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8. Juli 2015

VW sucht Kreativität und Kontinuität

Die Volkswagen AG steht bei einem stabilen Single-A. Mitentscheidend für das gute Rating ist die hohe Nettoliquidität, die hälftig über Absolute-Return-Ansätze investiert ist. Bei der Mandatsvergabe setzt das Treasury auf Manager mit kreativen Anlagestilen. Dr. Jörg Boche, Leiter Konzern-Treasury bei Volkswagen, im Gespräch mit Kerstin Bendix.

Welche Rolle spielt Asset Management in einem­ Industrieunternehmen wie der Volkswagen AG?
Grundsätzlich sind wir natürlich in erster Linie mit dem Bau von Autos beschäftigt. Aller­dings ist dies eine extrem kapital­intensive Tätigkeit. Das heißt, Sie müssen zunächst einmal sehr viel Kapital in das ­Unternehmen holen, und zwar über drei Quellen: Fremdkapital, Eigenkapital und Thesaurierung. Gleichzeitig brauchen Sie ­eine Bilanz, die einigermaßen stabil ist und das Ganze trägt. Die Stabilität der Bilanz wird unter anderem durch das Rating ausgedrückt, welches auf einer Bilanzanalyse durch die Rating-­Agenturen fußt. Für Rating-Agenturen sind Themen wie Eigenkapitalquote, Cashflow, Rentabilität und die Nettoliquidität sehr wichtig. Insbesondere die Netto­liquidität ist ein sehr wichtiger Pfeiler, auf dem das Rating­ beruht. Aber sie muss verwaltet werden. An dieser Stelle kommt das Asset Management­ ins Spiel.

Das Rating von Volkswagen liegt bei einem stabilen A. Das ist für die Finanzierungsseite ein wichtiger Faktor. Im Moment kann sich Ihr Unternehmen relativ günstig am Kapitalmarkt­ finanzieren. Nutzen Sie diesen Umstand?
Kapitalkosten sind sehr wichtig für ein kapitalintensives Unternehmen wie Volkswagen. Die Kapitalkosten sowohl auf der Fremdkapital- als auch auf der Eigenkapital­seite – insbesondere wenn man den Hybrid­bereich betrachtet – sind im Moment sehr günstig. Das nutzen wir natürlich auch aus.

Die Nettoliquidität betrug Ende des ersten­ Quartals rund 20 Milliarden Euro. Das erscheint­ auf den ersten Blick recht viel.
Auf den ersten Blick erscheint das den meisten Leuten viel. Wenn Sie sich diese Summe aber im Verhältnis zum Umsatz ansehen, den wir allein im Automotive-Bereich innerhalb eines Jahres generieren, kommen sie auf etwas über zehn Prozent. Zehn Prozent Nettoliquidität als Anteil vom Umsatz ist nicht übertrieben. Wenn Sie das in die Bilanz­logik einordnen, muss man ganz klar sagen: Das passt zu unserem Rating von Single­-A.

In Ihrer Bilanz ist von einem Treasury-Fonds die Rede. Was verbirgt sich dahinter?
Wir haben circa 30 Milliarden Euro Brutto­liquidität. Davon ist ungefähr die Hälfte­ in Wertpapieren angelegt. Das heißt, die Liquidität, die wir managen, ist zur einen Hälfte im Kapitalmarkt angelegt. Die andere Hälfte sind Zahlungsmittel, sprich, Gut­haben bei Banken. Die liquiden Mittel, die im Kapitalmarkt angelegt sind – das sind ­etwas unter 15 Milliarden Euro –, sind zum Großteil in Spezialfonds investiert. Und genau­ das verbirgt sich hinter der Größe „Treasury-­Fonds“.

Der Treasury-Fonds ist in der Bilanz nur mit sechs Milliarden Euro ausgewiesen.
Der Treasury-Fonds, den Sie in der HGB-Bilanz sehen, gehört zur Volkswagen AG. Die 15 Milliarden Euro im Kapitalmarkt beziehen­ sich jedoch auf den gesamten Konzern. Was Sie hier nicht sehen, ist der Teil der 15 Milliarden Euro, der anderen Konzern­gesellschaften gehört und ebenfalls über Fonds, ähnlich dem Treasury-Fonds, im Kapital­markt investiert ist.

