ Inflation­ gekoppelt sind. Doch diese Rate wird seit Jahren manipuliert. Laut der nationalen Statistikagentur lag sie durchschnittlich bei rund zehn Prozent, was nach Expertenmeinungen jedoch deutlich zu tief gegriffen ist. Viel eher sei von einer doppelt so hohen Rate auszugehen.

„Das grundsätzliche Risiko einer Manipulation des Warenkorbs besteht. Mit ihrem CPI hat Argentinien die Anleger über den Tisch gezogen“, räumt Urech ein. Dass Deutschland den CPI manipuliert, schätzt er als wenig wahrscheinlich ein. In dasselbe Horn stößt auch Lazard. „Argentinien ist ein Extrembeispiel. In Europa haben wir ein unabhängiges Institut“, erklärt Dietrich. „Über die Methodologie kann man sicher streiten, aber sie ist seit Jahren stabil. Meiner Ansicht nach ist die Inflation in Europa realistisch berechnet“, fügt er hinzu. Auch Froschauer geht von einer realistischen Darstellung der Inflation­ aus – zumindest in Europa. Allerdings weiß er auch: „Die offizielle Inflation­ ist immer nur der kleinste gemeinsame Nenner.“ Als Beispiel­ zieht er die USA heran, die in ihre Inflation zu 30 Prozent die Mieten einpreist. „Wenn ich kein Mieter bin, sondern Hausbesitzer, ist das für mich gar nicht relevant“, merkt Froschauer an. Und fügt hinzu: „Die gefühlte Inflation ist immer höher als die offizielle. Die gefühlte Inflation kann mir aber niemand zahlen.“  

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2013

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