Immobilien
16. Mai 2020

Zweck ohne Mittel

Nach den Zinsen schrumpfen nun auch Dividenden- und Miet­erträge. Ohne diese ordentlichen Erträge ist aber bei Stiftungen die Zweckerfüllung gefährdet. Reaktionsmöglichkeiten sind rar.

Eigentlich schlechte Nachrichten werden in einer Krise auch ­einmal positiv interpretiert – sogar sehr positiv. Am 22. April verkündete der Vorstand von ProSiebenSat1 das Vorhaben, die Dividende für 2019 zu streichen. Trotz der Hiobsbotschaft stiegen die Aktien ­innerhalb einer Woche um etwa 30 Prozent. Bei investierten Stiftungen, für die vor allem die hohe Dividendenrendite ein wichtiges Kaufargument war, dürfte sich die Freude über den Kurszuwachs jedoch eher in Grenzen halten. Schließlich benötigen sie zur ­Erfüllung des Stiftungszwecks sogenannte ordentliche Erträge wie Dividenden, Zinsen oder Mieterträge. Nachdem es um Zinserträge schon länger schlecht bestellt ist, drohen nun auch Rückgänge bei Dividenden und Mieten. „Die ordentlichen Erträge werden ­sinken“, ist sich Petra Träg von der SOS-Kinderdorf-Stiftung sicher.

Statt dem Dividendenregen kommt nur ein Tröpfeln

Der Dividendenausfall bei ProSiebenSat1 war leider keine Aus­nahme. Gemäß einer Untersuchung der DZ Bank könnte sich am Ende ein Dividendenrückgang von etwa 40 Prozent realisieren. Dies wäre vergleichbar mit den Kürzungen für Aktionäre in ­Europa während der Finanzkrise 2008/2009. Stiftungen stehen damit vor einem besonders schwierigen Jahr. Nach Zins und Dividende droht nämlich auch, dass die dritte traditionelle Quelle für ordentliche Erträge, nämlich Mieterträge, krisenbedingt ebenfalls „underperformen“. Dazu könnte auch das Maßnahmenpaket des Bundes ­beitragen. Zu diesem zählt die Möglichkeit für Mieter, ihre Mieten zu stunden. Manche Immobilieneigentümer erwarten, dass eine ­Stundung am Ende ein Mietausfall sein wird.

In der Praxis scheint sich dieses Problem aber (noch) nicht realisiert zu haben. So teilt die Evangelische Stiftung Pflege Schönau (ESPS) mit, die ein Wohnungsportfolio mit rund 800 Wohnungen in Baden-Württemberg ihr Eigen nennt: „Die Mietausfälle bezieh­ungsweise Mietstundungen bewegen sich derzeit auf einem relativ niedrigen Niveau.“ Aktuell liegen der Stiftung aus Mannheim und Heidelberg insgesamt lediglich sechs Stundungsanträge vor. Dies entspreche einem Anteil von deutlich unter einem Prozent – sowohl bezogen auf die Anzahl der Verträge als auch auf die Höhe der Forderungen. Doch auch die Stiftung weiß, dass man sich womöglich erst am Anfang der Krise befindet. „In den kommenden ­Monaten könnte diese Zahl aber angesichts anhaltender Einschränkungen, zunehmender Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit durchaus steigen.“ Dies käme wohl für die Heidelberger Stiftung gerade ­derzeit besonders ungelegen. Mit 7.500 Hektar Wald ist die im Jahr 1560 gegründete ESPS die größte körperschaftliche Waldbesitzerin in Baden-Württemberg. Der Klimawandel und dessen Folgen bedrohen den Forst nach Stiftungsangaben „massiv“. Die darum von Waldbesitzern forcierte Holzernte führt durch das Überangebot zu fallenden Baumpreisen. Waldbesitz ist für Stiftungen derzeit also auch keine Möglichkeit, den ordentlichen Ertrag aufzupäppeln.

