Was im Land der Oranier grün ist
Die Niederlande haben nicht nur einen größeren Pension-Markt als Deutschland. Unterschiede finden sich auch auf den Feldern Outsourcing, Impacts und Verteidigung, wo die großen Pensionsfonds exklusive Ansprüche und Sichtweisen haben. Neue Impulse gibt diesen Themen insbesondere ABP.
Die beiden Hauptstädte Amsterdam und Berlin liegen 620 Kilometer auseinander, im Pensionswesen dagegen beträgt der Abstand 1.191 Milliarden Dollar an Assets. Um diesen Betrag ist laut der aktuellen Global Pension Assets Study des Thinking Ahead Institute der niederländische Pensionsmarkt größer als sein deutsches Pendant. Grund dafür, dass ersterer Markt mehr als dreimal so groß ist, ist, dass die zweite Säule im westlichen Nachbarland eine viel größere Bedeutung hat.
Gemäß der Study liegt in den Niederlanden das Assets/GDP-Ratio bei 143 Prozent und in Deutschland bei zwölf Prozent. Die Nase vorn hat Deutschland aber bei der Zahl der Altersvorsorgeeinrichtungen. Den 251 Pensionskassen, Pensionsfonds und berufsständischen Versorgungswerken (125 PKs, 35 Pensionsfonds, 91 VWs) in Deutschland stehen laut der Dutch Federation of Pension Funds etwa 200 Pensionsfonds gegenüber.
Allerdings sind die Niederländer bei der Konsolidierung fixer: Nur eine Dekade zuvor waren es noch 600 aktive Pensionsfonds. Diese große Reduktion ist noch erstaunlicher, wenn man berücksichtigt, dass sich in diesem Zeitraum das Asset-Volumen verdoppelt hat.
Wenig verwunderlich ist aufgrund dieser Dimensionen, dass Pensionsfonds in den Niederlanden mehr Aufmerksamkeit „genießen“. Während der durchschnittliche Bundesbürger wahrscheinlich gar nicht weiß, was ein Pensionsfonds macht und tut, hegen die niederländischen Parteien NSC und BBB Pläne für Volksabstimmungen über die Umstellung auf das beschlossene neue Rentensystem, das vor allem die Transition von Defined Benefits zu Defined Contributions beinhaltet, die bis Anfang 2028 erfolgen soll.
Der Vorstandsvorsitzende des größten Pensionsfonds hielt es für angebracht, öffentlich dagegen Stellung zu nehmen. Harmen van Wijnen warnt vor den zu Lasten der Renten gehenden Mehrkosten, die die Durchführung von zwei parallel existierenden Systemen erfordern würden. „Was NSC und BBB wollen, könnte sogar das Ende des erneuerten Rentensystems bedeuten“, so van Wijnen. Aktueller Stand ist, dass die Parteien das Rentenreferendum zumindest nicht mehr verpflichtend machen wollen.
ABP will aber auch selbst mehr Aufmerksamkeit. Dem Pensionsfonds, dessen Assets Stand Ende 2024 einen Pegel von etwa 552 Milliarden Euro erreichten, gehören 92 Prozent an dem die Kapitalanlage umsetzenden Dienstleister APG, welcher wiederum auch für acht andere Pensionsfonds tätig ist. ABP möchte, dass APG bis 2030 die anderen Fiduciary-Kunden verabschiedet. Ein etwas überraschender Plan, weil überall woanders im Asset Management Skalierungsbestrebungen darauf abzielen, möglichst viele Assets zu managen, um möglichst geringe Fixkosten zu haben.
Harmen van Wijnens Exklusivitätsansprüche begründen sich allerdings nicht in einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom auf psychologischer Ebene, sondern ebenfalls in betriebswirtschaftlichen Kosten- und Renditeüberlegungen. „Wenn APG als Asset Manager auch für andere Kunden tätig ist, führt dies zu zusätzlicher Komplexität, was wiederum nicht notwendigerweise für zusätzliche Renditen sorgt“, so der ABP-Chairman. Asset-Management-Kunden sollen bis 2030 zu anderen Vermögensverwaltern wechseln, verfügt ABP.
Eine große Rolle in der Abwägung zwischen Größenvorteilen und Komplexitätsnachteilen im Asset Management dürfte gespielt haben, dass APG für ABP 552 Milliarden Euro hegt und pflegt, aber für drei andere Pensionsfonds-Kunden zusammen nur 75 Milliarden Euro. Bei einer halben Billion an AuM sind Skalierungspotenziale bereits ziemlich ausgereizt. Größenvorteile sieht man aber in der Administration, weshalb APG weiter Pension Management für mehrere Kunden anbieten soll. Jedoch werde APG hier Rentenverwaltungs-Teams einrichten, die sich ausschließlich auf die Betreuung der Teilnehmer und Arbeitgeber von ABP konzentrieren. Im Pension Management hat APG insgesamt acht Kunden.