Sie legen Ihre liquiden Mittel am Kapitalmarkt ausschließlich indirekt über Fonds an. Haben Sie darüber nachgedacht, einen Teil der Gelder direkt zu investieren; Stichwort „Insourcing“, um womöglich kostenseitig bei den Gebühren zu sparen?
Ja, darüber haben wir nachgedacht. Und die Entscheidung ist gegen eine Direktanlage ausgefallen. Warum? Für Direktanlagen brauchen Sie eine sehr umfangreiche Abteilung mit Mitarbeitern, die die Wertpapiere analysieren und das Management betreiben. Das sehen wir für uns als Industrie-Treasury nicht als Kernkompetenz. Der Personalaufwand wäre viel zu hoch. Wir sind personell relativ schlank aufgestellt, und das können wir nur sein, weil wir nicht direkt die Wert­papieranlage betreiben. Wir konzentrieren uns darauf, ein Manager von Managern zu sein und das Ganze als Fund-of-Funds-Konzept zu managen.

50 Prozent der liquiden Mittel sind am Kapital­markt investiert. Das war vor drei ­Jahren noch anders. Damals waren es zehn bis 20 Prozent. Ist diese Veränderung dem Niedrigzinsumfeld geschuldet?
Ja. Denn der Rest der Bruttoliquidität, den wir nicht im Kapitalmarkt angelegt haben, sind Zahlungsmittel oder Zahlungsmittel­äquivalente – auf gut Deutsch: Bankdepots. Mit Blick auf den permanenten Verfall der Renditen am Geldmarkt bis hin zu negativen Zinsen mussten wir diesen Teil minimieren und den Teil im Kapitalmarkt erhöhen.

Welche Anlageziele verfolgen Sie mit Ihren liquiden­ Mitteln, die im Kapitalmarkt investiert sind?
Unser Ertragsziel ist Euribor plus 200 Basispunkte. Das haben wir in den vergangenen sechs Jahren auch immer geschafft. Aber es ist natürlich so, dass es im Grunde ein ­Ersatz für Bankdepots ist. Das heißt, dieses Geld muss immer verfügbar sein. Unsere Risiko­neigung ist dementsprechend extrem niedrig. Wir akzeptieren höchstens eine ­Volatilität von 150 Basispunkten und einen maximalen Verlust in einem Jahr von fünf Prozent. Den wollen wir zwar nicht, aber den lassen wir zu.

Sie haben also eine Wertuntergrenze?
Ja. Das bedeutet wiederum, dass wir die Fonds nicht als normale Benchmark-orientierte Fonds managen, sondern dass wir grundsätzlich Wertsicherungskonzepte mandatieren.

Die Situation am Kapitalmarkt ist schwierig, die Volatilität hat sich stark erhöht. Wie ­sorgenvoll schauen Sie auf die Märkte?
Die Märkte sind meines Erachtens sehr, sehr gefährlich. Warum? Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Sie werden fast ausschließlich von der Politik einiger weniger Zentralbanken getrieben. Das heißt, die Märkte sind am Ende des Tages politische Märkte. Zweitens: Wenn Sie sich die Bewertungen auf den Aktienmärkten anschauen, müssen Sie eigent­lich zu dem Schluss kommen, dass in den meisten Märkten schon eine sehr gute Gewinnentwicklung eingepreist ist. Die Gewinne müssten sich noch einmal signifikant erhöhen, um die aktuell hohen Bewertungslevels zu rechtfertigen. Im Moment sieht man allerdings eher eine gewisse Stagnation der Gewinnentwicklung. Drittens: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in dem jetzigen Wirtschaftszyklus schon ziemlich weit fort­geschritten sind. Wir haben im Grunde ­genommen seit mehr als fünf Jahren eine Hausse an den Aktienmärkten.
Meiner Meinung nach müssen wir damit rechnen, dass wir innerhalb der nächsten 24 oder 36 Monate wieder eine Rezession ­bekommen. Die Märkte werden das irgendwann einpreisen. Insofern muss man davon ausgehen, dass die wesentlichen Gewinne in diesem Wirtschaftszyklus schon gemacht worden sind.