Was als Möglichkeit bleibt, um ordentliche Erträge zu erzielen: bei Fondsinvestments zusammen mit den anderen Investoren auf Ausschüttungen zu pochen. Die ESPS, die in den vergangenen Jahren auch eine Allokation in Immobilienfonds aufgebaut hat, geht ­diesen Weg jedoch nicht. Vielmehr gehe man im Anlegerkreis ­verantwortungsvoll mit der Situation um und es bestehe Konsens, den Unternehmen, um sie langfristig zu unterstützen, den nötigen Freiraum zu geben. „Deshalb werden Ausschüttungsverzichte ­akzeptiert. Es macht keinen Sinn, einen Fonds auszucashen. Im Sinne des Stiftungsgedankens nehmen wir hier eine langfristig ­angelegte Haltung ein.“ Allerdings brechen durch die derzeitige ­Situation bei den Immobilienfonds „durchaus signifikante Erträge weg“. Dies könne man derzeit aber glücklicherweise noch kompensieren, so dass die Stiftung weder in ihrer Struktur noch in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei. „Die ­Stiftungsverpflichtungen können wir vollumfänglich bedienen“, so die Stiftung.

Wie in jeder Krise erweist sich auch diesmal die Asset-Allokation als besonders wichtiger Faktor. „Entweder man kann noch vorher reagieren oder man braucht ein Portfolio, mit dem man durch eine Krise kommt. In der Krise reagieren geht oft nicht mehr“, erklärt Petra Träg und verweist hierbei auch auf die gestiegene Illiquidität. Einfacher wird es auch künftig nicht. „Aus den Erfahrungen der Rettungspakete der Finanz- und Staatsschuldenkrise wissen wir, dass durch die Interventionen der EZB Anleihen keine Erträge mehr bringen. Deshalb sind Stiftungen mehr und mehr auf Aktien und Immobilien zur Ertragserwirtschaftung ausgewichen. Die ­Ertragspotenziale dieser beiden Asset-Klassen werden nun durch den Lockdown und die mit den staatlichen Rettungspaketen verbundenen Bedingungen eingeschränkt. Hinzu gekommen sind in den vergangenen Jahren regulatorische Eingriffe und Kosten wie zum Beispiel die jährliche LEI-Gebühr.“ Zweckerfüllungsprobleme im Stiftungssektor sieht Träg in zwei Fällen. Einmal, wenn ­Stiftungen Förderzusagen über Jahre hinaus ausgesprochen ­haben. Zum anderen im Fall von kleinen Stiftungen, weil marktbedingt die Erträge immer weiter sinken und die Kosten der Kapitalbewirtschaftung eben durch die Regulatorik steigen. Immerhin dürften seitens der Stiftungsaufsicht derzeit weniger Probleme gegeben sein, als man nach dem Crash vermuten könnte. „Dank der guten vergangenen Jahre haben viele Stiftungen stille oder aufgedeckte Reserven in den Büchern. Bei diesen Stiftungen ist der Kapitalerhalt gegeben“, so Stiftungsexperte Jörg Seifart. „Das ist ein ­typisches Missverständnis zwischen Vermögensverwalter und Stiftung. ­Ersterer denkt in Quartalen, wohingegen eine Stiftung auf das zu erhaltende Vermögen kucken muss.“

Am ehesten könnte sich der Ertrags-Engpass bei den Dividenden kurzfristig erweisen. Wenn die Konjunktur wieder anspringt, dürften die Unternehmen so schnell wie möglich den Staatseinfluss wieder abbauen wollen. Bezüglich Aktien hat diese Krise aber auch gelehrt, sich stärker über Sektoren Gedanken zu machen. „Wir ­haben bereits einen recht großen Anteil in Pharma und Gesundheit. Hier werden wir uns wohl künftig noch mehr engagieren“, so Petra Träg zur Allokation der SOS-Kinderdorf-Stiftung. Wie der ebenfalls relativ gut gelaufene IT-Sektor sind Unternehmen dieser Branche allerdings nicht für üppige Dividendenrenditen bekannt.

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