Immobilien
16. April 2021

Versicherungskammer erschließt sich Immobilien-Pipeline

Mit der Beteiligung an der Domicil RE öffnet sich die Versicherung einen weiteren Zugang zu Immobilien. Die Domicil profitiert dagegen von der Eigenkapital-Spritze, um den Expansionskurs fortzusetzen. Beteiligungen an Immobilienmanagern sind nicht selten.

Versicherer drängt es weiter zum Betongold. Wie dem Trendbarometer Assekuranz von EY 2020 zu entnehmen war, hat deren durchschnittliche Immobilienquote mit 10,8 Prozent erneut einen historischen Höchststand erklommen. Den letzten Tiefpunkt markiert das Jahr 2009 mit sechs Prozent. „Versicherungen sind auf stabile, regelmäßige Zinserträge angewiesen. Im Niedrigzinsumfeld sind Immobilien neben Aktien eine der letzten verbliebenen Anlagealternativen, um Renditen oberhalb des risikolosen Zinses zu erwirtschaften“, kommentierte Dietmar Fischer, Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie. 70 Prozent der Befragten sagten, dass Immobilien aufgrund des herrschenden Anlagenotstandes für sie nahezu alternativlos seien. „Diese Gemengelage erklärt die stetig steigende Immobilienquote der Assekuranz. Daran ändert auch die Covid-19-Pandemie absehbar wenig.“ 59 Prozent der Befragten gaben in der Umfrage an, dass Immobilien die Anlageklasse seien, die sie trotz Pandemie am stärksten ausbauen. Und 74 Prozent der Befragten erwarten pandemiebedingt einen sich noch weiter verschärfenden Anlagenotstand auf den Immobilienmärkten.

Je größer jedoch der Anlagenotstand, desto wichtiger der Zugang. Nach wie vor am beliebtesten sind bei Versicherungen der geschlossene Immobilienfonds und direkte Investments. Auffällig an dem EY-Datenmaterial ist, dass diesen beiden Varianten auch mit großer Skepsis bis Ablehnung begegnet wird: Bei den ­geschlossenen Fonds sind es 37 und bezüglich des Direktbestands sind es 49 ­Prozent. Prägend dürften hier die Erfahrungen in der Finanzkrise mit Mehranlegerfonds beziehungsweise der große Aufwand sein. Eine mögliche Alternative: die Beteiligung an einem Immobilienmanager. Ein aktuelles Beispiel kommt aus München. Der Konzern Versicherungskammer hat sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung mit 9,76 Prozent der Unternehmensanteile am Immobilien- und Investmenthaus Domicil Real Estate AG beteiligt. Kerngeschäft von Domicil ist der An- und Verkauf von Wohnimmobilien im ­gesamten Bundesgebiet. 2020 erwarb bereits die Versicherung Die ­Bayerische für zehn Millionen Euro 5,4 Prozent der Domicil. Dass die beiden Versicherer sich an einem Spezialisten für Wohnimmobilien ­beteiligt haben, zeigt, dass gerade dieses Segment als Bond-Proxy und wegen seiner Pandemie-Resistenz stark an Wertschätzung ­gewonnen hat. Bei 75 Prozent der Teilnehmer am EY-Barometer sind Wohnimmobilien trotz hoher Preise zunehmend begehrt.

Hinter der neuen Münchener Connection steht für den neuen ­Miteigner die Überlegung, sich eine Pipeline an Investitionsmöglichkeiten in Wohnimmobilien und Real Estate Debt zu ­erschließen. Vorgesehen ist nämlich „eine Zusammenarbeit bei der Akquisition von Wohnimmobilien für die Versicherung und der Zugang zu Krediten für das Immobilienunternehmen“. Isabella Pfaller, CFO der Versicherungskammer, erklärt: „Wir freuen uns auf die ­Kooperation, vor allem auch in der Finanzierung und dem Ankauf von Wohnimmobilien für unsere Kapitalanlage.“ Khaled Kaissar, CEO der Domicil und mit nun 85 Prozent nach wie vor Mehrheitseigner, sagt: „Mit der Kapitalerhöhung der Versicherungskammer stärken wir die Nachhaltigkeit unseres starken Wachstumskurses der vergangenen Jahre und können diesen weiter fortsetzen.“

Anders als im Fall der Bayerischen, die zuvor bereits Fremdkapital bereitstellte, bestanden zwischen Versicherungskammer und ­Domicil zuvor keine Geschäftsbeziehungen. Einen Interessenkonflikt zwischen den neuen Miteignern sieht André Schmöller, für ­Investments zuständiger Vorstand der Domicil, nicht. „Wir planen in diesem Jahr Immobilien im Wert von bis zu 200 Millionen Euro für unseren eigenen Bestand zu erwerben und benötigen hierfür bis zu 180 Millionen Euro an Fremdkapital. Da gibt es genug Spielraum für unsere Fremdkapitalgeber, zu denen auch Banken gehören. Auf der Akquisitionsseite sind wir für die ­Versicherungskammer, nicht aber für die Bayerische tätig.“ Allerdings kauft Domicil auch für die dänische Pensionskasse PFA und einen Eigenbestand ein. Schmöller verweist auf unterschiedliche Ankaufsprofile und somit geringe Überschneidungen: „Die Versicherungskammer ist an ­Bestandsimmobilien in Top-7-Standorten und ausgesuchten ­bayerischen Städten interessiert. Die PFA erwirbt auch schlüsselfertige Projekte als Forward Deals und im Segment Mikrowohnen. Wir selbst erwerben Bestandsimmobilien lieber im Umfeld von ­A-Städten sowie in B- und C-Städten. Auch die jeweiligen Investi­tionsvolumina weichen voneinander ab.“ Grundsätzlich sind in der Branche Interessenüberschneidungen zwischen Eigentümern von Immobiliengesellschaften und Asset-Management-Kunden sowie zwischen Asset-Management-Kunden untereinander nicht unüblich. Schmöller: „Mit steigender Größe und je mehr Beteiligte, ­desto anspruchsvoller wird es, diese Herausforderungen zu lösen.“