Was heißt das für Ihre Anlage­strategie?
Ich denke, man muss sehr nah an den Märkten sein. Man muss darauf gefasst sein, dass die Märkte schnell kippen. Wenn sie korrigieren, dann werden sie das schnell tun. Das heißt, es ist ein sehr enges Risiko­management angebracht, die Risikoneigung sollte runtergefahren und wahrscheinlich auch die Aktienquote reduziert werden.

Wie weit würden Sie gehen? Was wäre Ihre Untergrenze bei der Aktienquote?
Wir steuern in der Allokation nicht über Quoten, sondern über Risikokennzahlen, wie Volatilität und Value at Risk. Die Asset-­Allokation resultiert also aus der Risiko­neigung, die wir haben. Was am Ende dabei herauskommt, ist natürlich eine Reduzierung der Aktienquote oder Quote anderer Risiko-­Assets. Die Duration wird beispielsweise ebenfalls reduziert. Im Aktienbereich sind wir im Moment bei unter zehn Prozent.

Die Quote war aber schon deutlich höher, oder? Gibt es eine Obergrenze?
Es gibt keine direkte Aktienobergrenze, zumindest nicht bei den Treasury-Fonds, sondern eine Risikoobergrenze. Wenn Sie bedenken, dass unser Maximum Drawdown bei fünf Prozent liegt und die Volatilität nicht 150 Basispunkte überschreiten soll, ergibt sich daraus, dass wir keine Aktienquote von 30, 40 oder 50 Prozent haben.

Sie sind also stark im Rentenbereich unterwegs. Wie sind Sie hier aufgestellt?
Ich glaube, der Hauptwerttreiber im Asset­ Management bei unseren Treasury-Fonds sind die Anlagestile. Die Mandats­vergabe ist sehr stark an das Kriterium gebunden, ob ein Manager einen interessanten Anlagestil hat, der unserer Meinung nach verspricht, wertschöpfend für uns eingesetzt zu werden. Man muss sagen, es gibt interessante Ansätze. Allerdings braucht man relativ­ viele davon. Aber es gibt durchaus kreative Leute im Markt. In gewisser Weise ist das ­unser Hauptaugenmerk: Wir schauen, wer kreativ­ und interessant ist.

Was wäre ein spannender Anlage­stil?
Ich will nicht zu sehr auf einzelne Stile eingehen. Grundsätzlich ist es die Kunst, die verschiedenen Stile miteinander zu kombinieren, und zwar so, dass sie untereinander relativ wenig korreliert sind und man dadurch einen sehr hohen Diversifikationsgrad ins Portfolio insgesamt bekommt. Es geht weniger darum, einen Stil zu identifizieren, auf den man sich komplett fokussiert. Es geht uns vielmehr um die Portfoliokonstruktion insgesamt. Das heißt das Zusammenwirken der Stile. Dabei kann es sein, dass ein Stil höher gewichtet wird, nicht weil er sehr stark rentiert, sondern weil er sehr wenig Risiko­ beiträgt oder sogar Risiko aus dem Portfolio nimmt.

Heißt das, dass Sie keine Manager mit demselben Anlagestil mandatieren, um diese vielleicht gegeneinander laufen zu lassen?
Das gibt es eigentlich fast gar nicht. Selbst wenn zwei Manager in dieselbe Stilkategorie fallen, sind die Freiheitsgrade so groß, dass wir keine zwei Fonds hätten, die wirklich exakt genau das Gleiche machen. Sie haben alle­ ihren eigenen Flavour. Für uns ist wichtig, dass ein Manager seinem Stil treu bleibt, so dass wir immer nachvollziehen können, was er macht. Dann überlegen wir uns, warum der eine Asset Manager gerade gut performt und der andere nicht. Das muss konsistent sein. Wir müssen das interpretieren können.

