Statement
28. Oktober 2019

Wie grün sind Green Bonds? Engagement ist der Schlüssel zu Impact Investing

Verantwortungsbewusstes Investieren scheint sich in der Fondsbranche zum Thema der Stunde entwickelt zu ­haben.

Es gibt kaum einen Kongress und kaum ein Magazin, in dem das Thema nicht behandelt wird. Die Frage, was verantwortungs­bewusstes Investieren ist und mit welchem Ansatz es ­umgesetzt wird, interpretiert jeder Asset Manager allerdings auf ­seine ­eigene Weise. Es gibt (noch) keine einheitliche ­Definition. Im Fall von ökologisch nachhaltigen Investments führt dies ­unweigerlich zur Frage: „Wie grün ist grün ­eigentlich?“ Und trotz ihres Namens gilt das auch für grüne Anleihen, auf Englisch Green Bonds. Denn die Entscheidung, eine Anleihe „grün“ zu nennen, liegt bei den Emittenten selbst. Ein kritischer Blick auf jede einzelne derart betitelte Anleihe ist daher sinnvoll.

In Portfolios gibt es nicht den einen richtigen verantwortungsbewussten Investmentansatz. Es geht vielmehr darum, dass Anleger ihre Ziele für verantwortungsbewusstes Investieren festlegen und anschließend prüfen, welche der entsprechenden im Markt erhältlichen Strategien aus Sicht der klassischen Portfoliokonstruktion – ­Anlageklasse, Risikograd, Korrelation, et cetera – für ein bestimmtes Portfolio geeignet sind. Dazu bieten einige Asset Manager mittlerweile eine hinsichtlich der Tiefe der ESG-Integration abgestufte Palette an Strategien an, mit Impact-Strategien als höchste Stufe des verantwortungsbewussten Investierens.

Impact Investing mit grünen Anleihen

Kaum eine andere Entwicklung belegt die zunehmende Bedeutung nachhaltiger Anlagen so eindrucksvoll wie das rasante Wachstum des Marktvolumens grüner Anleihen: Von 17 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 440 Milliarden Euro im Sommer 2019. Damit ­haben sich grüne Anleihen innerhalb kürzester Zeit als ­eigenständige ­Anlageklasse etabliert. Aktuell ist es (noch) jedem Anleihe­emittenten selbst überlassen, eine Anleihe als grün zu bezeichnen. Die Ver­wendung des Begriffs ist nicht reguliert. Das führt dazu, dass es Unternehmen gibt, die grüne Anleihen begeben, ohne die Absicht zu haben, ihr Geschäftsmodell wirklich nachhaltiger auszurichten. Dazu ein Beispiel aus dem Transportsektor: NN Investment ­Partners ist seit mehreren Jahren im Markt für grüne Anleihen aktiv. In dieser Zeit haben wir erlebt, dass Eisenbahnunternehmen grüne Anleihen zur Finanzierung von CO2-armen ­Transportlösungen emittiert haben, während der Transport fossiler Brennstoffe weiter ein wesentlicher Teil ihres Geschäfts ist – und bleiben soll. Obwohl die Erlöse aus den grünen Anleihen für nachhaltige Projekte verwendet werden, stellt sich die Frage, wie grundlegend grün solche Unternehmen tatsächlich sind. Für Investoren, die mit grünen Anleihen einen Impact-Investmentansatz verfolgen, nicht grün genug.

Anbieter grüner Anleiheindizes neigen jedoch dazu, nur die ­ökologische Seite der Projekte zu betrachten, die durch die Anleihe finanziert werden. Wenn in einem grünen Anleihefonds daher der Index nachgebildet wird, ist für Anleger das Risiko höher, ­weniger grün anzulegen als beabsichtigt. Und im Extremfall sogar Opfer von Greenwashing zu werden. Darüber hinaus können ­aktive Fondsmanager gute grüne Neuemissionen zeichnen, während ­passive Investoren warten müssen, bis die Anleihe am Sekundärmarkt erhältlich ist und Teil des Index wird.

Um die passenden Unternehmen und Anleihen zu identifizieren, müssen Investoren zunächst quantitative und qualitative ESG-­Faktoren auf Projekt- und Unternehmensebene betrachten. Dazu wird die traditionelle Fundamentalanalyse um eine hauseigene ESG-Bewertung durch Analysten und Fondsmanager erweitert. Eigene Analysen sind unter anderem auch deshalb notwendig, weil Nachhaltigkeitsbewertungen externer Anbieter in der Regel rückwärtsgewandt sind und nur die bisherige und aktuelle ESG-Performance eines Unternehmens betrachten. Der Blick nach vorne ist allerdings mindestens ebenso wichtig: Wie sehen die künftigen Pläne eines Unternehmens aus? Hat es die Absicht, sein Geschäftsmodell nachhaltiger zu entwickeln? Gerade in einer Ära des ­gesellschaftlichen Umbruchs, wie wir sie gegenwärtig beim Thema Nachhaltigkeit erleben, ist dieser zukunftsgewandte Blick von wesentlicher Bedeutung.

