Strategien
18. September 2025

Top-Schuldner mit Top-Zinsen

Nachrangige Anleihen solider Emittenten bieten oft ähnliche Renditen wie High-Yield-Bonds, sind aber in Stressphasen stabiler. Änderungen der Ratingmethodik machen sie nun auch für Emittenten attraktiver.

Wenn bei Immobilien Lage, Lage, Lage gilt, dann ist es bei Unternehmensanleihen Name, Name, Name. Und wenn Firmen mit gutem Namen und starkem Emittentenrating hohe Zinsen zahlen, dann liegt das oft an der Nachrangigkeit der Anleihe. Immer mehr namhafte Investment-Grade-Emittenten aus der Industrie nutzen Nachranganleihen, um ihre Eigenkapitalbasis zu optimieren. Konzerne wie Bayer, EnBW oder Telefónica bieten auf ihre Nachrang- oder Hybridanleihen Zinsen, die weit über dem Renditeniveau ihrer Senior Bonds liegen und bis in High-Yield-Sphären (HY) vorstoßen.

„Für Investoren, die eine Verbindung aus Stabilität und attraktiver Rendite suchen, bleiben Corporate Hybrids der Sweetspot am Anleihenmarkt“, sagt Michael Hess, Portfoliomanager bei Bantleon. Sie können mit diesen Anleihen guter Schuldner Renditen erreichen, die sonst nur bei Anleihen von High-Yield-Emittenten möglich sind. Tatsächlich sind die Anleihen selbst auch oft im Hochzinsbereich angesiedelt. Das Emissionsrating stufen die Ratingagenturen auf Grund der Nachrangigkeit meist zwei Stufen (Notches) unter dem eigentlichen Emittenten-Rating ein. So haben etwa die Senior-Anleihen von Bayer ein Rating von BBB2, die Bayer-Hybridanleihe dagegen ein spekulatives Rating von BB1. Trotzdem unterscheidet sich das Risikoprofil deutlich vom klassischen HY-Bond eines HY-Schuldners.

Investoren in Hybridanleihen sehen sich vor allem drei Risiken gegenüber. Da ist zunächst die Nachrangigkeit im Insolvenzfall: Die Inhaber der Anleihen sind in der Rangfolge den Senior-Bondholdern nachgestellt; kommt es zum Default, droht ihnen der Totalverlust. Doch das Default-Risiko der Emittenten ist weit geringer als bei echten High-Yield-Emittenten, da ihre Emittenten-Ratings ganz überwiegend im Investment Grade angesiedelt sind. Zum Tragen kommen eher die beiden weiteren Risiken: das sogenannte Kuponaufschub- und das Verlängerungsrisiko. Das Kuponaufschubrisiko betrifft die Aussetzung von Zinszahlungen. Dabei handelt es sich eher um eine Cashflow-Unsicherheit: Ausgefallene Kuponzahlungen muss der Emittent nämlich in der Zukunft nachholen – im Gegensatz zu den AT1-Anleihen von Banken. Doch selbst der Aufschub einer Zinszahlung ist äußerst selten, denn die Konsequenzen sind für den Schuldner meist sehr nachteilig: Er kann unter anderem keine Dividenden zahlen oder Aktien zurückkaufen, solange nicht alle ausstehenden Zinszahlungen nachgeholt wurden, je nach Anleihebedingungen zuzüglich Zinseszinsen.

Bleibt das Verlängerungsrisiko: Die meisten Corporate Hybrids sind mit extrem langen Laufzeiten oder sogar als ewige Anleihen („Perpetuals“) aufgesetzt. Der Emittent behält sich aber meist mehrere Call-Termine vor, davon der erste nach fünf bis zwölf Jahren. In der Regel macht der Schuldner vom frühestmöglichen Kündigungsrecht Gebrauch. Auch hier drohen sonst nachteilige Folgen, meist ist ein Kupon-Step-up nach dem ersten Kündigungstermin vorgesehen. Sprich: Die Anleihe wird teurer für den Emittenten, der Inhaber erhält mehr Zinsen. Dazu erlischt nach dem ersten Kündigungstermin die 50-prozentige Eigenkapitalanrechnung bei der Ratingbestimmung, welche S&P seit längerem vornimmt. Die Ratingoptimierung ist aber ein wesentlicher Aspekt bei der Emission der Papiere. Dazu kommt der Reputationsverlust des Emittenten. „Die Eigenkapital-Anrechenbarkeit durch S&P sowie die höhere Zinsbelastung der Unternehmen bei Nichtwahrnehmung der Call-Option sind signifikante Anreize für vorzeitige Rückzahlungen“, sagt Michael Hess von Bantleon. Das schafft eine gute Planbarkeit für die Investoren und Manager. Emittenten sind zudem angehalten, Corporate Hybrids vorzeitig mit einer Neuemission von Nachranganleihen oder mit Eigenkapital zu refinanzieren, um die Eigenkapitalbasis dauerhaft zu stärken.

Neuer Schub durch Moody’s

Insgesamt erreicht der Markt derzeit ein Volumen von 230 Milliarden Euro und umfasst 121 Emittenten mit insgesamt 304 Hybridanleihen. Bei den Emissionen sind die Ratingkategorien BBB2 (38,4 Prozent) und BB1 (20,3 Prozent) am stärksten vertreten. Möglich ist also, ein Hybrid-Investment-Grade-Portfolio zu bilden. Bei den Branchen dominieren die Versorger mit fast 40 Prozent des ausstehenden Volumens. Aktuell beträgt der durchschnittliche Kupon nach Angaben von Swisscanto 5,3 Prozent und die Duration ist mit 3,6 relativ kurz.