Selektieren Sie die Manager selbst oder ziehen Sie Consultants zurate?
Das ist wiederum etwas, von dem wir ­sagen: Das ist unsere Spezialität. Wir kennen die Manager und treffen die Auswahl selbst. Vorhin hatte ich gesagt, was nicht unsere Spezialität ist, nämlich Wertpapiere direkt zu managen. Wir sehen unsere Spezialität darin, interessante Stile und gute Manager zu identifizieren und auf dieser Basis dann das Portfolio zu konstruieren.

Das Währungsrisiko ist für einen internationalen Konzern wie Volkswagen ein wichtiges Thema. Welche Rolle spielt es im Treasury?
Eine sehr zentrale Rolle. In den Treasury-Fonds und auch in den bAV-Vermögen streben­ wir eine risikooptimale Währungs­position an. Letztendlich betrachten wir hier Währungen als Anlageklasse. Als Renditebringer in den Fonds spielen sie aber keine große Rolle.
Für den Industriebereich, also das Unternehmen insgesamt, managen wir das Währungsrisiko, indem wir versuchen, den Schwankungsbeitrag von Währungen zum Ergebnis zu minimieren. Das heißt, wir versuchen uns gegen Fremdwährungsrisiken abzusichern, so dass im Schnitt über die Jahre­ der Einfluss von Währungsschwankungen auf das operative Ergebnis minimiert wird. Das kann dazu führen, dass in dem ein­ oder anderen Jahr ein positiver oder negativer­ Beitrag dabei herauskommt. Aber im Mittel über die Jahre soll das Ergebnis geglättet werden.­

Sie sind nicht nur für die liquiden Mittel des Konzerns zuständig, sondern auch für den Pensionsfonds und Zeitwertfonds, die in ­einem Pension Trust administriert werden.
Genau. Ich bin im Aufsichtsrat vom Pension­ Trust, und Mitarbeiter von mir stellen­ den Vorstand. Letztendlich ist unsere Auf­gabe, die Assets des Pensionsfonds und Zeitwertfonds zu managen.

Welche Anlageziele verfolgen Sie in Ihrem Pensions-­ und Zeitwertfonds?
Wir wollen ungefähr drei bis fünf Prozent Rendite pro Jahr erreichen.

Hier bewegt man sich in einer anderen Welt als bei den liquiden Mitteln. Die Kapital­anlagestrategien sind verschieden.
Das ist richtig. Das bAV- und Zeitwert­vermögen sind nicht in Wertsicherungskonzepte, sondern Benchmark-orientierte Fonds investiert. Ich würde sagen, es sind klassische gemischte Fondskonzepte mit einer strategischen Asset Allocation und einem Risiko-­Overlay, mit dem wir taktische Abweichungen von der strategischen Asset Allocation steuern.

Inwiefern unterscheidet sich die Anlage­strategie des Zeitwertfonds von der des Pensions­fonds?
Die sind im Grunde genommen sehr ähnlich. Es gibt Nuancen an Unterschieden, aber im Wesentlichen ist es dasselbe.

Vor zehn Jahren hat portfolio institutionell ein Interview mit einem früheren Kollegen von Ihnen geführt. Damals waren sowohl der Pensionsfonds als auch der Zeitwertfonds ausschließlich in Aktien­ und Renten investiert. Wie sieht es heute aus? Versuchen Sie beispielsweise, Illiquiditätsprämien bei Real Assets zu vereinnahmen?
Wir schauen uns das an, müssen aber ehrlich sagen, dass das Potenzial aus unserer Sicht begrenzt ist. Wenn man beispielsweise alternative Energien, Windparks oder Infrastrukturthemen gut nutzen will, muss man sich sehr intensiv damit beschäftigen. Wir haben bislang für uns hier nicht das ganz große Potenzial entdeckt. Viele dieser Themen sind von der Rendite her nicht so toll, man ist eher enttäuscht. Und es ist enorm aufwendig. Der Ertrag und Aufwand stehen in keinem wirklich günstigen Verhältnis.
Hinzu kommt, dass man auch keine großen­ Mittel allokieren kann. Sie können vielleicht mal zehn, 50 oder maximal 100 Millionen­ Euro investieren. Es ist nicht einfach, über diese Schiene eine Allokation aufzubauen, die im Kontext des Portfolios eine Rolle spielt. So haben wir das zumindest bislang­ wahrgenommen. Das heißt aber nicht, dass wir uns das Thema nicht an­schauen. Wir sind im Moment aber eher enttäuscht von den Möglichkeiten, die wir entdeckt haben.