Engagement und detailliertes ESG-Reporting

Für institutionelle Investoren geht es bei der Auswahl des ­verantwortungsbewussten Investmentansatzes letztlich um ihre persönliche Abwägung, wie hoch der tatsächliche Einfluss sein soll, den sie als Anleger auf die Umwelt und soziale Belange erzielen möchten. Dazu haben die meisten Investoren und Asset Manager im ersten Schritt eine Mindestgrenze definiert, die sie aus ESG-Perspektive für akzeptabel halten. Als Konsequenz werden ­Investitionen in bestimmte Länder und Unternehmen ­ausgeschlossen. Das ist ­jedoch nur der erste Schritt. Wir fokussieren uns darüber hinaus in einem zweiten Schritt auf Integration und Engagement – also auf den Dialog mit den Unternehmen, in die wir investieren. Insbesondere für Impact-Investoren ist dieser Dialog mit den investierten Unternehmen entscheidend. Denn er ermöglicht ein ­besseres Verständnis für ein Unternehmen und kann einen positiven ­Wandel anregen sowie ein Unternehmen darin unterstützen, seine Geschäftsabläufe nachhaltiger auszurichten und transparenter über ESG-Themen zu berichten.

Das ESG-Reporting wird aber nicht nur für Unternehmen, ­sondern auch für Asset Manager immer wichtiger. Wer ­nachhaltig ­investiert, hat nach unserer Ansicht einen Anspruch darauf zu ­sehen, ­welche konkreten sozialen und ökologischen Auswirkungen seine ­Investitionen haben. Wir veröffentlichen zum Beispiel für ­unseren NN (L) Green Bond Fonds die vermiedenen CO2-Emissionen der finanzierten Projekte pro investierter Million Euro: Bei seinem ­Anlagevolumen von mittlerweile über einer Milliarde Euro spart der Fonds jährlich über 547.000 Tonnen CO2 ein. Das entspricht den durchschnittlichen Emissionen von 214.000 Pkw. Darüber ­hinaus verfolgen und veröffentlichen wir, zu welchen nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, auf Englisch Sustai­nable Development Goals oder kurz SDGs, das Fondsportfolio ­beiträgt (siehe Grafik).

Größere Diversifizierung

Abschließend noch ein Wort zum Thema Diversifizierung bei ­grünen Anleihen. Auch wenn das Marktvolumen und die ­Emittentenbasis grüner Anleihen in den vergangenen Jahren deutlich größer ­geworden sind, machen französische Emittenten aktuell rund 31 Prozent des MSCI Euro Green Bond Index aus. Alleine auf den französischen Staat entfallen 12,5 Prozent. Fonds, die den Index nachbilden, investieren also mehr als ein Zehntel ihres Kapitals in einen einzigen Emittenten. Aktive Fonds können hingegen deutlich stärker diversifizierte Portfolios konstruieren und auf Anleihen ­setzen, die das beste Potenzial besitzen – und zwar aus Rendite- und Nachhaltigkeitsperspektive.

Diversifikation auch mit Impact Investments

Interview mit Anja Nieberding, Country Head Germany, NN Investment Partners

Wie messen Sie Nachhaltigkeit?

Es gibt eine Reihe gängiger Methoden, Nachhaltigkeit bei Kapitalanlagen zu ­messen. Dazu gehören insbesondere die Messung der CO2-Bilanz, des Wasserverbrauchs oder soz­ialer Faktoren wie die Anzahl der ­Menschen, die durch die ­Unternehmensaktivität Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ­erhalten. Diese Methoden kann man auch bei der Benchmark anwenden. Ein Beispiel für die Aktienseite: Für unseren NN (L) ­European Sustainable Equity Fonds messen wir unter anderem die eingesparten CO2-Emissionen im Vergleich zum MSCI Europe Index. Die Einsparung des Portfolios liegt bei 202.000 Tonnen pro Jahr, basierend auf den Assets under Management von 380 Millionen Euro. Das entspricht den CO2-Emissionen von knapp 9.000 Privathaushalten.
Darüber hinaus haben sich die ­Sustainable Development Goals oder kurz SDGs der Vereinten Nationen zu einer anerkannten Messlatte für Nachhaltigkeit entwickelt. Wir veröffentlichen daher für unsere Impact-Strategien auch, wie groß ihr Beitrag ist, die einzelnen SDGs zu erreichen.

