„Umgekehrter Home-Bias“ bei Infrastruktur
Investoren bemängeln Infrastruktur-Angebot in Deutschland. BAI will Sondervermögen mit privatem Kapital kombinieren.
Infrastruktur genießt in den Portfolios deutscher Investoren eine große Wertschätzung, mehrheitlich wollen Anleger diese Asset-Klasse ausbauen. Von diesem Appetit auf Infrastruktur profitiert Deutschland jedoch eher weniger. In seinem aktuellen „Infrastruktur-Report Deutschland 2025“ erkennt der BAI einen „umgekehrten Home-Bias“.
Dazu passt die Einschätzung von Maximilian Cosack. Der Head of Private Assets, Huk-Coburg Asset Management, wird in dem Report damit zitiert, dass im Gegensatz zur Asset Allokation in Immobilien, wo bei deutschen institutionellen Investoren ein klarer Fokus auf deutsche Projekte liegt, ihr Anteil bei Infrastruktur in Deutschland bei nur rund 15 Prozent im Portfolio liegt, und größtenteils aus erneuerbaren Energieprojekten wie Photovoltaik oder Windkraft besteht.
Außer bei Renewables zu wenig Angebot
Dabei bietet Deutschland Stabilität und die kommunale Infrastruktur wäre aufgrund staatlicher Absicherung, langfristiger und stabiler Cashflows sowie der Vorteile lokaler Nähe grundsätzlich ein attraktives Anlagefeld für institutionelle Investoren. Cosack argumentiert jedoch, dass das zentrale Problem schlicht das mangelnde Angebot geeigneter Projekte sei. Während es bei Renewables durchaus Investitionsmöglichkeiten gebe, sei das generelle Infrastruktur-Exposure in Deutschland weiterhin gering, insbesondere im kommunalen Bereich. Im Vergleich zu Ländern wie dem Vereinigten Königreich, wo weite Teile der Infrastruktur privatisiert wurden, seien in Deutschland kaum investierbare kommunale Infrastrukturprojekte vorhanden. Hinzu komme, dass die wenigen verfügbaren Projekte oft nicht den Anforderungen institutioneller Investoren an das Risiko-Rendite-Profil genügen. Viele Assets seien zwar „supercore“ – also äußerst stabil –, böten aber nur geringe Renditen. Fehlen würden hierzulande aber Projekte mit attraktivem Renditepotenzial im Bereich von acht bis zehn Prozent IRR, wie sie typischerweise im Fokus konservativer Infrastrukturanleger stehen. Zentrale Hemmschuhe stellen für Cosack zudem die Bürokratie und eine grundsätzliche Skepsis gegenüber privatem Kapital in der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Auch Danny Tuchlinsky, Ärzteversorgung Land Brandenburg, führt an, dass es in Deutschland an Akzeptanz für privates Kapital in der Infrastruktur fehle. Als Beispiel nennt er, dass viele Stadtwerke Hemmungen hätten, privates Kapital aufzunehmen, weil damit Sorgen über Kontrollverlust oder öffentliche Kritik verbunden seien – etwa durch die Wahrnehmung, Private Equity verdiene unangemessen viel an öffentlicher Daseinsvorsorge, obwohl es tatsächlich meist nur um einstellige Renditen über dem risikolosen Zins im Infrastruktur-Bereich gehe.
Sondervermögen mit privatem Kapital verzahnen
Naheliegend ist auch, dass staatliche Infrastrukturpaket als Hindernis für private Gelder wahrzunehmen. Allerdings betont der BAI, dass die Summen des Investitionsbedarfs für Infrastruktur in Deutschland, die Dimensionen des Pakets übersteigen. So reichen die im Sondervermögen für Länder und Kommunen vorgesehenen 100 Milliarden Euro aktuell nicht um den von den Kommunen wahrgenommenen Investitionsstau von aktuell 186 Milliarden Euro zu beheben. Generell liege der Investitionsbedarf in Deutschland bei einem gesetzlich bindenden Ziel der Klimaneutralität bis 2045 je nach Studie und Definition im Bereich zwischen 1,1 und fünf Billionen Euro. Der Erhalt öffentlicher Infrastruktur ist demnach nur noch mit privaten Investitionen möglich, konstatiert der BAI. Angesichts der enormen Herausforderungen vor denen Deutschland steht, sei es darum von entscheidender Bedeutung, das Sondervermögen möglichst effizient einzusetzen und mit privatem Kapital zu kombinieren.
Cosack spricht sich für einen situationsabhängigen, holistischen Ansatz aus, was die Kombination von öffentlichen und privaten Finanzierungsquellen betrifft. Für ihn schließen sich Sondervermögen und Privatinvestitionen nicht aus, sondern sollten eng miteinander verzahnt gedacht werden. Ziel sei es, öffentliche Mittel möglichst effizient einzusetzen und durch die Mobilisierung privaten Kapitals zu hebeln. Er verweist auf bestehende europäische Modelle wie den EIF (European Investment Fund), der über sogenannte First-Loss-Komponenten institutionelle Anleger motiviere, sich zu engagieren. Über vergleichbare Konstruktionen – etwa Eigenkapitalfonds mit Unterstützung durch das Sondervermögen – ließen sich attraktive und risikoangepasste Einstiegsvehikel schaffen.
Qualifizierte Infrastruktur
Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen könnte aber auch auf die Regulatorik abzielen. Ein guter Schritt war die Einführung der Infrastrukturquote für Versorgungswerke. Andererseits gewährt Versicherungen zwar die Einordnung von Infrastruktur als „qualifiziert“ eine Reduktion des Solvenzkapitals. Dafür braucht es jedoch die nötigen Daten. Kathrin Schmidt, Portfoliomanagerin bei der GVV Kommunalversicherung VVaG, hebt in der BAI-Publikation hervor, dass Investitionen in qualifizierte Infrastruktur herausfordernd sein können, insbesondere aufgrund der Abhängigkeit von der Qualität der TPT-Daten (Tripartite Template), die von Asset Managern bereitgestellt werden. Wenn die Datendokumentation nicht ausreichend ist, können die Investitionen möglicherweise nicht als „qualifizierte Infrastruktur“ eingestuft werden, wodurch das Unternehmen deutlich mehr Kapital vorhalten muss. Sie schlägt vor, die Qualität der TPT-Datenlieferung zu verbessern, um dieses Problem zu lösen, die Einstufung als qualifizierte Infrastruktur zu erleichtern und somit die Kapitalbelastung zu reduzieren.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Erneuerbare Energien / Renewables | Infrastruktur | Politik/Regulierung
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