Administration
18. April 2012

Wichtige Weichenstellungen

Dekade im Rückblick: Zehn Jahre institutionelle Kapitalanlage, zehn Jahre Krisenmanagement und zehn Jahrgänge portfolio institutionell: Langweilig war es nie! Den Anfang unseres Rückblicks macht das Jahr 2002.

Kein Jahr prägte die institutionelle Kapitalanlage so stark wie 2002. Der Gesetzgeber war sehr fleißig. Vor allem  trat das ­sogenannte Nikolausrundschreiben in Kraft, das die Auslagerung von Finanzdienstleistungen erlaubte. R11/2001 vom 6. Dezember 2001 ­verkündete auch offiziell das Placet für Master-KAGen. Deren Siegeszug in der Administration ist Legende. Der Gesetzgeber brachte für das Jahr 2002 aber nicht nur besagtes Rundschreiben, sondern auch die Anlageverordnung mit allen für das Sicherungsvermögen und ­gebundene Vermögen zulässigen Anlageklassen sowie deren Mischung und Streuung. Ebenfalls zu den legislativen Neuerungen zählte,­ dass im ­Januar Pensionsfonds als fünfter Durchführungsweg für die betrieb­liche Altersvorsorge eingeführt wurden. Dieses Vehikel findet heute aber lange nicht die Verbreitung wie eine Master-KAG. Da halfen auch größere Anlagefreiheiten und niedrigere PSV-Beiträge nichts.

Einer der ganz großen Masterfonds-Player damals war übrigens die Activest. Diese gewann im Herbst 2002 das große Eon-Mandat und auch das Daimler-Mandat. Die Gerüchte über angebliche ­Dumping-Preise, um als Administrator leichter lukrative Asset-­Management-Mandate gewinnen zu können, verstummten nie. Laut Activest lag die Gebühr für Eon Energie „deutlich über zwei Basispunkte“. Dank der ersten Master-KAG-Konstruktionen lernten die ­Investoren auch die Tücken des Vieraugen-Prinzips kennen: Eon ­Energie wurde gewahr, dass die Bewertungsansätze der Activest und ihres Global Custodians JP Morgan nicht übereinstimmten.

Für viel Gesprächsstoff sorgte bei Versicherungen auch das ­Thema „Auslagerung der Kapitalanlage“. Anlass war das Outsourcing der VPV an die damalige Gen Re Capital. Nachgeahmt wurde dieser Schritt, anders als bei holländischen Pensionsfonds, aber selten. Apropos ­Versicherungen: Erwähnenswert ist auch, dass die Lebensversicherer 2002 die Auffanggesellschaft Protektor ins Leben riefen – obwohl die Stimmungslage eigentlich noch eine andere war. Im Schnitt waren deutsche Lebensversicherer Mitte des Jahres mit knapp 15 Prozent in Aktien investiert, und im portfolio-Interview im September fühlte sich Michael Rosenberg von der Victoria Lebensversicherung zu einer Rechtfertigung genötigt, dass die Branche im Aktienhype zu konservativ gewesen sei: „Unsere Aktienquote beträgt derzeit 25 Prozent und ist seit längerem konstant. Anfang der 90er lag sie noch bei zwölf bis 13 Prozent.“ Rosenberg fügte übrigens hinzu, dass man mit der ­Kooperation mit der Meag „völlig zufrieden“ sei. Ob Rosenberg ein Quartal später die gleichen Aussagen gemacht hätte?

Von offenbar ewiger Haltedauer beziehungsweise die Platte mit dem Sprung ist dagegen folgende Aussage von Jürgen Olbermann von Feri: „Die Zahl der KAGen könnte künftig von derzeit etwa 80 auf ­etwas über zehn schrumpfen. Mehr als eine Handvoll KAGen sind nicht nötig.“ Die aktuelle Zahl der KAGen laut Bafin im März 2012: 76. Der Name des Zitatgebers lässt sich übrigens fast ebenso beliebig ersetzen wie „KAG“ durch „Depotbank“. Zwei andere Dauerbrenner nannte Dieter Willmann von der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks in der Rubrik „Investorengespräch“. „Wir werden womöglich erstmals den Paragrafen 341 b HGB anwenden, ­also nicht alle Anlagen nach dem strengen Niederstwertprinzip ­bilanzieren.“ Für die Nutzung dieses Paragrafen, den Investoren im Allgemeinen sehr kontrovers sehen und der 2001 auf Bitten des GDV von der Bundesregierung als neuer Rettungsanker ausgeworfen ­wurde, machten damals etwa 50 Prozent der Versicherungsbranche Gebrauch. Willmann weiter: „Lange konnten wir überwiegend eigenständig unsere Leistungsversprechen relativ gefahrlos auf dem deutschen Rentenmarkt sichern und respektable Überschüsse erzielen. Doch diese Zeiten sind vorbei.“ Eine hierzu passende Anekdote von Ernst-Ludwig Drayss von Berlin & Co.: Im November 1994 soll die Bundesrepublik mit mäßigem Erfolg 30-jährige Schuldscheindarlehen zu acht Prozent platziert haben. Ein aufschlussreiches Investoren­interview führte portfolio übrigens auch mit Hans Schreiber von der Mannheimer Leben.
_Buntere Anbieterlandschaft

