Versicherungen
23. September 2015

Was wird aus der Lebensversicherung, Herr Dr. Botermann und Herr Dr. Eurich?

Versicherer stehen vor fundamentalen Herausforderungen. portfolio sprach mit Dr. Walter Botermann, Vorstandsvorsitzender der Alten Leipziger, und Dr. Andreas Eurich, Vorstandsvorsitzender der Barmenia Versicherungen.

Niedrigzinsen spalten die Branche bei der Produktentwicklung, insbesondere bei Garantien. Welche LV-Produkte haben aus Ihrer Sicht Zukunft und welche nicht? Könnten Sie dies kurz begründen?
Botermann: Wir gehen davon aus, dass klassische und fondsgebundene Rentenversicherungen weiterhin im Markt bestimmend sein werden. Aufgrund der Niedrigzinsphase ist es schwieriger, die Garantiehöhen finanztechnisch abbilden zu können: Der Anteil der Prämie zur Darstellung der Garantie wird höher und der freie Anteil der Prämie zur Erzielung einer über die Garantieverzinsung hinausgehenden Rendite zwangsläufig geringer. Es gibt jedoch noch Unternehmen, die aufgrund ihrer Bilanzkennzahlen Garantieprodukte anbieten können. In der betrieblichen Altersversorgung werden klassische Garantieprodukte erste Wahl bleiben. Bei diesen Produkten erwarten wir einen Trend zu angepassten Garantien zugunsten eines erhöhten Leistungspotenzials bei der Ablaufleistung beziehungsweise Rentenhöhe. Für jüngere, investmentorientierte Kunden werden sich weitere renditeorientierte Produkte etablieren, die über intelligente Absicherungsmechanismen verfügen, aber auf traditionelle Garantien eher verzichten.
Eurich: Ich bin der festen Überzeugung, dass der Bedarf an der Absicherung der Arbeitskraft nach wie vor groß sein wird. Hier sehe ich gute Absatzpotenziale. Gerade mit unseren Berufsunfähigkeitsversicherungen sind wir hier sehr gut aufgestellt. Ein weiteres zentrales Thema bleibt die private Altersvorsorge. Denn nur über private Vorsorge kann der demografischen Entwicklung und der drohenden Altersarmut begegnet werden. Hier bieten wir neben den klassischen Produkten auch fondsgebundene Lösungen an. Damit sind wir meines Erachtens gut aufgestellt. Ich persönlich bin ein großer Anhänger von Produkten, die ein verlässliches Garantieversprechen bieten. Hier gibt es gerade sehr viel Bewegung, sowohl bei klassischen als auch bei Fondsprodukten. Wir beobachten die Entwicklungen intensiv und überlegen natürlich, neue Konzepte zu entwickeln.
Solvency II kommt zum 1. Januar 2016 mit Übergangsszenarien. Was erwarten Sie als erste Auswirkung im kommenden Jahr? Und wäre die Übertragung des Kapitalanlagerisikos auf den Kunden nicht strategisch zu kurz gesprungen, da es Verbraucher weg von den Lebensversicherern und hin direkt zu Fondsanbietern treiben könnte?
Botermann: Die Übergangsmaßnahmen werden einigen Versicherern die Umstellung auf Solvency II erleichtern. Erste Auswirkungen erwarten wir aber erst ab 2017, wenn die Bedeckungsquoten mit und ohne Übergangsmaßnahmen auch an die Öffentlichkeit kommuniziert werden. Wir begrüßen diese Transparenz und erwarten eine Hinwendung der Kunden zu solide kapitalisierten Gesellschaften.
Eurich: Abschnittsweise oder endfällige Garantien werden vermutlich ab 2016 vermehrt am Markt zu finden sein. Reine fondsgebundene Produkte werden klassische Garantieprodukte jedoch nicht verdrängen. Wir gehen davon aus, dass die Lebensversicherer mit den angesprochenen neuen Produkten das Kapitalanlagerisiko nicht an den Kunden übertragen, sondern nur modifizierte Garantien anbieten werden. Damit werden sie auch zukünftig unabhängig von Fondsanbietern attraktive Altersvorsorge anbieten. 
Welche  Zukunft hat bei Ihnen der Maklervertrieb, wie sorgen Sie bei Umsetzung des Lebensversicherungs-Reformgesetzes (LVRG) für faire Vergütung, die den Makler nachhaltig überleben lässt?
Botermann: Der Alte Leipziger- und Hallesche-Konzern ist traditionell ein Maklerversicherer, und wir beabsichtigen an dieser Stelle keine Änderung unserer Geschäftsstrategie. Wir haben unsere Tarife an die Anforderungen des LVRG angepasst. In diesem Veränderungsprozess, der langfristig zu einer stärkeren Vermittlung gegen laufende Courtage führt, bieten wir Maklern eine wie üblich verlässliche und faire Unterstützung. Die teilweise Umstellung auf laufende Vergütung kann einen Vorteil für die Vermittler darstellen, da sich so ihre Planungssicherheit in Bezug auf die Einnahmen verbessert.
Eurich: Das Gesetz hat das Potenzial, den deutschen Lebensversicherungsmarkt von Grund auf zu ändern. Ich sehe es als Chance für die Branche, die Lebensversicherung fit für die Zukunft zu machen. Die Begrenzung der bilanziell anrechenbaren Abschlusskosten wird voraussichtlich bei den Vertriebsvergütungen Änderungen mit sich bringen, und zwar sowohl in der Höhe als auch der Art der Zahlungsweise von Vergütungen, um ein für Kunden, Anbieter und Vertriebspartner nachhaltig attraktives Produkt anbieten zu können.
Die Gespräche führte Detlef Pohl
portfolio institutionell newsflash 23.09.2015/Detlef Pohl

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