Versicherungen
22. Juli 2013

Wenn Garantien die Existenz bedrohen

Die Assekuranz sucht händeringend nach Produktgestaltungen, um die Last alter Garantien abzuschütteln – oder zumindest zu reduzieren. Ergo und Allianz mit Produktinnovationen.

Die langfristige Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank macht den hiesigen Lebensversicherern schwer zu schaffen. Denn die gegenwärtig mit risikoarmen Zinspapieren erzielbaren Renditen reichen längst nicht mehr an die Garantieversprechen in Versicherungsverträgen heran. Nach Angaben der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) bekommen Versicherer für neue Kapitalanlagen in Staatsanleihen derzeit 1,3 Prozent, während sie Garantien für Millionen von Kunden im Bestand haben, die im Schnitt bei 3,1 Prozent liegen. Vor diesem Hintergrund suchen die Gesellschaften nach Möglichkeiten, ihre Garantielast drastisch zu senken. Durch die Absenkung der Garantieverzinsung in den vergangenen Jahren wurden bereits Fortschritte erzielt, im Hinblick auf den immer noch üppigen Garantiezins über die Bestände hinweg, ist der Druck jedoch nicht verflogen.
Für die Versicherer werden die niedrigen Zinsen in der Wiederanlage mehr und mehr zur Belastungsprobe. Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Vorstandschef des Wüstenrot & Württembergischen Konzerns (W&W) beklagte anlässlich der Bekanntgabe von Quartalszahlen von W&W, dass die jüngste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank die Phase des billigen Geldes zementiere. „Damit verschärft sich auch der Handlungsdruck für die Anbieter finanzieller Vorsorge, die einen Großteil ihres Kundengeschäfts im zinsnahen Bereich erzielen“, wie Erdland betonte. Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) haben die deutschen Versicherer Kapitalanlagen von rund 1243 Milliarden Euro. Davon entfielen zum Stichtag 31. Dezember 2012 rund 769 Milliarden Euro auf die Assekuranz, wobei der Schwerpunkt auf Rentenpapieren liegt. 
Inzwischen ziehen sich immer mehr Versicherer aus dem Geschäft mit klassischen Lebensversicherungen zurück. Prominentes Beispiel ist die Zurich, die angekündigt hat, nur noch in Ausnahmefällen klassische Policen zu verkaufen. Ein besonders markantes Exempel ist die Delta Lloyd, die den Vertrieb von Lebensversicherungen in Deutschland eingestellt hat, was mit strategischen Überlegungen begründet wurde. Nach Darstellung der DAV denken erste Anbieter über begrenzte Garantien nach. Marktführer Allianz kommt derzeit in diesem Zusammenhang mit einer neuen Police auf den Markt. Konkurrent Ergo hat ebenfalls ein neues Modell angekündigt. 
Anbieter wollen vom Garantiezins weg 
Zum 1. Juli hat die Ergo eine Lebensversicherung mit abgeschwächter Garantie auf den Markt gebracht. Statt garantierter Rente, Mindestverzinsung, garantierten Rückkaufwerten und – zumindest dem Prinzip nach – garantierten Überschussbeteiligungen, garantiert die „Ergo Rente Garantie“ lediglich den Erhalt der eingezahlten Beiträge zum vereinbarten Stichtag, in der Regel am Ende der Einzahlphase.  Außerdem gibt es eine garantierte Mindestrente bis zum Lebensende. Mehr kann es werden, denn einen Teil der Beiträge legt Ergo als Garantiegeber wachstumsorientiert am Aktien- und Rentenmarkt an. Bei der Allianz sollen die Kunden nur noch eine Garantie für die Zeit des Ansparens bekommen. So sieht es das neue Vorsorgekonzept „Perspektive“ vor. Mit Rentenbeginn wird dann ein neuer Satz fixiert.
Während die Assekuranz die Garantielasten reduzieren möchte, spricht sich Dr. Johannes Lörper, Past-President der Deutschen Aktuarvereinigung dafür aus, Garantien gänzlich zu vermeiden. „Wir sollten als Aktuare darauf drängen, dass keine Garantien mehr für unbegrenzte Zeit gegeben werden.“ Mit dieser Sichtweise weist Lörper in eine interessante, aber nicht unumstrittene Richtung. „Es stellt sich die Frage, ob es angesichts der jüngsten Erfahrungen auf dem Kapitalmarkt noch redlich ist, selbst solche niedrigen Zinsen für eine sehr, sehr lange Zeit zu garantieren.“ 
portfolio institutionell newsflash 08.07.2013/Tobias Bürger
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