Und Immobilien?
Das ist ein ähnliches Thema. Es ist die Frage, ob das Rendite-Risiko-Verhältnis wirklich immer so toll ist, wie man es sich vorstellt. Es ist etwas anderes, wenn man ein großer Versicherer ist, der eine eigene Abteilung hat, die nur Immobilieninvestments – oftmals direkt – tätigt. Für solche Dinge haben­ wir nicht das Know-how. Das ist überhaupt nicht in unserem Scope.
Wir müssten das in einem verbrieften Format machen. Auch das schauen wir uns an. Wir hatten auch schon Immobilien­anlagen, aber diese haben uns nicht wirklich überzeugt.

Agieren Sie in Ihrem Pensionsvermögen also ähnlich wie bei den liquiden Mitteln? Sie hatten­ gesagt, dass Sie über die Stil- und Manager­diversifikation kommen.
Ja. Auch hier suchen wir nach Managern, die Alpha gegenüber Benchmarks generieren können. Im Wesentlichen sind es Spezialfondsmandate.

Versuchen Sie, Synergien zu heben? Wenn Sie zum Beispiel einen tollen Manager für die liquiden Mittel mandatiert haben, nutzen Sie diesen auch im Pensionsfonds?
Synergien gibt es am ehesten zwischen dem Zeitwertfonds und dem Pensionsfonds. Zwischen den Long-only-Mandaten, also den Benchmark-Mandaten im Zeitwert- und Pensionsfonds auf der einen und den Absolute-Return-Mandaten im Treasury-Bereich auf der anderen Seite gibt es wenige Synergien. Das sind getrennte Welten. Das lässt sich nicht einfach übersetzen. Gute Long-only-Manager sind nicht unbedingt gute Absolute-Return-Manager und vice versa. Denn die ­guten Absolute-Return-Manager sind oft sehr spezialisiert.
Hier sind wir wieder beim Stilthema. Ein guter Absolute-Return-Manager muss ein bisschen betriebsblind sein. Er muss sich auf seinen Stil fokussieren und macht den ganzen Tag nichts anderes. Oftmals sind Absolute-­Return-Manager Boutiquen, die auf Basis einer Investmentidee gegründet wurden.­ Daraus ergibt sich ziemlich automatisch, dass sie kein breites Angebot an Long-only-Mandaten anbieten können.

Spielen passive Produkte bei Ihnen auch eine Rolle?
Keine große, aber wir haben auch einige Passivstrategien in den sehr liquiden Asset-Klassen. Es gilt die alte Regel: Je illiquider die Asset-Klasse, desto höher ist die Chance, Alpha­ zu generieren. Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Alpha-Generierungsfähigkeit von Managern.

Sie glauben also an die Alpha-Fähigkeit von Managern?
Es ist keine Frage von Glauben. Ich will auch nicht etwas Allgemeines philosophieren. Es ist unsere Beobachtung. Es gibt einige­ Manager, die wir schon seit vielen Jahren mandatiert haben, die durchaus in der Lage sind, durch einen Zyklus hindurch eine Performance zu generieren. Das sind sicherlich nicht viele, aber es gibt sie. Denen sind wir dann auch treu.