Ist es besser, mit einem oder mit mehreren ESG-Datenlieferanten zu kooperieren? Nutzen Ihre Portfoliomanager diese Daten überhaupt?

Asset Manager müssen externe Datenquellen und interne Analysen kombinieren, wenn sie ESG-Faktoren in ihre Prozesse integrieren wollen. Für erste Screening-Prozesse sind etablierte Datenanbieter wie Sustainalytics sinnvoll. Allerdings sind Daten externer Anbieter oft rückwärtsgewandt und werden nur jährlich veröffentlicht. Daher ist es wichtig, dass Asset Manager ihre eigenen Hausaufgaben machen.

Zuerst ist es notwendig, eine systematische Grundlage für die Integration von ESG-­Faktoren in den Investmentprozess zu schaffen. Wir legen zunächst die maßgeb­lichen ESG-Themen je Unternehmen, Sektor und Land fest. Anschließend wird die Leistung eines Unternehmens in Bezug auf jeden ESG-Aspekt bewertet und ­potenzielle ­Kontroversen und Auswirkungen ­offengelegt. Diese Einschätzung integrieren wir in unsere Investmentanalyse und ­dokumentieren die Integration der E-, S- und G-Faktoren einheitlich. Einer der 16 ESG-Themen­bereiche, die wir analysieren, sind beispielsweise ökologische Innova­tionen. Wir schauen, ob ein Unternehmen ­ökologische Innovationen und damit zusammenhängende Chancen vor­antreibt. Will das Unternehmen zum Beispiel Plastikmüll bekämpfen, indem es Alternativen wie kompostierbare Verpackungen einführt?

In welchen Fällen kostet Nachhaltigkeit Performance?

In Zusammenarbeit mit dem European ­Centre for Corporate Engagement der Universität Maastricht haben wir mehr als 3.000 Unternehmen hinsichtlich ihrer ESG-Performance analysiert. Dabei haben wir festgestellt, dass gute absolute ESG-Werte nicht unbedingt ein belastbarer Indikator für die künftige Unternehmensentwicklung sind. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass Unternehmen mit lediglich durchschnitt­lichen ESG-Werten aber guter ESG-­Dyna­mik eine bessere Sharpe Ratio besitzen als ­Unternehmen mit hohen ESG-Werten aber geringer ESG-Dynamik.

Allerdings reicht eine positive ESG-Dynamik allein nicht. Die klassischen Fundamentaldaten eines Unternehmens müssen ebenfalls stimmen, damit die ­finanzielle ­Performance nicht leidet. Damit fallen nachhaltige ­Projekte, die man unter ­„Philanthropie“ klassifizieren kann und die kein finan­zielles Interesse verfolgen, aus Investment­perspektive weg.

Droht mit einer zu konsequenten ­Implementierung von nachhaltigen Assets, dass Portfolios instabil werden?

Instabil kann ein Portfolio vor allem dann werden, wenn das Anlageuniversum zu klein ist, um eine gesunde Diversifizierung und ­Liquidität zu sichern. Dieses Problem gibt es heute bei nachhaltigen Assets in der Regel nicht mehr – weder auf der Aktien- noch auf der Anleiheseite. Das gilt selbst dann, wenn man den strengen Maßstab des Impact Investing anlegt. Ein Problem könnte sich erst dann ergeben, wenn man ­beispielsweise ­zusätzlich den regionalen Anlage­rahmen stark ­einschränkt.

Mit Blick auf die Aktienseite hat eine ­Analyse von uns ergeben, dass es weltweit über­raschend viele Unternehmen gibt, die gemäß der SDGs einen positiven Impact erzielen. Dazu haben wir rund 15.000 ­Unternehmen untersucht – fast 3.000 Aktien erfüllen ­positive Impact-Kriterien und auch die Sektoren sind gut diversifiziert. Das heißt, man kann auch bei einem Impact-Ansatz noch ­wählerisch sein, ohne die Diversifizierung zu gefährden.

Das gleiche gilt für die Anleiheseite. Der Markt für grüne Anleihen ist ­mittlerweile auf über 440 Milliarden Euro ­gewachsen. Zu den Emittenten gehören sowohl Unter­nehmen als auch Staaten. Damit haben sich grüne Anleihen zu einer eigenständigen ­Anlageklasse entwickelt, die breit diversi­fiziert ist.

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