Dass die Versicherungskammer die Domicil auch für die Verwaltung ihres Direktbestands nutzt, ist aktuell nicht vorgesehen. Die Versicherung ist einer der größten Immobilieneigentümer in ­München. Über die neue Beteiligung profitiert die Versicherung aber auch an Mieteinnahmen und Verkaufserlösen des Immobilien­eigenbestands der Domicil und an deren Gebühreneinnahmen, welches das Drittkundengeschäft abwirft. 2019 kam der Eigen­bestand auf ein Volumen von etwa 200 Millionen Euro, die sogenannten Fee-generierenden Assets under Management auf 833 ­Millionen Euro. Im vergangenen Jahr kamen im Drittkunden­geschäft noch 200 Millionen Euro aus einer „Fonds-Partnerschaft“ mit Wealthcap und ein größerer Ankauf an deutschen Mikroapartments für die dänische Pensionskasse PFA hinzu. Insgesamt ­handelt es sich um 13 Objekte und ein Bruttoinvestitionsvolumen von über 252 Millionen Euro. Zwölf Objekte gehen in den von der Domicil gemanagten PFA-Bestand an deutschen Immobilien über, ein Wohnhaus in Frankfurt kauft Domicil auf das eigene Buch. ­Verkäufer war ein Fonds der Aviarent Invest AG.

Die Versicherungskammer hat bereits zuvor vergleichbare Minderheitsanteile an Asset Managern erworben. Seit längerem hält die Versicherung etwa ein Fünftel von Indus, ein auf Mittelständler ­fokussiertes Beteiligungsunternehmen. In der jüngeren Vergangen­heit erwarb man Anteile an den Renewables-Spezialisten Encavis und der Baywa-Tochter Baywa RE Renewable Energy. Nun erfolgte eine Beteiligung an einem Spezialisten für ­Wohnimmobilien.
Ein anderes Engagement, nämlich bei der an der Börse gelisteten DIC Asset AG, hat die Versicherung dagegen offenbar reduziert: Anders als bislang ist sie nicht mehr im Aufsichtsrat der Deutsche Immobilien Chancen Gruppe vertreten, die mit knapp 35 Prozent Ankeraktionär der DIC ist. Weiter in diesem Gremium vertreten sind jedoch mit der Sparkassen Versicherung und der VGH zwei andere Unternehmen aus dem öffentlich-rechtlichen Lager. „Diese Beteiligung hilft uns, näher am Markt zu sein und mehr ­Transparenz über den Immobilienmarkt zu bekommen. Dadurch erhalten wir Offerten zu Immobilien, die gegebenenfalls auch für unseren Eigenbestand interessant sein könnten“, erläutert Volker Pätzold, VGH, im Interview mit portfolio institutionell (Februar 2021; Seite 21ff.). Zum Großteil habe die VGH jedoch ihre Immobilienaktivitäten bei der Quantum Immobilien AG gebündelt, an der die VGH zehn Prozent hält. „Mit Quantum haben wir in den ­vergangenen Jahren ein sehr diversifiziertes Deutschland-Portfolio aufgebaut, mit dem wir sehr zufrieden sind“, so Pätzold.

Auch Versorgungswerke schätzen Beteiligungen

Ebenfalls im Aufsichtsrat der DIC Chancen Gruppe ist die ­Nordrheinische Ärzteversorgung, die bereits seit vielen Jahren ­Anteile der DIC Asset hält. Das andere Ärzte-Versorgungswerk aus Nordrhein-Westfalen, die ÄVWL, hielt größere Anteile an der Deutsche Wohnen AG. Geschätzt wird die Beteiligung an Immobilienmanagern aber auch von kleineren Versorgungswerken, denen es schwerer als den größeren fällt, entsprechende interne Ressourcen aufzubauen. „Das Versorgungswerk der Zahnärztekammer ­Schleswig-Holstein profitiert insbesondere von unserem Knowhow bei der Modernisierung und Entwicklung von Wohnimmobilien“, sagt Mark Heydenreich, CEO der Fortis AG. Fokus der Fortis, an der sich die Zahnärzte 2017 beteiligten, ist die Bestandsentwicklung von wohnwirtschaftlich geprägten Immobilien in zentralen Lagen von Berlin und Potsdam.

Seit Januar 2020 ist das Versorgungswerk auch Gesellschafter der Evoreal, einem weiteren Projektentwickler. „Mit unserem neuen Engagement führen wir unsere intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Evoreal fort und können uns künftig noch mehr und vor allem langfristig in die Geschäfte des Unternehmens ­einbringen“, sagte damals Bruno Geiger, Geschäftsführer des ­in Kiel ansässigen ­Versorgungswerks. Im Vergleich zu Bestands­immobilien können mit Entwicklungen deutlich höhere Renditen erzielt werden. Mark Heydenrich, der zudem auf die gegenüber Einzelinvestments ­breitere Diversifikation einer Unternehmens­beteiligung verweist, erläutert: „Beteiligungen an Unternehmen, die auf diesem Bereich fokussiert sind, können Gesamtrenditen im zweistelligen Bereich erzielen. Hinzu kommt noch die Phantasie, dass sich auch der ­Unternehmenswert als eigenständiger Ver­mögenswert noch ent­wickelt.“ Dies können beispielsweise ­Aktionäre der Patrizia Immobilien AG nur bestätigen: Über zehn Jahre legte die Aktie um über 600 Prozent zu.

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