Einen zusätzlichen Wachstumsschub erhielt der Markt durch die jüngste Änderung der Ratingmethodik von Moody’s: Sie folgt teilweise S&P bei der Anrechnung der Hybrids auf das Eigenkapital, begrenzt diese allerdings auf IG-Emittenten. „Seit der Änderung der Ratingmethodologie durch Moody’s integrieren deutlich mehr Unternehmen hybride Anleihen in ihre Kapitalstruktur“, erklärt Bantleon-Experte Hess.

Aus Sicht der Investoren werden Hybrids oft wie High-Yield behandelt. Im langfristigen Performance-Vergleich liefern sich Corporate Hybrids und High-Yield-Anleihen tatsächlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dass die Performance von HY-Anleihen in den vergangenen Jahren etwas stärker war, liegt vor allem an der längeren Duration der Hybridanleihen und damit der stärkeren Reaktion auf den Zinsanstieg. Ihre Vorzüge zeigen sie besonders in Stressphasen: Dann sind sie deutlich stabiler als „echte“ Hochzinsanleihen. Das zeigte sich in Marktschocks wie der globalen Finanzkrise und während Corona.

In beiden Phasen gaben Hybridanleihen deutlich weniger nach als Anleihen echter High-Yield-Schuldner. Dasselbe Muster zeigte sich während der Eskalation im Handelsstreit Anfang April: Der maximale Drawdown globaler Hybridanleihen war mit 2,3 Prozent deutlich geringer als bei High-Yield-Anleihen mit einem temporären Verlust von bis zu 3,2 Prozent. Zugleich ist der aktuelle Jahresertrag mit 3,25 Prozent höher als bei erstrangigen Investment-Grade-Anleihen, die im Durchschnitt eine Performance von rund zwei Prozent erzielten.

Die Allokation in Hybridanleihen variiert je nach Investor stark, berichtet Wolfgang Sussbauer, Leiter Deutschland und Österreich bei PGIM Fixed Income. Dort sieht man die Bonds eher als Beimischung statt als eigenständige Asset-Klasse. Bei Bantleon fragen neben Banken und Versicherer zunehmend Family Offices dezidierte Strategien an. Pensionskassen sind aus regulatorischen Gründen, die neben der Zuordnung zur Risikokapitalquote entsprechendes Risikomanagement und Risikotragfähigkeit fordern, zurückhaltend. Hier sind die entsprechenden Quoten oft bereits durch Aktien und High Yield weitgehend in Anspruch genommen.

Solide Nachfrage der Investoren

Das höhere Hybridangebot findet am Markt durchaus seine Abnehmer: Die durchschnittlichen Überzeichnungsquoten lagen zuletzt über dem Dreifachen des Emissionsvolumens. Zur robusten Performance trug die Einengung der Risikoprämien bei, welche die deutliche Erhöhung der risikolosen Renditen bei deutschen Bundesanleihen im fünf- bis zehnjährigen Bereich überkompensierte. Daneben werden Corporate Hybrids auch unterstützt durch die teils erheblichen Renditeunterschiede zu erstrangigen Unternehmensanleihen. So beträgt der Renditeaufschlag bei Bayer zwischen einer erstrangigen und einer nachrangigen Anleihe vergleichbarer Laufzeit fast zwei Prozentpunkte – „bei identischem Ausfallrisiko ein klarer Vorteil für die Hybridanleihe“, so Hess. Auch Hagen Fuchs, Portfoliomanager bei Swisscanto, sagt: „Insgesamt spricht unserer Meinung nach die Kombination von Rendite, Duration und Ausfallrisiko für Corporate Hybrids.“

Cocos überwinden Credit-Suisse-Schock

Während Industrieunternehmen mit Nachranganleihen eher auf die Unterstützung von Ratings abzielen, emittieren Banken und Versicherer Nachranganleihen, um regulatorische Kapitalanforderungen zu erfüllen. Diese fallen in die Kategorien Tier 2 und Additional Tier 1 (Coco). Die erst nach der Finanzkrise geschaffenen AT1-Nachranganleihen des Finanzsektors sind in den institutionellen Portfolios wesentlich seltener zu finden. Im Sicherungsvermögen von Pensionskassen sind sie nach Bafin-Einschätzung gar nicht zugelassen. Insbesondere die Cocos unterscheiden sich deutlich von Corporate Hybrids. Bei bestimmten vordefinierten Auslösern werden die Papiere in Aktien gewandelt und tragen Verluste voll mit. Das zeigte spätestens der Totalausfall der AT1-Anleihen der Credit Suisse im Jahr 2023.

Im selben Jahr kündigte auch die Deutsche Pfandbriefbank eine AT1-Anleihe nicht zum ersten Call-Termin und nahm stattdessen den Anstieg des Step-up-Kupons hin. Doch der Markt scheint den Credit-Suisse-Schock zu überwinden. Zudem hat der europäische Bankensektor von den gestiegenen Zinsen stark profitiert. Die Institute weisen solide Gewinne und Bilanzen auf und sind zudem nicht direkt von Zöllen und Handelskonflikten betroffen, heißt es bei Swisscanto. Gute Fundamentaldaten und nach wie vor attraktive Renditen verbessern die Aussichten für Cocos für Investoren, welche sich das Risiko leisten können.

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