Eine Orientierungshilfe gab dem größten Pensionsfonds der Niederlande der zweitgrößte. PFZW, der Ende 2023 auf AuM von 238 Milliarden Euro kam, wies seinen fiduziarischen Asset Manager PGGM bereits 2021 an, andere Kunden zu verabschieden und sich einzig und allein PFZW zu widmen. Gegenüber dem Fachmagazin Pensioen Pro begründete van Wijnen den Wunsch nach Exklusivität auch mit einer sehr deutsch klingenden Argumentation: „Man kann alles outsourcen, aber am Ende des Tages, bleibt der Pensionsfonds in der Verantwortung. Das bedeutet auch, dass es bei der Auslagerung keine Störgeräusche geben sollte.“
Diese Störgeräusche können beispielsweise bei der Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitsvorstellungen in einem Mehranlegerfonds auftreten, was besonders nervig sein kann, wenn man diesen Fonds selbst zu 90 Prozent befüllt hat. Nachhaltigkeit spielt für niederländische Pensionsfonds eine große Rolle und wird auch recht konsequent umgesetzt. So verbannte PFZW Anfang 2024, enttäuscht von den Ergebnissen der eigenen Engagements, 310 Öl- und Gasunternehmen im Gesamtwert von 2,8 Milliarden Euro aus dem Portfolio.
Nur sieben Unternehmen, deren Klimawandelstrategie PFZW überzeugt, blieben im investierbaren Anlageuniversum. „Der intensive Aktionärsdialog der letzten zwei Jahren mit der Öl- und Gasbranche zum Thema Klima hat uns deutlich gemacht, dass die meisten fossilen Unternehmen nicht bereit sind, ihre Geschäftsmodelle an ‚Paris‘ anzupassen“, monierte PFZW-Boss Joanne Kellermann vor etwas mehr als einem Jahr. „Die sieben Unternehmen, in die wir weiterhin investieren werden, sind die einzigen Unternehmen, die zeigen, dass ein Wechsel möglich ist. Gleichzeitig ist es aber auch enttäuschend, dass es nur sieben sind.“
ABP gibt Investments Impact
ABP geht für die Nachhaltigkeit sogar so weit, dass man in kurzer Zeit einige Impact-Investments einging. Bis 2030 will ABP 30 Milliarden Euro in Impact Investments investieren. Im März vermeldete man ein Investment in einen Impact-Fonds von Arcmont Asset Management, der Kredite an europäische Unternehmen vergeben will, die Lösungen bezüglich Klimawandel, Gesundheit, Bildung oder zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen anbieten. Im Februar gab der Altersversorger ein gemeinsames Impact Investment mit Partnern in Höhe von 32,5 Millionen in Milchproteine bekannt. Diese will das niederländische Start-up Vivici ohne Kühe produzieren.
Die Wirkung der Investition, die Teil des ABP Dutch Energy Transition and Biodiversity Fund ist, liegt darin, dass die Viehzucht immer mehr Flächen einnimmt, zu Umweltverschmutzung sowie Verlust der Natur und der Biodiversität führt. Konkret soll die Kuh-lose Produktion für bis zu 68 Prozent weniger CO₂-Emissionen und 86 Prozent weniger Wasserverbrauch sorgen und erschafft zudem laktosefreie Proteine. ABPs Hauptziel der Investition ist aber eine positive Rendite. Das dritte Impact Investment wurde im Januar verkündet, nämlich ein Investment in einen Fonds der Rabobank-Tochter Colesco. Auch dieser vergibt Kredite an Unternehmen. Hauptsächlich sollen inländische Unternehmen finanziert werden, die an der Energiewende, nachhaltigen Lebensmitteln oder Inklusion arbeiten.
PFZW investiert in CCS
Aufmerksamkeit verdienen auch die nachhaltigen Investments von PFZW. Der Pensionsfonds für den Healthcare-Sektor erwarb beispielsweise über seinen hauseigenen Dienstleister PGGM 49 Prozent an Carbon Collectors. Dieses Unternehmen sammelt nicht nur CO₂, sondern ist auch in dessen Transport und Speicherung aktiv.
Während man also in Deutschland noch die Nachhaltigkeit von Carbon Capture Storage (CCS) diskutiert, ist PFZW bereits beim Investieren. Teil dieses Investments ist das exklusive Recht für PGGM, bis zu 200 Millionen Euro in Form von Eigenkapital in Projekte zum Aufbau der erforderlichen Infrastruktur zu investieren, die für die Sammlung, den Transport und die Einspeisung von CO₂ in geeignete geologische Endlagerstätten, wie zum Beispiel erschöpfte Offshore-Gasfelder, genutzt wird. Diese Investitionen sollen Carbon Collectors in die Lage versetzen, erste Projekte zu realisieren und die Projektumsetzung zu beschleunigen.