Länger in Erinnerung blieb in der portfolio-Berichterstattung auch die Feri-Studie zu ausländischen Fondsmanagern. „Die Offenheit der Investoren für internationale Asset Manager wächst zusehends“, ­kommentierte der damalige Feri-Geschäftsführer, Dr. Hartmut Leser, die Studie. Diese Offenheit gilt übrigens auch für Leser selbst, der 2007 zu ­Aberdeen Asset Management wechselte. Gemäß der damaligen Studie kamen die Mandate der ausländischen Investmentgesellschaften auf nicht einmal 20 Prozent der Assets der Investoren. 2002 war der Markt eben noch stark von den deutschen Großbanken und deren ­Asset-Management-Töchtern dominiert. Cominvest, Activest, Dbi, Dit und womöglich bald auch die zum Verkauf stehende DB Advisors­ sind jedoch Geschichte, ausländische Asset Manager zu beschäftigen dagegen längst Normalität. „Diese Quote liegt heute viel höher, Vorbehalte gegenüber ausländischen Häusern gibt es heute nicht mehr“, ­berichtet Lars Detlefs von dem amerikanischen Asset Manager MFS Investment Management. Die typischen Vorbehalte gegenüber ausländischen Häusern, wie Sprache, schwieriger Zugang zum Fondsmanager, mangelnde Sensibilität gegenüber deutschen Anlagerestriktionen oder fehlende Einflussmöglichkeiten auf Mutual Funds, werden von Asset Managern, die es mit ihrem Engagement auf dem deutschen Markt ernst meinen, heute abgebaut.

Ein Signal für die Ernsthaftigkeit ist ein der deutschen Sprache mächtiger Ansprechpartner und ein deutsches Büro. „Solange nicht der komplette Investmentprozess konterkariert wird, sind wir im Rahmen von Segregated Accounts oder Spezialfonds auch bereit, kundenspezifische Vorgaben umzusetzen“, so Detlefs, der hinzufügt, dass gerade bei sehr fokussierten Portfolios Restriktionen des Kunden nur schwer umzusetzen seien. Zugang zum Portfoliomanager gewährt MFS jedoch bewusst nur in Ausnahmefällen, da deren primäre Aufgabe die Alpha-Generierung ist. Ähnlich wie in anderen Häusern fungieren aber sogenannte Institutional Portfolio Manager, die dem Portfoliomanagement-Team angehören und in alle Portfolioentscheidungen eingebunden sind, als Bindeglied ­zwischen Kunden und Portfoliomanagement.

_Dauerbrenner Risikomanagement

Risikomanagement wurde im Baissejahr 2002 zunehmend als Problem erkannt. Allerdings war damals die Welt noch normalverteilt, der Value at Risk erschien auch ohne Conditional Value at Risk als hilfreich, man fing an, CPPIs zu vertrauen, und Risiko war noch ­relativ. „Im Zentrum des Risikomanagements steht das Verständnis für die Spanne, die die Wertentwicklung eines Fonds haben kann und die üblicherweise in Relation zu einer Benchmark ausgedrückt wird“, erläuterte ein Londoner Portfolio-Construction-Spezialist deutschen Lesern. Und: „Hinter dem Begriff ‚Risiko‘ steht die Idee von der ­Unsicherheit der Erträge eines Portfolios, die gewöhnlich durch die Volatilität gemessen wird.“ 50 Jahre zuvor hatte übrigens Harry Markowitz seine Portfoliotheorie veröffentlicht. Es bedurfte aber noch eines richtigen Crashs, um Risikomanagement grundsätzlich zu hinter­fragen. Dieser kam dann im vierten Quartal und sorgte für bis heute zu spürende Nachwirkungen auf Risikotragfähigkeit und Asset-Liability-Management.

portfolio institutionell, 16.04.2012

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