Die Kosten sind bei aktiven Mandaten höher als bei Passivmandaten.
Nur, dass wir uns nicht falsch verstehen. Ich glaube, die Argumente für passive Produkte­ sind richtig. Wenn Sie ein Privat­anleger sind oder nicht die Ressourcen haben, um sich auf breiter Front umzutun, sind Sie wahrscheinlich besser damit bedient, wenn Sie sagen: Ich bezahle keinem Manager eine hohe Gebühr auf die Wette hin, dass er mir dies mit einem hohen Alpha vergelten kann. Diese Wette ist eine sehr unsichere. Insofern hat es Wert zu sagen, ich gehe lieber in den passiven Bereich und spare die Kosten. Das ist keine verkehrte Argumentation.

Wie sieht es bei Ihnen mit dem Thema „Liability-­driven Investments“ aus?
Das machen wir im Konzern fast gar nicht. Das findet sich eher im angelsächsischen Bereich bei der ein oder anderen Tochter. In den nationalen Plänen wird das hier und da angewendet. Aber im Kontext des Konzerns spielt das eine sehr geringe Rolle.

Die Pensionsverpflichtungen von Volks­wagen belaufen sich auf 38,9 Milliarden Euro Ende 2014. Laut Towers Watson sind diese zu 24 Prozent ausfinanziert. Das liegt deutlich unter dem Durchschnitt im Dax. Hat das einen­ speziellen Grund?
Man muss bei VW immer ein bisschen aufpassen, weil die absoluten Zahlen sehr groß sind. Man muss dies in den entsprechenden relativen Kontext einordnen. Wir haben, wie Sie richtig sagen, Defined Benefit Obligations von ungefähr 39 Milliarden Euro.­ Mit Assets unterlegt sind etwas mehr als neun Milliarden Euro. Das heißt, rückstellungsfinanziert sind bei uns knapp 30 Milliarden Euro.
Wenn Sie diese Summe ins Verhältnis zum Eigenkapital setzen, liegen wir ungefähr bei einem Drittel des Eigenkapitals – bezogen auf die rückstellungsfinanzierten Defined Benefit Obligations. Wenn Sie das wiederum im Dax-Kontext vergleichen, stehen wir mit unseren 33 Prozent ganz gut da. Es gibt durchaus sehr potente Unternehmen, die einen­ deutlich höheren Anteil rückstellungsfinanzierter Defined Benefit Obligations am Eigenkapital haben. Und es gibt einige, die bei über 100 Prozent am Eigenkapital liegen. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt betrifft die Cashflow-Belastung, die die Pensionen für uns pro Jahr darstellen. Hier liegen wir momentan bei ­etwas unter einer Milliarde Euro pro Jahr. Wenn Sie das in Relation zu unserem Ebitda von circa­ 23 Milliarden Euro im Jahr 2014 setzen, sehen Sie, dass der Cashflow gemessen am Ebitda im Vergleich zur Cashout-­Belastung durch Pensionszahlungen sehr großzügig ist. Das heißt, die Pensionszahlungen stellen keine wirkliche Gefahr dar.
Der große Vorteil von Defined Benefit Obligations ist, dass wir heute schon die Cashflows über die nächsten 30, 40 Jahre relativ genau kennen. Wir wissen, dass sich die Cashflow-Belastung nicht wesentlich erhöhen wird. Sie wird in den nächsten Jahren zwar etwas nach oben gehen, aber hinterher auch wieder runter. Sie wird niemals deutlich über eine Milliarde Euro pro Jahr betragen.