Unter dem Strich werde Carbon Collectors gemeinsam mit seinen strategischen Projektpartnern in der Lage sein, kurzfristig eine realistische, wettbewerbsfähige, flexible und skalierbare Lösung auf den Markt zu bringen, die einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klimaziele leisten kann. Carbon Collectors zielt auf Kunden ab, die zum Kreis der „hard to abate industries“ zählen. Hierzu zählen Sektoren, die auf andere Weise, vor allem aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs, besonders schwer zu dekarbonisieren sind. Als Beispiele hierfür nennt PGGM die Stahl- und Zementindustrie sowie die Abfallbehandlung, Recycling und die Zellstoff- und Papierindustrie.
Für Carbon Collectors sei es wichtig, dass jedes Projekt, an dem das Unternehmen beteiligt ist, einen erheblichen Netto-Klimagewinn bringt. „Diese Investition in Carbon Collectors passt perfekt zum Ziel von PFZW, die Chancen der Energiewende zu nutzen“, freut sich Simon Nicolaas, Investment Director bei PGGM Infrastructure. „Wir sind auf der Suche nach Unternehmen, die in dieser Hinsicht gut aufgestellt sind und die langfristigen Renditen erzielen, die wir benötigen, um den nachfolgenden Generationen von Arbeitnehmern im Gesundheits- und Sozialwesen eine gute Rente zu zahlen. Carbon Collectors trägt auch zum Ziel von PFZW bei, bis 2050 ein Netto-Null-Investitionsportfolio zu erreichen, was im Einklang mit der Verpflichtung von PFZW zum Pariser Klimaabkommen steht.“
Einen innovativen ESG-Impact schafft PFZW auf der Finanzierungsseite über ESG-linked Credit Risk Sharing Transactions mit der spanischen Bank BBVA. Diese Pionierleistung wurde vor kurzem mit dem schwedischen Pensionsfonds Alecta und mit vier auf nun sechs Milliarden Euro ergänzt. Für die Bank eröffnet das Engagement der beiden Pensionsfonds die Möglichkeit für Significant-Risk-Transfer-Transaktionen (SRT) beziehungsweise für eine Kapitalentlastung von 79 Prozent. Für die zwei Anleger ist interessant, dass über 30 Prozent des Kreditportfolios an ESG-Leistungsindikatoren gekoppelt sind, wodurch die Kapitalkosten direkt an die ESG-Ergebnisse der Kreditnehmer gebunden werden.
Dieser Ansatz spiegele die Vision von BBVA, PGGM und Alecta wider, ESG-Standards in zentrale Finanzinstrumente zu integrieren. „Die Zusammenarbeit mit BBVA bei der effizienten Aufstockung dieser Transaktion, die nun ein Portfolio von sechs Milliarden Euro umfasst, in Kooperation mit unserem gleichgesinnten Co-Investitionspartner Alecta ist ein großer Schritt nach vorn“, so Mascha Canio, Credit & Insurance Linked Investments, PGGM. „Wir sehen einen klaren Nutzen darin, Anreize für Unternehmen zu schaffen, ihre nachhaltigen Praktiken zu verbessern, und mit Partnern zusammenzuarbeiten, die dieses Ziel teilen.“
Von ESG zu ESSG
Ein interessantes ABP-Investment aus diesem Jahr – und ein Kind der Zeit – ist die erneute Wachstumsfinanzierung eines niederländischen Drohnen-Spotters im Umfang von 25 Millionen Euro: Robin Radar Systems, gestartet in der Vogelschwarm-Kartierung zum Schutz von Flugzeugen und zum Schutz der Vögel vor Offshore-Windkraftanlagen, hat sich auf das Aufspüren und Verfolgen von Flugdrohnen spezialisiert. Aufgrund des Ukraine-Kriegs konnte das Unternehmen stark wachsen.
ABP investiert pro Jahr zwischen 400 und zwei Milliarden Euro in Unternehmen, die einen Beitrag zur Verteidigungsindustrie leisten. „Denn eine lebenswerte Welt ist auch eine sichere Welt. Und weil wir wollen, dass ‚unsere‘ Polizei und Verteidigung über die richtigen Werkzeuge verfügen, um ihre Aufgaben zu erfüllen“, teilt ABP mit. Ausgeschlossen sind Unternehmen, die an der Herstellung von Streubomben, Antipersonenminen sowie chemischen und biologischen Waffen beteiligt sind. ABP schließt nicht aus, dass der Defense-Sektor nicht auch nachhaltig sein kann. Auf Linkedin bezeichnet Harmen van Wijnens Sicherheit in Europa als eine Voraussetzung für eine gute Rendite. „Deshalb habe ich heute vorgeschlagen, den ESG-Standard, um ein S zu ergänzen. Investitionen sollten nicht nur nach den Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung geprüft werden, sondern sicherlich auch nach dem S für Security.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: CO₂-Fußabdruck | Nachhaltigkeit/ESG-konformes Investieren | Niederlande | Weltspiegel
In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar