„Zinsbewegungen können die Risikotragfähigkeit unter Druck setzen“
In den Bilanzen der deutschen Versicherer sind die stillen Lasten zuletzt wieder angestiegen. Laut der Bafin ist die Lage der Unternehmen aktuell insgesamt robust.
Die stillen Lasten in der Bilanzen der deutschen Lebensversicherer sind zuletzt wieder etwas größer geworden. Darauf hat Julia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin, nun auf einer Veranstaltung in Düsseldorf hingewiesen.
Blieben die saldierten stillen Lasten der Kapitalanlagen 2024 gegenüber dem Vorjahr weitgehend konstant, seien sie im ersten Halbjahr 2025 infolge der letzten Zinsentwicklungen wieder angestiegen. „Von rund sieben Prozent auf rund neun Prozent der Kapitalanlage. Wir sehen jedoch keine auffälligen Abschreibungen wegen Wertverlusten bei Aktien oder Immobilien. Aber auch kein übermäßiges Heben von stillen Reserven“, erklärte Wiens während ihrer Rede beim „Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung“ am 4. September, bei der sie die Lage der deutschen Lebensversicherer aus der Perspektive der Aufsicht betrachtete.
Dennoch stelle sich natürlich die Frage, so Wiens, wie die Unternehmen mit den stillen Lasten umgehen. „In der Liquiditätsplanung. Aber auch hinsichtlich der Frage, wie sie die stillen Lasten reduzieren. Zum Beispiel mit Mitteln, die durch die Auflösung der Zinszusatzreserve frei werden.“
Wichtig für die Bafin sei, dass auch 2024 alle Lebensversicherer eine ausreichende Bedeckung der Solvenzkapitalanforderungen nachweisen konnten. „Ja, die ausgewiesene SCR-Bedeckung ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken. Das liegt natürlich an der Neuberechnung des Rückstellungstransitionals zum 30. Juni 2024. Aber: Die ökonomische Bedeckung, also die SCR-Bedeckung ohne den Effekt der Übergangsmaßnahme, ist stabil geblieben. Und zwar unverändert auf einem auskömmlichen Niveau.“ Auch die aktuellen Zahlen für das erste Halbjahr 2025 geben Entwarnung. „Bisher sehen wir keine wesentlichen Auswirkungen auf die Risikotragfähigkeit der Unternehmen.“
In den letzten Jahren habe man jedoch gesehen, so Wiens, „wie stark sich Veränderungen der Marktzinssätze direkt auf die deutschen Lebensversicherer auswirken können – sowohl auf die Bewertungsreserven als auch auf die SCR-Bedeckung.“ Solche Zinsbewegungen könnten die Risikotragfähigkeit deutlich unter Druck setzen. Trotzdem sei die Lage aktuell insgesamt robust – und in vielen Fällen sogar gut, konstatierte die Chefin der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht.
„Das liegt daran, dass unsere Lebensversicherer langfristig investieren. So können sie kurzfristige Ausschläge an den Märkten abfedern. Und sie haben ausreichend Puffer, um auch unerwartete Verluste aufzufangen. Und mir ist wichtig, dass das so bleibt. Denn die Lage am Kapitalmarkt ist alles andere als stabil.“
Aus stillen Reserven wurden stille Lasten
Infolge der gestiegenen Zinsen sind die Marktwerte der festverzinslichen Kapitalanlagen vor allem im Jahr 2022 drastisch gesunken, wie eine Untersuchung der Bafin verdeutlicht. Dadurch sind die saldierten stillen Bewertungsreserven abgeschmolzen und es haben sich saldierte stille Lasten gebildet. Laut der Ratingagentur Assekurata lagen die stillen Reserven Ende 2021 aufgrund des Niedrigzinsumfelds noch auf einem Niveau von rund 150 Milliarden Euro. Aufgrund des Zinsanstiegs drehte der Wert ins Minus. Per Saldo wies die Branche im Jahr darauf stille Lasten von etwa 50 Milliarden Euro aus.
Zwar engen stille Lasten den Handlungsspielraum von Lebensversicherern in der Kapitalanlage ein, wie die Bafin vor einiger Zeit betonte. Aber die stillen Lasten in festverzinslichen Anlagen hätten für sich genommen zunächst keine negativen Auswirkungen auf die Ergebnisse der Unternehmen. Voraussetzung: Die stillen Lasten sind zinsinduziert und die Versicherer halten die Anlagen bis zur Endfälligkeit, was in der Regel der Fall sei.
Negativ auswirken würden sich die stillen Lasten nur dann, wenn die Versicherer sie realisieren müssten. Dazu könnten sie zum Beispiel gezwungen sein, wenn ihre Liquidität knapp wird. Das kann vor allem dann passieren, wenn bestehende Versicherungsverträge aufgrund des Zinsanstiegs für die Kundinnen und Kunden wirtschaftlich unattraktiv werden und diese sich entschließen zu kündigen. Dann flössen vermehrt Mittel ab und der Bedarf an Liquidität stiege.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Lebensversicherung
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