Und aus Rating-Sicht? Soweit ich das sehe, mögen Rating-Agenturen, wenn die Pensions­verpflichtungen ausfinanziert sind.
Ja, Sie dürfen nur eines nicht vergessen: Wenn Sie die Verpflichtungen ausfinanzieren wollen, müssen Sie das Geld dafür irgend­woher nehmen. Dafür gibt es zwei Quellen: Entweder Sie nehmen es aus der Bruttoliquidität. Dann sinkt die Nettoliquidität, und Ihre Verbindlichkeiten sinken ebenfalls. Das heißt, es ist im Wesentlichen ein Nullsummenspiel.
Die zweite Quelle wäre die Verschuldung. Sie leihen sich das Geld, um die Pensions­verpflichtungen zu verringern. Allerdings ist auch das ein Nullsummenspiel, weil Sie zwar die Verbindlichkeiten im Pensionsbereich verringern, aber in einem anderen Bereich hochfahren. Das heißt, finanztechnisch reden wir über Nullsummenspiele. Am Ende bleibt die Frage: Belasten Sie die Defined Benefit­ Obligations auf der Cashflow-Seite? Bei VW muss man ganz klar sagen, nein. Oder sind die Defined Benefit Obligations, die durch Rückstellungen finanziert sind, im Vergleich zum Eigenkapital übermäßig hoch? Und auch hier kann Volkswagen klar sagen, nein.

Es gibt also keine Pläne, den Ausfinanzierungsgrad zu erhöhen?
Wir sind nicht grundsätzlich gegen Aus­finanzierung. Alles was ich sagen will, ist: Wir haben keinen Druck, auszufinanzieren. Es besteht für uns derzeit keine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Also können wir uns den optimalen Zeitpunkt für die Aus­finanzierung aussuchen.
Und ich würde sagen, es gibt sicherlich Zinskonstellationen, in denen es günstiger ist auszufinanzieren als im Moment. Wenn beispielsweise die Zinsen wieder hoch gehen, ist der Gegenwartswert der Liabilities niedrig. Das wäre ein Zeitpunkt, an dem ich sagen würde, dass wir durchaus darüber nachdenken könnten.

Inwiefern spielen die Regulierungsvorhaben, wie die anstehende Pensionsfonds-Richtlinie, in Ihren Überlegungen eine Rolle?
Die rückstellungsfinanzierten Zusagen sind bei uns geschlossen. Alle neuen Zusagen­ für Mitarbeiter in Deutschland laufen seit 2001 über den Pension Trust. Die Ära der reinen­ rückstellungsfinanzierten Direkt­zusage ist vorbei. Wir leben in einer Zeit, in der im Grunde genommen alles über den Pension Trust läuft. Das spielt sich alles im Bereich der Direktzusage ab. Das ist unser Weg, den wir auch weiter gehen werden. Und ich glaube, dass uns die Regulierung hierbei in den nächsten Jahren nicht groß stören wird. Wir beobachten die Vorhaben natürlich, aber wir sehen im Moment keine Anzeichen dafür, dass regulierungstechnisch etwas auf uns zukommt, das unser Modell stören würde.

Wie stehen Sie zum Thema „Pension Pooling“? Sie haben schließlich nicht nur in Deutschland Pensionsverpflichtungen, sondern auch in anderen Ländern.
Wir haben uns das Thema vor Jahren einmal angesehen. Das ist aber extrem komplex, und es sind sehr viele steuerliche Fragestellungen zu klären, so dass wir es im Moment nicht aktiv verfolgen. Was wir haben, ist eine Art Pension Monitoring. Wir schauen uns beispielsweise die Pläne in allen Ländern an, prüfen, wie die Asset-Management-Seite ­geregelt ist, machen ALM-Studien und schauen uns an, wie sich der Funding-Status nach lokaler­ Regulierung darstellt. Wir machen ­sozusagen ein globales Pension Controlling. Wir wollen überall wissen, wo wir stehen und wie wir als Konzern insgesamt gefundet sind, nach IFRS, aber auch nach lokalen Regulierungen. Das ist der Weg, den wir gegangen sind. Wir sind in über 150 Ländern der Welt, das bekommen Sie mit Pension Pooling nicht alles unter einen Hut.

Sie erstellen für Ihre Pensionspläne regel­mäßig ALM­-Studien. Wie oft?
Jährlich bis alle drei Jahre schauen wir uns das an. Die Struktur der Verbindlich­keiten ist allerdings relativ stabil, insofern kommen wir eigentlich immer wieder zum selben Ergebnis.

portfolio institutionell, Ausgabe 06/2015

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