Schwarzer Schwan
11. November 2016

Weißgeldstrategie auf Indisch

„Ist mein Geld noch sicher?“ Diese Frage scheint nicht zuletzt mit dem Einzug eines Horror-Clowns ins Weiße Haus immer mehr an Relevanz zu gewinnen und generiert bei Google jetzt schon fast vier Millionen Ergebnisse.

Eine Antwort, die man nicht bei der Suchmaschine findet, sondern von einer Privatbank bekommt, basiert auf der Überlegung, welche Staaten eine hohe Rechtssicherheit, wenige Einwohner pro Quadratkilometer und den ein oder anderen Flugplatz aufweisen. Na? Genau: die skandinavischen Länder sowie Kanada und Australien. Dort sollen Kunden der Privatbank irgendwo einen Geldspeicher angelegt haben. 
Die Frage, ob mein Geld noch sicher ist, wird in Simbabwe ganz anders beantwortet. In dem von einer Mega-Giga-Hyperinflation geplagten Land erhielten Sparer im vergangenen Jahr für 175 Billiarden Simbabwe-Dollar sagenhafte fünf US-Dollar gutgeschrieben. Damals soll Giesecke & Devrient Banknoten im Nominalwert von einer Billion Simbabwe-Dollar gedruckt haben. Die Scheine kamen aber angeblich nie in Umlauf, weil deren Materialwert die Kaufkraft bereits überstieg, als das Geld zur Auslieferung kommen sollte. Kein Wunder, dass in Simbabwe Kneipengänger ihr Bier immer schon bei der Bestellung und besser noch gleich beim Betreten der Bar bezahlen wollen. 
Über Mitternacht: vom Wertpapier zum Papierwert
In Indien kam der Geld-Alptraum über Mitternacht. Dieser dürfte die Geldentwertungsfantasien aller Euro-Sparer übertreffen. In einer kurzen Ansprache erläuterte Ministerpräsident Narendra Modi sein Verständnis von Bestandsschutz an einem realen Beispiel: Er erklärte überraschend, alle Geldscheine im Wert von mehr als 100 Rupien (umgerechnet rund 1,36 Euro) für ungültig. „Um uns aus dem Griff von Korruption und Schwarzgeld zu befreien, haben wir entschieden, dass die aktuellen 500- und 1.000-Rupien-Noten nicht mehr gültig sind", erklärte Modi laut verschiedenen Gazetten.
Verbrämen lässt sich die Maßnahme auch mit dem Kampf gegen Schwarzgeld und die weit verbreitete Schattenwirtschaft. Ein weniger hehres Ziel dieser konsequenten Weißgeldstrategie dürfte jedoch auch Wahltaktik gewesen sein: In Kürze stehen in Indien nämlich Regionalwahlen an, und kleinere Parteien pflegen gern Bargeld in den Kauf von Stimmen zu investieren. Die Folge der Aktion: Panikkäufe bei Tankstellen, Juwelieren, Goldhändlern und Apotheken. Wohneigentum verbilligte sich jedoch, da dieses auch in Indien anscheinend gern gegen Bargeld erworben wird. 
Begründen könnte Modi seine Maßnahme zynisch mit einem Zitat seines berühmten Landsmannes Mahatma Gandhi: „Das Geheimnis eines glücklichen Lebens liegt in der Entsagung.“ Die indische Bevölkerung könnten aber ebenfalls mit Gandhi antworten: „Misstrauen ist ein Zeichen von Schwäche.“ 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
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